Nur was wir annehmen, können wir auch verändern
Wie ein Fremder in der Welt
Teil 2 der Serie Gläubig alt werden – Spirituelle Impulse aus der Erfahrung des Glaubens. Von Klaus Egger
Unser Älterwerden ist gerahmt von der Seniorengesellschaft und auch gerahmt vom Zeitalter der schrumpfenden Bedeutung von Religion und Glaube in unserem Lebensalltag. War dieser letzte Lebensabschnitt einst ganz selbstverständlich geprägt von der Hoffnung auf ein ewiges Leben, auf ein glückliches Wiedersehen mit schon verstorbenen Verwandten und Freunden, so geht es heute oft mehr um ein „gutes Leben" bis zum Ende. Das Programm heißt dann „Anti-Aging". Dabei geht es um Maßnahmen, die zum Ziel haben, das biologische Alter des Menschen hinauszuzögern und die Lebensqualität im Alter möglichst lange auf hohem Niveau zu halten.
Ein kostbares Gespräch. Wenn ich über das Älterwerden nachdenke und nach Wegen suche, die ich selbst im Herbst meines Lebens gehen kann, dann kommt mir immer wieder ein Gespräch in den Sinn, das ich vor mehr als zehn Jahren mit einem alten Mitbruder geführt habe. Es war bei Priesterexerzitien, als der Senior der Gruppe bei mir anklopft und um ein Gespräch bittet. Er stellt sich kurz vor: Ich bin 87 Jahre alt, brauche bis jetzt keinerlei Medikamente, fahre noch selbst mit dem Auto, bin Zelebrant in einer Schwesterngemeinschaft und fühle mich wohl. Nach wenigen Sätzen aber sagt er: „Wenn ich jedoch an all das denke, was ich nicht mehr kann, dann überkommt mich der Zorn." Als ich dazu eine Frage stellen wollte, legte er noch zu: „Wenn die Leute dann sagen: Aber du kannst ja noch, dann wird der Zorn noch schlimmer. Denn ich frage mich: wie lange noch?“ Im Moment war ich sprachlos, und dann sagte ich, einem unerwarteten Einfall folgend: „Lieber Mitbruder, es gibt älterwerdend nicht bloß diese zwei Ebenen, sondern auch noch eine dritte." Und dann heißt es: Was kann ich nicht mehr? Was kann ich noch? Was kann ich erst jetzt?
Damals war ich über die Worte des alten Mitbruders – vor allem über seinen Zorn – doch etwas verwundert. Heute glaube ich, ihn auf Grund eigener Erfahrungen etwas besser verstehen zu können.
Innere Widerstände. Inzwischen habe ich auch selbst erlebt, wie die verschiedenen altersbedingten Einschränkungen – gesundheitlich, sozial und auch ganz persönlich – innere Widerstände auslösen können, die man gar nicht so leicht ausblenden kann. Dazu kommt dann auch noch, dass man sich in dieser Lebensphase manchmal wie ein Fremder in der Welt und auch in der Kirche von heute vorkommt. Einsamkeit ist dann kein Fremdwort mehr. Da kann es schon sein, dass ich manchmal etwas unwirsch zu mir sage: „Muss das jetzt wirklich so sein?“ Neue Türen. Der große Psychologe Carl Jung (1875-1961) hat einmal geschrieben: „Nur was wir annehmen, können wir auch verändern." Wenn ich also bereit bin, anzunehmen, was ich jetzt nicht mehr kann, dann werden sich auch neue Türen öffnen.
Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird von Tag zu Tag erneuert. (2 Kor 4, 16)
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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