Aktion "Tirol pro Albania"
Pioniere der Hoffnung für ein Land, das am Boden lag

Don Marjan, Bischof Reinhold Stecher, Pfarrer Erwin Gerst und Erzbischof Angelo Massafra.  | Foto: Tirol pro Albania
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  • Don Marjan, Bischof Reinhold Stecher, Pfarrer Erwin Gerst und Erzbischof Angelo Massafra.
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Nach dem Sturz des Diktators Envar Hodscha 1992 in Albanien wurde das Elend der albanischen Bevölkerung sowie das wirtschaftliche Desaster offenbar. Einen Lichtstrahl der Hoffnung sandte die Hilfsaktion „Tirol pro Albania“. Maßgeblichen Anteil daran hatte der kürzlich verstorbene Walter Zwicknagl.

Albanien war als Armenhaus Europas völlig isoliert, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Für Bischof Reinhold Stecher, Walter Zwicknagl und Pfarrer Erwin Gerst gab es ein vordringliches Anliegen: Der Bevölkerung die dringendst benötigten Dinge wie Lebensmittel, Kleidung, Schuhe und Toilettenartikel zur Verfügung zu stellen. Gleich war klar, dass sich die Hilfe nur auf Nordalbanien konzentrieren würde, was in Form unzähliger Lastwagenlieferungen ohnehin eine große logistische Herausforderung war – besonders das Verteilen der Hilfsgüter vor Ort. Im Norden Albaniens, in Velipoje gab es einen rührigen Pfarrer, Don Marjan, der für eine gerechte Verteilung sorgte. Er selbst hatte in der Schweiz studiert und sprach perfekt Deutsch. Im Norden leben großteils Katholiken und die Kirche war damals die einzige Organisation, die Stabilität und Verlässlichkeit gewährleistete.

Scheune als Notkirche 

Jahrzehnte lang hatte es während der Diktatur ein striktes Verbot der Religionsausübung gegeben und so wurde vom Pfarrer vorerst eine alte Scheune als Not-Kirche hergerichtet, um Gottesdienste feiern zu können. Für die Menschen war das etwas völlig Neues und Wunderbares. 1994 sagte Bischof Stecher schließlich seine Hilfe bei der Realisierung beim Bau einer Kirche zu – für alle eine große Herausforderung. Walter Zwicknagl und Pfarrer Erwin Gerst flogen unzählige Male nach Albanien, um Geld zu überbringen und den Baufortschritt zu begleiten. Es gab sehr viele Spender und Gönner in Tirol, die die inzwischen gegründete Initiative „Tirol pro Albania“ tatkräftig unterstützten. Eine Hilfe, die bis heute andauert.
Dabei war die Durchführung der Hilfsaktion zu Beginn nicht ganz ungefährlich. Allein schon die Fahrt vom Flughafen nach Velipoje war ein Abenteuer – aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse, aber auch wegen der damals ständig präsenten Angst vor Überfällen.

25 Jahre im Gefängnis

Zu einem zutiefst bewegenden Erlebnis wurde die Begegnung mit dem damals zuständigen Erzbischof bei der Grundsteinlegung für die Kirche. Der 85-jährige Würdenträger, der während der Diktatur 25 Jahre im Gefängnis verbringen musste und dementsprechend gesundheitlich angeschlagen war, hörte nicht auf, den Helfern zu danken. Unter Tränen küsste er Pfarrer Gersts Hände beim Friedensgruß. Bei der Einweihung der Tiroler Kirche war auch Bischof Stecher vor Ort und gewann mit seiner unkomplizierten Art die Herzen der Menschen.Für den Bau der Kirche hatte Don Marjan je einen Mann aus den ärmsten Familien ausgesucht, der auf der Baustelle arbeiten durfte und gerecht entlohnt wurde. Mit diesem Geld konnten deren Familien überleben und auch ihre eigenen Hütten verbessern und wohnlicher gestalten.

Hilfe zur Selbsthilfe

Teilweise waren mehr als 100 Leute beim Bau beschäftigt. Die Aktion „Tirol pro Albania“ war damals einer der größten Arbeitgeber in der Region. Die Gemeinde Velipoje bedankte sich öffentlich, indem sie Bischof Reinhold Stecher, Walter Zwicknagl, Alois Wegscheider (Baumarkt Mayr/Wörgl) und Pfarrer Erwin Gerst die Ehrenbürgerschaft verlieh. Von der Republik Albanien bekamen sie die Goldene Verdienstmedaille. Neben dem Kirchenbau gab es auch andere, kleinere Projekte wie Krankentransporte nach Tirol, wo Patienten kostenlos behandelt wurden oder die Einrichtung von Arztpraxen mit von Ärzten und Spitälern aus Tirol gespendeten Geräten. Ein weiteres von Tirol unterstütztes Projekt war die Errichtung eines Kindergartens, geleitet von italienischen Schwestern in der Hauptstadt Tirana. Es war der erste, den es dort gab. Bischof Stecher mobilisierte auch für dieses Vorhaben. Rund 90 Kinder werden heute dort betreut; die ärmsten werden mittags mit einem Essen versorgt, meist die einzige Mahlzeit, die sie pro Tag bekommen. Trotz aller Widrigkeiten – Korruption, behördliche Hürden – wird dieses Projekt nach wie vor unterstützt.

Wasserleitung und Altersheim

Ein weiteres großes Anliegen war „Tirol pro Albania“ die Trinkwasserversorgung in Velipoje. Die ärmeren Weiler hatten überhaupt keinen Zugang. Das Wasser musste mit Pferdewagen oder zu Fuß nach Hause gebracht werden. In der Folge wurden ein alter Hochbehälter ausgebaut und Leitungen bis in die entlegensten Winkel gelegt. Bei der Einweihung der lebensspendenden Wasserleitung war Bischof Stecher persönlich anwesend. In den letzten Jahren wurde mit tatkräftiger Hilfe aus Tirol begonnen, im Nachbarort von Velipoje eine alte Villa zu einem Altersheim auszubauen. Viele alte Menschen waren bislang auf sich alleine gestellt und mussten ohne Hilfe in alten Hütten dahinvegetieren. Der Bürgermeister organisierte Pfleger und richtete eine Küche ein.
Nach Bischof Reinhold Stecher ist nun mit Walter Zwicknagl auch der zweite maßgebliche Promotor von „Tirol pro Albania“ gestorben. Mehr als 30 Jahre lang hatte er sich für Albanien engagiert – mit großer Ausdauer, mit tatkräftigem Einsatz und ungebrochener Hilfsbereitschaft.

Monika Singer / Erwin Gerst

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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