Besuch bei den Schulschwestern in Pfaffenhofen
Mit Bildung die Welt verwandeln
Die Schulschwestern in Pfaffenhofen – eine Gemeinschaft „in Pension“ – bleiben ihrer Berufung auch im Alter treu. Ein Besuch vor Ort.
Herzlich öffnet Sr. Judit die Tür – wache, interessierte Augen blitzen aus ihrem Gesicht, man spürt: Sie ist es gewohnt, zu organisieren und anzupacken. Sr. Judit ist eine von drei „Armen Schulschwestern von Unserer lieben Frau“, die seit 1865 in Tirol tätig sind. Der Orden, in Tirol nicht ganz so bekannt, geht auf eine mutige
Bayerin zurück: die Lehrerin Maria Theresia Gerhardinger (1797-1879) aus Regensburg, die den Orden mit dem Ziel der Mädchenbildung 1833 gründete – inklusive noch heute „heißer Eisen“ wie Betreuung von (Klein-)Kindern berufstätiger Eltern, Mittagsbetreuung in der Schule, lebenspraktischer Schulbildung sowie qualitätvoller Lehrerinnenausbildung. Heute wirken rund 1.800 Schwestern in 31 Ländern.
Bildung als Berufung
„Diese Frau weiß, was sie will, und was sie will, ist groß gedacht“: So urteilte König Ludwig I. von Bayern über Maria Theresia Gerhardinger, deren Orden sich über zahlreiche Niederlassungen in Bayern hinaus rasch weltweit verbreitete. So auch nach Tirol, wo 1865 die ersten fünf Schwestern aus München im „Zechischen Schlössl“ in Pfaffenhofen Quartier beziehen und die Dorfvolksschule übernehmen. Der Andrang ist stets groß, so dass im Laufe der Jahre immer wieder Erweiterungsbauten nötig werden. Später kommen eine Hauswirtschaftsschule und ein Kindergarten hinzu, 1936 wird sogar ein Schwimmbad gebaut: Die Schwestern sind immer am Puls der Zeit.
Nach der NS-Zeit, in der die Schwestern nicht unterrichten dürfen, eröffnen sie im September 1945 wieder Internat, Haupt- und Haushaltungsschule sowie den Kindergarten. 110 Internatsschüler:innen finden Auf-
nahme, etliche müssen wegen Platzmangel abgewiesen werden. Viele Jahre blüht das Schulleben in Pfaffenhofen, dann macht die allgemeine Entwicklung auch dort nicht Halt: Nach und nach wird eine Schule nach der anderen aufgelöst, zunächst Hauptschule und Internat, später dann auch die Expositur der Ferrarischule, die ab 1986 bestanden hatte. Nachwuchsmangel und der Umbau des Bildungssystems zeigten ihre Folgen.
Für die Menschen da
„Unser Auftrag ist erfüllt“, meint Sr. Judit mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Wehmut in der Stimme. Einerseits habe der Staat viel vom Bildungsauftrag der zu diesem Zweck gegründeten Ordensgemeinschaften übernommen. Andererseits seien Themen wie qualitätvolle Ganztagsbetreuung heute aktueller denn je.
Nostalgisches Lamentieren ist jedoch nicht die Sache der kleinen Gemeinschaft: Jede der drei Schwestern packt an, wo es geht. Sr. Agnes kocht und interessiert sich sehr für Politik, Sr. Teresa sorgt sich um Haushalt und Sakristei, Sr. Judit ist Verantwortliche der Gemeinschaft und gibt Nachhilfe. Mit ihnen lebt Lehrerin Sr. Snehal aus Indien, die an der Theologischen Fakultät in Innsbruck promoviert – ganz im Sinne des Ordens eine internationale Verbindung im Auftrag der Bildung. Im weiträumigen Haus fand auch eine vielköpfige Familie aus Syrien Unterkunft.
„Ich würde es wieder so machen!“, blickt Sr. Judit zurück. „Wer sind heute die Armen? Was sind die Nöte der Zeit? Diese Fragen sind immer aktuell. Die Welt gestalten und Not lindern, mit Bildung und mit Gebet: Das bleibt unser Auftrag, so lange wir können.“
Autor:Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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