Die Innsbrucker Unipfarre
Gemeinschaft statt Leistungsdruck
Vor zwei Jahren hat Bischofsvikar Jakob Bürgler die Leitung der Unipfarre übernommen. Gemeinsam mit einem engagierten Team hat er die Unipfarre aus dem „Corona-Modus“ zu neuem Leben erweckt: eine schöne Aufgabe mit vielen Chancen und Herausforderungen. Ein Gespräch über die Situation von Studierenden heute, wie es ihnen mit der Kirche geht und was er ihnen wünscht.
Seit September 2021 sind Sie Unipfarrer. Wie war der Start?
Jakob Bürgler: Das war mitten in der Corona-Zeit, die Uni war so gut wie geschlossen. Es war sehr schwer, mit den Studierenden Kontakt aufzunehmen. So haben wir mit einem bescheidenen Programm gestartet, und seitdem bauen wir auf und aus.
Die Unipfarre – wer ist das, außer Ihnen?
Bürgler: Der junge Servitenpater Anthony Raj war von Anfang an mit dabei, er hat eine ganz besondere Art, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Sehr beliebt sind seine indischen Kochabende! Uns war sehr wichtig, eine Frau im Team zu haben. Eine zu finden, hat mir aber einiges an Kopfzerbrechen bereitet...
Und wie wurden Sie dann fündig?
Bürgler: Meine Ratlosigkeit führte mich – nicht wenig überraschend – zur „Mutter vom guten Rat“ in die Spitalskirche. Ich schüttete ihr mein Herz aus und bat um Hilfe. Auf dem Heimweg fiel mir plötzlich Sr. Elisabeth Senfter ein. Sie stammt wie ich aus Osttirol, hat mit mir maturiert, ist in Frankreich in die Gemeinschaft der Seligpreisungen eingetreten und hat viel Erfahrung in der Begleitung junger Menschen und mit strategischen Prozessen. Auf gut Glück fragte ich sie an – eigentlich hatte sie schon andere Pläne, aber sie und ihre Gemeinschaft haben sich für uns entschieden.
Und wer ist die zweite Frau im Team?
Bürgler: Das ist Paulina Pieper, die unter anderem dafür zuständig ist, dass wir auch Studierende jener Hochschulen erreichen, die bisher nicht im Blick der Unipfarre waren. Da Paulina auch das Projekt „Denk dich neu“ vorantreibt, gibt es etliche Schnittstellen. Ein Beispiel ist das „Kaffee-Bike“, das wir am Campus für die Kontaktaufnahme mit Studierenden nützen.
Nach den Lockdowns und mit komplettem Team: Wie läuft es jetzt an der Unipfarre?
Bürgler: Das Studium ist sehr verschult, der Leistungsdruck groß. Die wenige Freizeit wird vor allem für Entspannung genutzt. Dazu kommt, dass viele Studierende nur von Montag bis Donnerstag da sind. Keine einfachen Rahmenbedingungen also. Umso mehr freut mich, dass die Sonntagabendmesse mit 60 bis 80 Leuten meist sehr gut besucht ist.
Was spricht die Studierenden noch an?
Bürgler: Angebote wie der Gospelchor, der Kleidertausch oder die Indian Night ziehen Leute an, die sonst eher selten oder nie zu uns kommen. Das ist eine tolle Chance der Kontaktaufnahme. Zudem versuchen wir, in der Cafeteria sehr präsent zu sein und unsere jungen Leute zu motivieren, ihre Freundinnen und Freunde einzuladen.
Was suchen die Studierenden heute?
Bürgler: Viele suchen einen Ort, an dem es nicht nur um Leistung geht. Sie kommen zum Spielen, Ratschen und um Gemeinschaft zu erleben. Viele treiben auch große Lebensfragen um, sie suchen nach Begleitung, die wir gern anbieten. Ein wichtiges Angebot ist die spirituelle WG im 6. Stock über der Unipfarre. Wir haben zehn Plätze, die immer belegt sind. Man kann dort ein Jahr lang gratis wohnen, wenn man bereit ist, sich auf die Gemeinschaft und einen spirituellen Weg einzulassen.
Wie erleben Sie den Zugang der Studierenden zur Kirche?
Bürgler: Es braucht heute schon ein gutes Maß an Entschiedenheit, zur Unipfarre zu kommen. Die Kirche ist nicht mehr im alltäglichen Blickfeld junger Leute. Und wer bei uns mitmacht, muss sich auf Anfragen und manchmal auch Kritik einstellen. Die jungen Leute sind sehr kritisch, aber sie tragen die Pfarre mit ihrem Engagement mit. Sie sind da und bringen ihre jugendliche Frische ein. Gerade die, die vieles in Frage stellen und kritisch hinterfragen, sind mir sehr wichtig. Wir wollen ihnen nichts überstülpen, aber doch etwas von der Schönheit des Glaubens zeigen. Wichtig ist, dass sie ein Profil entwickeln, entscheiden lernen, selbstverantwortlich sind. Es geht zuerst einmal nicht um eine Beurteilung von richtig oder falsch, von wahr oder unwahr, sondern um die eigene Suche. Und genau dafür haben wir ganz viel anzubieten.
Was wünschen Sie den jungen Menschen, die zur Unipfarre kommen?
Bürgler: Bei allem, was wir an der Unipfarre tun, ist mir wichtig, dass Vertrauen und eine positive Weltsicht wachsen können. Dass die jungen Leute mit Mut und Weitsicht in ihr Leben starten können, auch unter schwierigen Bedingungen. Dass sie sich trauen, ihrer inneren Herzenskraft zu folgen und sie sich nicht bücken lassen von den vielen Fragen und Unsicherheiten. Sie zu begleiten, ist spannend, ist viel Beziehungsarbeit, die auch viel Herzensenergie braucht.
Und was wünschen Sie der Unipfarre?
Bürgler: Ich habe die Sehnsucht, dass sie bekannter wird, dass sie ein Ort des guten, tragfähigen Lebens für alle ist: Ein Ort, an dem junge Leute sich einbringen und lernen können, wie Leben gelingen kann und dass der Glaube eine große Hilfe dafür sein kann. Gerade denen, die sich nicht sehr viel zutrauen, die Berührungsängste haben, können wir viel geben.
Die Angebote der Unipfarre
Die Unipfarre ist eine Einrichtung der katholischen Kirche am Campus der Tiroler Universitäten und Hochschulen. Ihr voller Name lautet „Universitätspfarre zum heiligen Clemens Maria Hofbauer“. Die Pfarrkirche ist die „Neue Universitätskirche St. Johannes am Innrain“. Zur Unipfarre gehören formell alle katholischen Studierenden und Beschäftigten der zwei Universitäten Innsbrucks (LFU, MUI) und des Managementcenters Innsbruck (MCI), deren Ehepartner:innen und Kinder. Zum vielfältigen Angebot aus Seelsorge, Gemeinschaft und Freizeit gehört auch das Bischof-Paulus-Heim und die WG im Gebäude der Unipfarre.
Infos & Termine: www.unipfarre.at
Autor:Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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