Schlusspunkt von Józef Niewiadomski
Beten für Bösewichte
Zum Inbegriff des Bösen – das wurde er. In der Kirche hat man nie für ihn gebetet! Nur der heilige Vinzent Ferrer (1350-1419) predigte mal anders: Aus allen Kräften habe Judas versucht, sich Christus zu nähern. Die große Menschenmenge auf dem Kreuzweg hat sein Vorhaben durchkreuzt. Als er sah, dass es ihm nicht gelingen wird, sprach er in seinem Herzen: „Da ich zu den Füßen des Meisters nicht gelangen kann, will ich ihm wenigstens im Geiste nahen und ihn so demütig um Verzeihung bitten.“ Und der wortgewaltige Prediger setzte fort: „Das tat er denn auch wirklich, und als er den Strick nahm und sich erhängte, eilte seine Seele noch zu Christus auf den Kalvarienberg, bat ihn dort um Verzeihung, empfing sie von Christus vollständig, stieg mit ihm in den Himmel auf, und so genießt seine Seele mit anderen Auserwählten die Seligkeit.“
Die Predigt musste einen derart großen Eindruck hinterlassen haben, dass sein Ordensmitbruder, der Inquisitor Nikolaus Eymerich, einen Häresieprozess gegen den Dominikanerpater eröffnete. Doch beendete Papst Benedikt XIII. kurzerhand die Sache. Er ließ sich 1394 das Aktenmaterial aushändigen und verbrannte dieses vor den Augen des Klägers. Mehr noch: Er wählte Vinzent zu seinem Beichtvater. Eine Frage: Müssten wir heute nicht auch für „Bösewichte“ beten?
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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