Die einzige Zunftkirche Österreichs
Ein zünftiges Erbe in Bichlbach

Die Zunftkirche von Bichlbach. | Foto: momedis/tobias bailom
5Bilder
  • Die Zunftkirche von Bichlbach.
  • Foto: momedis/tobias bailom
  • hochgeladen von Walter Hölbling

Eine Reportage von Elisabeth Zangerl

Die Gründung der Zunftbruderschaft in Bichlbach geht auf eine Naturkatastrophe zurück. Paul Strolz, der geschäftsführende Präsident der Zunftbruderschaft St. Josef zu Bichlbach, spricht mit dem Tiroler Sonntag über die Geschichte, die Gegenwart und das breite Tätigkeitsfeld.Eine Staublawine am 4. Februar 1689 zerstörte das halbe Dorf Lähn bei Bichlbach. „Pfarrer Lucas Egger war zutiefst betroffen und gelobte zunächst, eine Bruderschaft zu Ehren der Heiligen Trias, Jesus, Maria und Josef, zu gründen und eine Kirche zu bauen“, erzählt Paul Strolz.

Er ist seit März 2015 der Präsident der Zunftbruderschaft und erzählt diese Geschichte weiter: „Die feierliche Einführung dieser religiösen Vereinigung erfolgte nach Zustimmung des Bischofs Alexander Sigmund von Augsburg bereits am 21. November 1690. Die päpstliche Bestätigung durch Papst Alexander VIII. traf noch im gleichen Jahr ein. Da diese religiöse Vereinigung das nötige Geld für den Bau der gelobten Kirche nicht einbrachte, wurde diese in eine Zunft-/Handwerksbruderschaft umgewandelt.“ In weiterer Folge erteilte Kaiser Leopold der I. am 17. November 1694 die Handwerksordnung mit Siegelfreiheit und Wappenverleihung. Im kaiserlichen Diplom wurde gleichzeitig die Bewilligung erteilt, anstatt der alten Kapelle aus Holz eine saubere Kirche zu Ehren des Heiligen Josef zu erbauen.

Bei der Gründung legten die Berufsgruppen der Maurer, Zimmerer und Steinhauer, also sozusagen die „Bauhandwerker“, die Grundstruktur. Erst in weiterer Folge kamen noch weitere Außerferner Berufsgruppen dazu. Die „Geburtsurkunde“ der Zunftbruderschaft St. Josef zu Bichlbach kann übrigens noch immer im Bichlbacher Zunftmuseum besichtigt werden. Zur Zunft, die einst das gesamte geschäftliche Leben der Mitglieder organisierte, gesellte sich der religiöse Teil der Bruderschaft, der sich um das Privatleben der Mitglieder kümmerte. Paul Strolz: „Es wurde auf ehrbaren Lebenswandel geachtet und auch das religiöse und sittliche Leben der Mitglieder wurde überwacht, z.B. waren Beichte und Kommunion bei der Aufnahme verpflichtend.“ Auch war es den Handwerkern auf ihren Wanderschaften nur erlaubt, in katholischen Ländern, Städten und Dörfern zu arbeiten. Darüber hinaus bestimmte die Zunft die Löhne, regelte die Preise und organisierte den Ein- und Verkauf.
Ein Meister außerhalb der Zunft wurde nicht geduldet, außer er stand in den Diensten eines Fürstenhofes.

Erst die industrielle Revolution hat eine neue Auffassung von Gewerbefreiheit gebracht, der die neue Gewerbeordnung von 1859 Rechnung trug. Die neu formierten Kammern und Gewerkschaften übernahmen nun die Aufgaben der Zünfte, die nach und nach verschwanden. Bis auf jene in Bichlbach, diese besteht bis heute. 266 Mitglieder
Aktuell zählt die Bruderschaft St. Josef zu Bichlbach 266 Mitglieder, darunter Handwerksbetriebe, Handwerker, natürliche Personen, aber auch Firmen und Vereine. Die Zunftbruderschaft lebt von den Mitgliedsbeiträgen und freiwilligen Spenden. Im März 2015 trat Paul Strolz in die Fußstapfen des Altbürgermeisters Klaus Ziernhöld und folgte ihm als Präsident der Zunftbruderschaft nach, unterstützt wird er vom 18-köpfigen Bruderschaftsrat. Paul Strolz erklärt zum Tätigkeitsfeld: „Gemeinsam sind wir bemüht, die Zunftkirche in einem sehr guten baulichen Zustand zu erhalten, in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Tirol“. Und er hebt einen Namen besonders hervor: „Eine tragende Säule ist Herr Zunftprobst und Kassier Lorenz Wacker, der von Beginn an dabei ist.“

Ein wesentliches Tätigkeitsfeld sind auch Führungen, besonders in der Zunftkirche und im Zunfthaus, das 1761 erbaut und 2006 renoviert wurde. Übrigens: Präses der Bruderschaft ist laut Statut immer der amtierende Bischof von Innsbruck.
Krippe, Buch und Sozialpreis
2018 bauten die Krippenfreunde Bichlbach für die Zunftbruderschaft eine Krippe, die traditionellerweise am ersten Adventsonntag in der Zunftkirche ausgestellt und zu „Mariä Lichtmess“ abgebaut wird. Großgeschrieben werden im Verein auch die Vernetzung mit anderen Zünften wie der Zunft der Fuhrleute Imst, dem Handwerkerverein Kappl, der Bruderschaft St. Christoph und vielen mehr.
Traditionellerweise wird immer am Josefitag, dem 19. März, die Zunftfeier begangen – in diesem Rahmen wird ein Preis für herausragende Leistungen im Bereich des Sozialwesens verliehen.

Die einzige Österreichs

Die Zunftkirche in Bichlbach ist wie erwähnt die einzige Österreichs. Diese hätte nach Plänen von Johann Jakob Herkommer (1652-1717) aus Sameister/Füssen erbaut werden sollen. Aber: Da das Vermögen der Zunftbruderschaft zur Ausführung dieser Pläne nicht ausreichte, wandelte Baumeister Andreas Hafenegger (1666–1745) aus Haldensee/Grän diese für ein kleineres Gotteshaus um und erhielt den Auftrag. Paul Strolz: „Die Zunftkirche ist ein schlichtes barockes Juwel mit zwei Gruften (Krypten), Emporengeschoss und einer kleinen, ungefassten Orgel mit Rokoko-Ornamentik und einer Kanzel im klassizistischen Stil. Unter der Zwiebelhaube ruhen oder läuten zwei Glocken. Das Prunkstück ist der zehn Meter hohe, fast vollständig vergoldete Hochaltar, der zu den Spitzenleistungen der hochbarocken Bildhauerei im Außerfern zählt.“ Die Mitte des Altares nimmt das über 2,5 Meter hohe, rechteckige Altarbild des aus Pfronten im Allgäu stammenden Barockmalers Johann Heel (1686-1749) ein. Vom Scheitel des Chorbogens hängt ein großes, äußerst ausdrucksvolles, von Wunden übersätes Kruzifix, ein sogenannter Wundmalchristus, kurz auch Pestkreuz genannt. Die Einheimischen nennen die Zunftkirche immer noch liebevoll „Josefskirche“ oder „Bichls-Kirche“.
Nach der Wiedereinführung der Zunftbruderschaft mit Dekret von Bischof Dr. Paulus Rusch vom 1. März 1977 werden jährlich zum Josefstag am 19. März alle Mitglieder zur Zunftfeier in die Zunftkirche eingeladen. Die Zunftkirche wird in Absprache mit Pfarrer Tomasz Kukulka für Hochzeiten und Taufen sehr gerne zur Verfügung gestellt.

Autor:

Walter Hölbling aus Tirol | TIROLER Sonntag

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ