Neues spirituelles Zentrum im Tiroler Oberland
Ried: Neues Leben im Kapuzinerkloster
Vor 17 Jahren verließ der letzte Pater das Kapuzinerkloster in Ried. Seitdem steht es leer. Auf Initiative von Dekan Franz Hinterholzer zieht nun neues Leben in die alten Gemäuer ein. Bereits fertig gestellt wurden die Räumlichkeiten für die Pfarre, die pastorale oder spirituelle Nutzungsmöglichkeiten vorsehen. In der Entstehungsphase befindet sich ein Pilgerhospiz, zu dem die ehemaligen Klosterzellen umfunktioniert werden, und die Neugestaltung des Gotteshauses.
Als Pater Philipp Bock 2003 starb, ging mit ihm eine Ära zu Ende. Mit ihm starb der letzte der rund 300 Jahre in Ried wirkenden Kapuziner. Bis 2003 lebte Pater Philipp im Kapuzinerkloster: „Viele Einheimische kennen ihn noch“, erzählt Dekan Franz Hinterholzer bei einem Rundgang und lässt ein wenig in die Geschichte der Kapuziner, eines franziskanischen Bettelordens, blicken: „Um das Jahr 1700 entstand das Kloster, wenige Jahre vorher die Loreto-Kapelle.“ Zu dieser Zeit gab es in Tirol intensive Bestrebungen, den Katholizismus wieder attraktiver zu machen. Wallfahrtsorte erwiesen sich dafür als besonders geeignet und waren bald schon wichtige Anziehungspunkte. Als Vorbild diente der große italienische Wallfahrtsort Loreto. Der Legende nach hatten dorthin Engel das Haus der heiligen Familie von Nazareth übertragen.
Truyener Kirchtag. Dekan Franz Hinterholzer weiß von einer besonderen Oberländer Tradition zu berichten: „Vielerorts sind solche Loreto-Kapellen wie hier in Ried entstanden. Am letzten Sonntag im August wird in einer Prozession eine Statue der heiligen Madonna von Loreto von der Kapelle in die Pfarrkirche Ried getragen. Am zweiten Sonntag im September, dem Truyener-Kirchtag, wird sie wieder zurückgebracht.“ Besonders feierlich: An diesem Kirchtag wird vor der Loreto-Kapelle die sogenannte „Blumenmuttergottes“ aufgestellt, die einen Monat lang zu bestaunen ist.
Volksmission. „Das Kapuzinerkloster ist als Bollwerk gegen den Calvinismus im Engadin entstanden“, erzählt Dekan Franz Hinterholzer. Auch in Tarasp, jenseits der Grenze zur Schweiz, gab es bis 2009 ein Kloster der Kapuziner: „Es ging darum, den katholischen Glauben aufrecht zu erhalten. Aufgabe war die Volksmission.“ Und Franz Hinterholzer ergänzt: „Das Glaubensleben in Tirol stand damals auf sehr schwachen Beinen. Jesuiten und Kapuziner sollten die Menschen neu für den Glauben begeistern.“ Mittlerweile wurden alle Kapuzinerklöster im Tiroler Oberland (Ried, Landeck/Perjen, Imst) wegen Nachwuchsmangel aufgelöst.
Neues Leben. Das Kloster Ried ist 17 Jahre lang leer gestanden. Dekan Hinterholzer erklärt: „Die Diözese Innsbruck hat sich sehr dafür eingesetzt, dass dieses Kloster nicht an den Bestbieter verkauft wird. Der erschwingliche Preis, um den es die Pfarre Ried schließlich käuflich erwerben konnte, deckte sich mit dem Verkaufspreis für das Alte Widum. Mit den Einnahmen aus dem Widumsverkauf konnte das Kloster gekauft werden, es war jedoch in einem sehr desolaten Zustand, wirklich sehr heruntergekommen“.
Pilgerhospiz. „Als es hieß, wir müssen renovieren, kamen viele Ideen auf“, erzählt Dekan Hinterholzer, der 2009 als Pfarrer nach Ried gekommen ist. Vorrangig zu dieser Zeit war aber die Renovierung der Pfarrkirche Ried. Erst 2017 wurde die Idee einer Renovierung des ehemaligen Kapuzinerklosters wieder aktuell. Zu dieser Zeit gab es auch Überlegungen, das „Haus Zion“ in Pfunds einer neuen, der Stifterin entsprechenden Bestimmung zuzuführen. „Haus Zion“-Obmann Franz Hinterholzer: „Ich dachte, das Haus Zion, das in seiner bestehenden Form schwer zu nutzen war, könnte verkauft werden und im alten Kapuzinerkloster sozusagen neu erstehen.“ Und so kam es auch. Das obere Geschoß des Kapuzinerklosters wird aktuell gerade renoviert – die ehemaligen Klosterzellen werden zu einem „Pilgerhospiz“.
Wie es zu diesem Namen gekommen ist? „Den Titel Pilgerhospiz habe ich gewählt, weil das Zweite Vatikanische Konzil uns Christen als pilgerndes Gottesvolk bezeichnet und weil Pilger von Zeit zu Zeit eine Auszeit brauchen – einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen können, einen Ort, an dem sie auftanken können“, erklärt der Dekan. Der erste Stock des ehemaligen Kapuzinerklosters soll daher ein Ort für Einkehr-, Wüsten- oder Besinnungstage werden – ein Selbstversorgerhort für Gruppen, eine Pilgerunterkunft.“ Dieser Bereich wird sehr einfach ausgestattet sein. Die öffentlichen Räume im Parterre, die Küche sowie der Garten können auf Wunsch mitgenutzt werden. Zudem wird ein Aufenthaltsraum entstehen.
Platz für die Pfarre. Das Parterre steht vorwiegend der Pfarre Ried zur Nutzung zur Verfügung – eine Küche, ein Büro, auch Räume für die Jugend- und Jungschararbeit gehören dazu. Zusätzlich wurde der Hof umfangreich saniert, ein Brunnen wird noch entstehen. Der neue Pfarrsaal, der auch über einen Zugang von der Straßenseite verfügt, ist ein weiterer wichtiger Mosaikstein. Die neuen Räumlichkeiten können vielfach genutzt werden: von der Firmvorbereitung, über Brautleutekurse, Gruppenstunden, Taizégebete, Meditationen, uvm.Einiges wird sich in nächster Zeit auch im früheren Kapuzinergarten noch tun: Ein Baugrund wurde verkauft, eine weitere Wiese auf Baurecht an die Neue Heimat Tirol vergeben – hier werden Einheiten für „betreutes Wohnen" entstehen. Die Bewohner der Wohnanlage können einen Teil des Gartens als zusätzliche Grünfläche nutzen.
Ideen für die Kirche. Ein weiteres, größeres Projekt steht noch in den Startlöchern: Die Renovierung der Klosterkirche: „Mein Plan ist, die Kirche als Filialkirche zu erhalten, sie aber so umzugestalten, dass sie auch für diverse nichtliturgische Veranstaltungen genutzt werden kann – zum Beispiel für Lesungen oder Konzerte“, meint Dekan Hinterholzer. Auch für all jene, die sich theologisch und philosophisch vertiefen wollen, wird das Hospiz Ried ein guter Platz: Die kleine, aber feine Bibliothek wurde vom Kloster Imst zur Verfügung gestellt und wird allen Interessierten zugänglich gemacht.
Eröffnung. Am Truyener Kirchtag 2021 sollen Pilgerhospiz, Kirche und Pfarrräume feierlich ihrer Bestimmung übergeben werden. Ein großer Tag für die kleine Pfarre.
Elisabeth Zangerl
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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