Im Interview: Jesuitenpater Georg Fischer über den Mehrwert der Umkehr und die großen Nöte unserer Zeit.
Umkehr, Versöhnung, neue Kraft schöpfen
Mit der Fastenzeit verbinden viele die Zeit körperlicher Entschlackung. Wie kann man diese Wochen bis Ostern zum seelischen Entschlacken nutzen?
P. Georg Fischer: Aus einer ganzheitlichen Sicht sind Körper und Seele miteinander verbunden. Entschlackung ist nur notwendig, wenn man nicht gesund gelebt hat. Das gilt im körperlichen wie auch im seelischen Sinne. Das Wort „Schlacken“ klingt negativ. Zur Reinigung davon braucht es Kraft. Beten, aber auch Lesen in der Bibel kann sie geben. In ihr ist immer wieder vom Fasten die Rede. Nach Deuteronomium 9 fastet Mose am Berg Sinai 40 Tage, um Gott zu bewegen, sich dem Volk wieder zuzuwenden. Jesaia 58 zeigt wünschenswertes Fasten auf.
Das Gedenken an den Untergang Jerusalems 587 v. Chr. wird mit einem Fasttag begangen. Aus Joel 2 stammt der Text für die Lesung des Aschermittwochs, mit der Aufforderung „Zerreisst eure Herzen, nicht eure Kleider!“. Dabei geht es nicht ums Entschlacken, sondern um innere Betroffenheit und die Beziehung zu Gott.
Jesus fastete 40 Tage in der Wüste. In Mk 2,19–20 sagt er auch, dass die Jünger erst fasten werden, wenn der Bräutigam von ihnen genommen wird. Die Wochen bis Ostern können wir zum seelischen Kraftholen nutzen.
Das Wort Umkehr deutet an, dass es darum geht, dem Leben eine andere Richtung zu geben. Was ist das Ziel?
P. Fischer: Das hebräische Wort für Umkehr, „schub", besagt ein Zurückkehren zum Ursprung, zu Gott sich wieder hinwenden. Das Griechische „metanoein" bedeutet dagegen, unser gewohntes Denken in Frage zu stellen, sich neu ausrichten. Jesus fordert diese Neuorientierung in Mk 1,15: „Denkt um und glaubt an die frohe Botschaft!“ Sogar die Abwendung des Unheils von einem Volk bietet Gott in Jer 18,7–8 auf dessen Umkehren hin an.
Im Blick auf die Gegenwart stelle ich drei Nöte fest, die eine Umkehr nahelegen: Erstens sind viele Menschen Getriebene. Ich wünsche ihnen mehr Ruhe. Zum Zweiten fühlen sich viele durch einen individualistischen Lebensstil oft einsam. Ihnen wünsche ich, mehr miteinander zu leben. Und drittens haben viele einen engen Horizont. Hier ist hilfreich, sich zu öffnen, für Gott, fürs Universum, die Schöpfung und die ganze Menschheit. In allen Fällen wäre das Ziel, Freude in der Hingabe zu finden und ein möglichst einfaches Leben im Geist der Seligpreisungen zu führen, barmherzig und friedlich.
Welche Voraussetzungen braucht es, damit Umkehr gelingen kann?
P. Fischer: Erste Bedingung ist Gnade und Geist von Gott. Es braucht Einsicht und das Erkennen, dass Umkehr nötig ist, etwa in den drei oben erwähnten Aspekten. Dann bedarf es der Impulse (Anm. z.B. mit den Fragen unten). Dafür muss ich aber selber bereit sein, diese zu hören und ernst zu nehmen.
Umkehr bedeutet Veränderung. Diese gelingt nur, wenn man in gewissem Maße frei ist und die Kraft bekommt, schlechte Wege zu meiden.
Welche wesentlichen Fragen zur persönlichen Standortbestimmung sollte man sich stellen?
P. Georg Fischer: Jede Person kann sich folgende Fragen zum eigenen Leben stellen: Wie schaut das Verhältnis der Zeit für mein Vergnügen im Vergleich zu der Zeit aus, die ich Gott schenke? Wie lange lese ich täglich Zeitungen und Bücher, und wie viel in der Bibel? Und als Drittes: Wie sieht das Verhältnis des Denkens an andere zum Kreisen um mich aus; welchen Platz nehmen andere in meinem Denken und Handeln ein?
In welcher Weise kann das Bedenken des eigenen Lebens, früher nannte man das Gewissenserforschung, heilsam sein – persönlich und für die Gesellschaft?
P. Georg Fischer: In der Ignatianischen Tradition hat der Tagesrückblick für mich als Jesuit einen sehr großen Wert. Ignatius sieht ihn sogar zweimal am Tag vor, mittags und abends; er soll zu Dankbarkeit und Gotteslob führen. Im bewussten Reflektieren auf das Leben ist darin eine andere Qualität zu erkennen. Man entdeckt den Beitrag anderer, schätzt Unverdientes, kann mögliche Korrekturen vornehmen, wo etwas falsch läuft. Bei Betrieben ist es ganz selbstverständlich, Bilanz zu ziehen, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken und wahrzunehmen, was gut läuft. Gleiches erweist sich als wertvoll für alle Gemeinschaften und auch für Einzelne. Wichtig ist, dass der Rückblick nicht zur Entmutigung führt. Im Mittelpunkt sollen die Aufmerksamkeit für Gott stehen und ein vermehrtes Spüren der Tiefendimensionen des Lebens.
Was ist der „Mehrwert" eines Beichtgesprächs im Vergleich zum Bußakt während der Messe oder einem Versöhnungsgottesdienst?
P. Georg Fischer: Schon der Ausdruck „Beichtgespräch“ deutet eine persönliche Begegnung an, wo man auch Zuspruch und Trost für das Erwähnte bekommt. Manchmal ist es hilfreich, von außen einen Hinweis zu Besserung zu bekommen. Beim Gespräch braucht es Mut, vor einem anderen Schwächen zu benennen. Es verlangt, der eigenen Schuld nicht auszuweichen. Auch die längere Vorbereitung mit Gewissenserforschung stellt bereits einen Mehrwert dar. Darin erfolgt schon ein Reinigungsprozess.
Bußakt und Versöhnungsgottesdienst schenken auch göttliche Vergebung, können aber in der Kraft des persönlichen Prozesses mit einem Beichtgespräch nicht mithalten.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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