Ein Flüchtlingsheim verändert ein Dorf
Wiederbelebt
„Ich hab‘ mir immer gedacht: Ich möchte sie so behandeln, wie wenn ich selber ein Flüchtling wäre“, meint Isabella Schmid. Einheimische wie sie und solche, die es in wenigen Jahren geworden sind, hielten in Oberperfuss Rückschau – mit großer Dankbarkeit, Freude, aber auch Tränen und Schmerz. In etlichen Jahren ist rund um die Flüchtlingsherberge Oberperfuss Leben entstanden, das Vieles verändert hat.
Harte flucht
Die Schließung der Flüchtlingsherberge in Oberperfuss ist schon mehr als ein Jahr her. Hier glaubten Asylswerber, endlich Wurzeln schlagen zu können. Mitnichten. Das Haus sperrte zu, es hieß wieder Koffer packen. Ein schweres Los nach harter Flucht. Wochenlang unterwegs, nie sicher, vielen Gefahren ausgesetzt. Und jetzt wieder. Eine Weiterreise ins Ungewisse.
Um den Asylwerbern zu helfen, ging das Team der Ehrenamtlichen bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten – manche bis an den Rand der Erschöpfung. Die Begleitung der Flüchtlingsfamilien und einzelner Männer war für das Team der Ehrenamtlichen Herzensangelegenheit. Freundschaften entstanden. Darin hatte viel Platz: gemeinsame Unternehmungen wie Ski- und Deutschkurse, gegenseitige Einladungen,… und am Ende: Begleitung zu Verhandlungen im Rahmen des Asylverfahrens und Übersiedlungshilfen. Damit einher gingen unzählige Fahrten nach Wien, um an Ort und Stelle bei den Behörden Beistand zu leisten. Nervenaufreibend und kräftezehrend. Wie wertvoll diese Dienste waren, zeigte sich an jenem Abend im bis auf den letzten Platz besetzten Peter-Anich-Haus.
Eine zweite Familie
„Ihr seid für uns wie eine zweite Familie“, erinnert sich Rimah Abed. „Ihr habt uns immer Kraft gegeben“ – und an eine der ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer/innen, Elisabeth Schatz, gerichtet: „Du hast immer für uns gekämpft“. Wie in einer Familie mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten war auch das Leben in der Flüchtlingsherberge. „Wenn jemand traurig war, waren alle traurig. Ich habe viele Tränen gesehen“.
Und Hasib Fazili? Vier Monate war er auf der Flucht aus Afghanistan. Ein Horror. „Als ich in Österreich angekommen bin, dachte ich, es sei alles vorbei“. Dann kam er nach Oberperfuss: „Die Freundlichkeit in Oberperfuss hat mich wiederbelebt. Ich sage 1000 Mal Danke.“
„Einfach dazugehört“
Von bereichernden Erfahrungen mit den Kindern der Asylwerber erzählt Volksschul-
Direktor Markus Ostermann. 16 waren es – aus Afghanistan, Irak, Syrien, Ukraine und Tschetschenien. „Es war beeindruckend, wie unbeschwert die Kinder aufgenommen wurden“. Und: „Es ist egal, woher sie kommen, es sind Kinder. Sie haben einfach dazugehört.“ Isabella, die Nachbarin, bläst ins selbe Horn: „Wir vermissen euch.“ Und das längst nicht nur wegen der vielen Hilfsdienste. Dazu gehörte im Rahmen gemeinnütziger Arbeiten etwa das Instandhalten des Wegenetzes. Für die Gemeinde ein großer Gewinn. Auch für die Wege im Miteinander. Bürgermeisterin Johanna Obojes-Rubatscher: „Manche haben ihre Ansichten geändert. Wir haben Menschen erlebt, die ein Herz haben.“ Lob an jenem Abend kommt auch von Seiten der Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger. An das Team der Ehrenamtlichen gerichtet, meint sie: „Ihr baut Brücken, damit Menschen einander näherkommen“. Für Ramadullah Islami ist klar: „Ihr seid diese Brücken.“ Gilbert rosenkranz
Autor:Gilbert Rosenkranz aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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