Ein Stimmungsbild aus dem Stubaital:
Gemeinsam fragen, gemeinsam hoffen.

Helmuth Zipperle hält mit engagierten Kolleg/innen die Seelsorge im Stubaital aufrecht.  | Foto: Kaltenhauser
  • Helmuth Zipperle hält mit engagierten Kolleg/innen die Seelsorge im Stubaital aufrecht.
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Ein Unwetter von zerstörerischer Kraft. Ein beliebter Seelsorger, der in die Wucht der Naturgewalten gerät und tagelang vergeblich gesucht wird. Ein Tal voller Wunden. Im Stubaital haben die Regenmassen und Muren nicht nur die Landschaft, sondern auch die Seelen der Menschen aufgewühlt. Ein Gespräch mit Diakon Helmuth Zipperle über Fragen, Zweifel und Hoffnung.

Eine Stimmung der Verwüstung war es, die das schwere Unwetter am Freitag vor zwei Wochen im Stubaital hinterlassen hat. „Ausgerechnet eine Gegend, die ‚Himmelreich‘ heißt, ist total zerstört“, so Helmuth Zipperle, langjähriger Diakon in Fulpmes. „Das Bachbett der Ruetz hat es an den Gegenhang gedrückt. Wo grüne Wiesen waren, ist jetzt ein reißender Fluss. Alles ist weg. Wenn man das sieht, wird einem erst bewusst, welche Wucht das Unwetter gehabt haben muss“, so Zipperle.

Ein Tal trauert. Der Pfarrer des Seelsorgeraums, Dr. Augustin Kouanvih war an jenem Freitag auf der Rückfahrt vom Mitarbeiterfest der Pfarre Neustift. Seine Schwester war aus Frankreich zu Besuch, er wollte noch ein wenig Zeit mit ihr verbringen. „Er war in der falschen Sekunde am falschen Ort“, fasst Zipperle den Hergang des Geschehens zusammen. Die Geröll- und Wassermassen müssen ihn und sein Auto, das später völlig zerstört geborgen wurde, erfasst haben. Tagelang wurde nach ihm gesucht, die Suche aber inzwischen eingestellt. Groß sind Betroffenheit und Trauer im Tal. Zipperle erzählt beeindruckt, wieviele Menschen zu den Andachten für Pfarrer Augustin gekommen sind. „Die Kirchen waren voll, es war ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl spürbar. Auch kirchenferne Menschen sind gekommen.“ Unausweichlich stellten sich aber auch Fragen und Zweifel ein: „Wie kann Gott so etwas zulassen?“ – „Er war doch ein Mann Gottes, wieso hat Gott ihm nicht geholfen?“ – „Wo war denn der Schutzengel?“

Ringen um Antworten. „Man sehnt sich nach einer Antwort auf diese Fragen. Ich bin aber überzeugt, dass schon das Hinhalten dieser Fragen, Zweifel und Klagen Gebet ist“, so Zipperle. „Ja, auch die Vorwürfe. Alles hat seinen Platz vor Gott.“ Dies alles gemeinsam vor Gott zu tragen, habe auch ihm viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, so der erfahrene Seelsorger. „Wir Menschen sind den Naturgewalten ausgesetzt. Auch den hausgemachten Naturkatastrophen, die wir selbst mit verschulden.“ Bei aller Gefasstheit und Gelassenheit spricht auch viel Nachdenklichkeit aus Zipperles Worten. „Die einen sind pragmatisch, sie sagen: ‚Wir leben halt in einem Tal, in dem so etwas passieren kann.‘ Aber es ist auch ein Fakt, dass der Klimawandel deutlich bei uns spürbar ist. Hoffentlich ein Anstoß, wirklich etwas zu ändern. Aber wenn ich auf die Brennerautobahn schaue, habe ich meine Zweifel.“

Für die Menschen da. Prekär ist auch die personelle Situation im Seelsorgeraum Stubai: Zwei Diakone, ein Vikar, zwei Koordinator/innen und Salesianer sind für den großen Seelsorgeraum zuständig. Im Herbst werden neue Kolleg/innen anfangen. „Wir haben einen starken Zusammenhalt im Team. Nachdem Augustin verunglückt ist, haben wir uns bemüht, alles aufzufangen.“ Groß sei die Dankbarkeit der Menschen, dass keine Taufe, kein Begräbnis, kein Ehejubiläum verschoben werden musste. Gott ist die Zukunft. Die definitive Einstellung der Suche nach Pfarrer Augustin sei traurig, helfe aber beim Annehmen der Situation, schildert Zipperle. Man spüre zwar wieder den Alltag im Tal – aber er sei verändert durch die vielen Wunden, die die Muren dem Tal zugefügt haben. Die letzten Begegnungen mit Augustin bekämen in der Rückschau ein besonderes Gewicht. „Unsere Zukunft ist Gott“, habe er beim Mitarbeiterfest gesagt: Diese Worte hallen nach. Geprägt davon, ist Helmuth Zipperles Blick in die Zukunft trotz allem zuversichtlich: „Ich fühle mich von Grund auf von Gott gehalten. Aus dem heraus lebe ich und wende mich dem zu, was auf mich zukommt, was zu tun ist – was es jetzt gerade braucht.“

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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