In neun Tagen nach Heiligenblut
Hoch und heilig
Man kann die Bibel als Buch der Weltliteratur lesen oder als Masterurkunde unserer Kultur sowie – zumindest teilweise – als historischen Roman, aber auch als das, was sie für uns Christen ist: die heilige Schrift. Mit dem Gehen auf einem Pilgerweg ist es so ähnlich. Man kann es aus gesundheitlichen Gründen tun, als sportliche Herausforderung annehmen oder den Weg im Sinne des Zitats gehen, das uns Bischof Reinhold Stecher hinterlassen hat: „Alle Wege führen zu Gott, einer geht über die Berge.“
Respekt. In diesem Sinn wollte ich gehen, wegen oder vielleicht auch trotz der vielen Berge, über die der Bergpilgerweg „Hoch & Heilig“ führt. Ja, ich hatte Respekt vor dem, was da vor mir lag, war aber auch voller Vorfreude. Als ich mit dem Bus von Innsbruck nach Lienz fuhr, habe ich mir gedacht, wie es mir wohl gehen wird, wenn ich zurückfahre. Das Ausmaß an Dankbarkeit und Freude, das ich auf der Heimfahrt in mir tragen würde, habe ich damals nicht erahnen können.
Starker Regen. Es war 7 Uhr, als ich am ersten Tag vor der Wallfahrtskirche Maria Lavant stand. Die Kirche war verschlossen, es war noch zu früh. Im Hinterkopf nistete sich der Gedanke „von einem schlechten Vorzeichen“ ein. Als ich nach einem sonnigen Tag vorbei am Tristacher See und der Lienzer Klause die Kirche St. Korbinian – gelegen auf einer Terrasse über dem Pustertal – erreichte, war der Gedanke verflogen. Er tauchte erst in der Nacht wieder auf, als ich hörte, dass es heftig zu regnen begann. Der Blick am Morgen zum Himmel und die Wettervorhersage waren wenig erfreulich. Ein kleiner blauer Fleck veranlasste mich dann doch aufzubrechen. Es ging über den Kofelpass nach Maria Luggau. Der kleine blaue Fleck am Himmel war bald nicht mehr zu sehen.
Es begann stark zu regnen und ein Gewitter kam auf, in dem engen Tal zum Kofelpass keine wirklich gute Situation. Dann sah ich vor mir einen kleinen gelben Wegweiser mit der Aufschrift „Kofelpass 1 Stunde“ und gleich daneben einen Baum mit einem Marterl der Gottesmutter und unter dem Baum eine Bank. „Setz dich und warte, es wird alles gut“, war die Botschaft, die ich damit verbunden habe. Und so war es dann auch.
Kleine Zeichen. So wie diese haben sich viele Dinge in meiner Erinnerung festgesetzt, Kleinigkeiten manchmal, wie die Glocke der kleinen Kirche in Kalkstein, die in der Früh zu läuten begann, gerade als ich mich auf den Weg machte Richtung Defreggental. Oder der Moment auf dem Virgentörl vor dem Abstieg ins Defreggental, wo mir unter dem Eindruck der grandiosen Bergwelt die Worte gefehlt haben und mir in meiner Sprachlosigkeit die Zeilen eines Gedichts von Joseph von Eichendorff aus meiner Erinnerung aufgestiegen sind:
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
Die Schönheit der Landschaft, die Einsamkeit im Hochgebirge, die Spiritualität in dem Maße, wie ich sie erleben durfte, zu verschriftlichen, kann aber letztlich nur in einem untauglichen Versuch enden und würde auch den Rahmen sprengen.
Ermutigung. Daher möchte ich alle, die es sich zutrauen, ermutigen, den Weg zu gehen, auch Menschen im fortgeschrittenen Alter wie ich. Wobei ich nicht verschweigen möchte, dass der Pilgerweg lang und anstrengend ist, und dass ich da und dort auch gedacht habe: „Was mache ich eigentlich hier“?
Jeden Abend taten mir die Füße weh, so wie sie sich auch immer bis zum nächsten Morgen erholt haben. Aber es muss ja nicht der ganze Weg sein. Den Weg aufzuteilen ist eine Alternative, oder nur eine oder zwei Etappen zu gehen. In jedem Fall gilt: „Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirklich gewesen“.
Der Autor, Jahrgang 1947, wohnt in Thaur und war vom 17. bis 25. August auf dem Bergpilgerweg „Hoch & Heilig“ unterwegs.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.