Leonhard Wiedemayr: Ein pastorales Multitalent
Ein Pionier in der Mission
Der Kartitscher Josefmissionar Leonhard Wiedemayr, „Father Len“, steht für viele Osttiroler Missionare und Schwestern, die in die Welt „außi“ gingen. Zweimal durfte ich meinen Onkel in Uganda aufsuchen. Dort wirkte er bis zu seinem 83. Lebensjahr. Am 15. August ist er im 93. Lebensjahr im Missionshaus Absam gestorben. Christian Sint erinnert sich an einen Besuch bei seinem Onkel im Jahr 2011.
Viele Steine, wenig Gras. Im Geländewagen steuern wir auf einer staubigen Straße die Stadt Kotido an. Ich sehe unzählige Menschen, Rinder, Ziegen, Häuser aus Lehm und Stroh. Frauen tragen auf ihrem Kopf Kanister mit Wasser. Kinder spielen auf roter Erde. Wie Menschen hier überleben können, frage ich mich. „Vor Jahren wurde hier auf diesen Straßen mein irischer Mitbruder Deklan ermordet“, so Missionar Wiedemayr damals. Ein riesengroßes Plakat fällt auf. Die Regierung bittet, die Waffen abzuliefern. P. Leonhard erzählte, dass die Nomaden einander mit Waffen das Vieh stehlen würden. Die Armee zwingt sie, die Waffen herauszugeben. Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Armee in den letzten Jahren wiederholt Häuser angezündet. Eine Spirale gegenseitiger Rache und Vergeltung folgte. „Es ist friedlicher geworden“, sagte P. Leonhard damals. Aber die Gewalt könne jederzeit neu aufbrechen. Blutig war die Geschichte Ugandas immer wieder. Über 300.000 Menschen haben allein unter Idi Amin (1971-1979) ihr Leben verloren. Es war auch für P. Leonhard eine höchst gefährliche Zeit.
Demütiger und dankbarer.
Während wir auf Kotido zufahren, erinnere ich mich an meinen ersten Besuch bei meinem Onkel. Er war damals Pfarrer in Gangama. Wir feierten Weihnachten in einer der 22 Außenstationen, die von Katechisten geleitet werden. Viele Kinder lachten uns an. Und eine Frau stillte inmitten der Gottesdienstgemeinde in aller Stille ihr Kind. An den darauffolgenden Tagen suchten wir Osttiroler Missionare auf: Michl Ortner, den legendären „Uganda Michl“ aus Sillian, Josef Staller aus Huben, die Südtiroler Missionare Sepp Gasser und Luis Helfer. Sie sind inzwischen alle gestorben. Die Ugandabesuche bei Onkel Leonhard, seine Erzählungen haben mir und vielen meiner Verwandten die Augen geöffnet. Wer abseits von Safari Land und Leute kennenlernt, kann eher verstehen, warum Hunger, Arbeits- und Perspektivenlosigkeit manche Afrikaner zur gefährlichen Flucht nach Europa treiben.
Es war keine Einbahnmission. Als Rückkehrer nach Tirol wird man demütiger und dankbarer für vieles, was es in Uganda nicht gibt: kostenlose Schulbildung, sauberes Wasser, Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Zurück nach Kotido. Heute ist dort ein besonderer Tag. Heute wird die neue Kathedrale gesegnet. Ich sehe einen großen Rundbau aus Zement und Ziegeln. P. Leonhard hat die Kathedrale mit vielen Menschen aus Uganda und mit Spenden aus Tirol gebaut. Ein Haus Gottes, ein Zelt für 2000 Menschen. Ich trete ein. Unzählige Menschen aus allen Gegenden der Diözese sind da: Frauen, Männer, Kinder. Schöne, bunte Kleider sind zu sehen, aber auch zerrissene, armselige. Und es riecht nach Ziegen und Rindern.
Gebetet, gesungen, getanzt.
Der Festgottesdienst dauert vier Stunden. Keine Spur von Langweile kommt auf. Es wird gebetet, gesungen, geklatscht, getanzt. Er grenzt nahezu an ein Wunder, dass Menschen trotz materieller Armut so viel Lebendigkeit und Lebensfreude versprühen. Immer wieder sind „Freudenjuchzer“ zu hören, besonders beim Halleluja, nachdem der Altar feierlich geweiht wurde. Zuletzt bei den vielen Ansprachen.„Sagen Sie in ihrer Heimat, wie sehr wir Father Len lieben und dankbar für ihn sind“, sagt mir Schwester Margaret. Die tanzenden Frauen in der Kathedrale haben am Ende des Gottesdienstes P. Leonhard zwei Hühner und einen Truthahn geschenkt. Und sie haben ihn während des Tanzes in die Höhe gehoben und kräftig hin und her gewiegt.
Für P. Leonhard war die Kathedrale ein äußerer Bau. Wichtiger waren ihm die Menschen, die sich in ihr zum Gottesdienst versammeln. Sie sind die eigentliche, die lebendige Kathedrale. Dem Volk der Karamoja wünscht er nichts mehr als Frieden. Für sie schlug sein Herz.
Pfarrer, Generalvikar, Missionar.
Der Josefmissionar Leonhard Wiedemayr („Father Len“) wurde 1930 in Kartitsch geboren. Er studierte in Großbritannien und in den USA Theologie, Mathematik und Physik. 1956 zum Priester geweiht, kam er 1960 erstmals nach Uganda. Er war zunächst Lehrer für Physik und Mathematik. Es zog ihn aber mehr zu den Menschen. Er wurde Pfarrer in Osia, Mbale, Mbiko und Generalvikar. Dabei musste er immer wieder neue Sprachen lernen. 1998 ging er dorthin, wo niemand gerne hingeht, ins Karamojagebiet. Durch finanzielle Hilfe von Caritas, „Bruder und Schwester in Not“ sowie vieler Gönner aus Osttirol hat er an vielen Orten Ugandas Gesundheitszentren, Schulen und Kirchen errichtet. Seine Überzeugung: „Man kann den christlichen Glauben nur glaubhaft verkünden, wenn man gleichzeitig die Lebensumstände der Menschen verbessert.“ 2013, nach 53 Jahren, ist P. Leonhard nach Tirol zurückgekehrt. 2014 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Er wurde am Friedhof in Kartitsch beerdigt. RIP.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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