Eingebettet in einen Bergkessel, umrahmt von saftig grünen Wiesen, gespeist von einem klaren Gebirgsbächlein liegt die Trunaalm. Ein idyllisches Flecklein Erde, man könnte sich die 360 Hektar große Almfläche gut als Kulisse eines Heimatromans vorstellen. Nicht umsonst spricht Heinz Wechselberger, Hirte aus Leidenschaft, vom Paradies, wenn er den Blick schweifen lässt: über die Mähder hinauf zum einfriedenden Felsband, hinüber zum Marterl und hinaus Richtung Trins. Eifrig gackernde Hühner und im Schlamm suhlende Mangalica-Schweine komplettieren die Idylle.
In ein Kleinod verwandelt.
Alles begann vor elf Jahren, als die Bauerngemeinschaft sehr kurzfristig während des Sommers einen neuen Hirten benötigte. Sein Sohn war es, der den damals 65-jährigen pensionierten Tischler darauf ansprach. Ursprünglich war der Plan, diese eine Saison auszuhelfen. Aber wie so oft im Leben ist es anders gekommen. Denn heuer ist es bereits der elfte Sommer, den Heinz auf der Alm verbringt. Mit Unterstützung der damaligen Agrar-Gemeinschaft sowie der Gemeinde und dank seiner handwerklichen Fertigkeiten wandelte sich die in die Jahre gekommene Alm in ein Kleinod. Wenig verwunderlich deshalb, dass Heinz sich bereits stets im Jänner auf die neue Saison freut, wie mir seine Frau Annelies anvertraut.
Von früh bis spät.
Der Tag von Heinz beginnt um kurz vor 6 Uhr – oder eigentlich bereits um 5 Uhr, denn da verkündet der Hahn pflichtbewusst laut krähend den Anbruch des Tages. Als erstes wird nach dem Aufstehen am Kalender ein Hakerl gesetzt. Denn ansonsten wisse er oftmals nicht, ob beispielsweise Mittwoch oder Donnerstag sei, meint Heinz. Entschleunigung par excellence also. Bevor bei Butterbrot und Honig Kraft für den Tag getankt wird, werden noch die Hennen und Schweine gefüttert. Zweimal täglich rufen Heinz und Annelies einander an: Um 7 Uhr morgens und um 19 Uhr abends. Dies rührt einerseits vor allem noch von der Anfangszeit her, als Annelies nicht das größte Vertrauen in den alten Herd hatte und sich deshalb sorgte, dass Gase über Nacht in der Hütte austreten könnten. Und andererseits weil natürlich gerade im unwegsamen Gelände leicht etwas passieren kann und die Netzabdeckung zumeist aufgrund der Topographie nicht die beste ist. Der restliche Tag ist geprägt vom Abgehen der Mähder, auf denen sich die Tiere aufhalten. 113 Stück genießen heuer die Sommerfrische auf der Alm. Ein Wort kann hier heroben übrigens getrost aus dem Vokabular gestrichen werden – nämlich „treiben“. Heinz‘ Credo ist die Ruhe und Gelassenheit, wenn er seine Tiere von Weidefläche A nach B lotst und niemals „treibt“. Das überträgt sich auch auf das Gemüt der Tiere, davon ist er überzeugt.
Dankbar.
Die Antwort lag auf der Hand, aber dennoch: Gibt es etwas, das Heinz in der Zeit auf der Alm vermisst? „Nein, das tue ich nicht. Ich fühle mich wirklich wie im Paradies hier.“ Annelies ist Heinz sehr dankbar für ihre Unterstützung, andernfalls wäre das nicht möglich. „Sie kommt jeden Samstag mit frischer Wäsche und Verpflegung herauf für die kommende Woche. Und dankbar bin ich natürlich auch dafür, dass ich gesund bin. Einzig aufs Schifahren freue ich mich nach dem Ende der Almsaison.“ Genügsam in der Stille. Physische Distanzierung ist leider ein Wort, das uns seit März begleitet. Wie geht es jemanden, der das Alleinsein gewohnt ist? „Das hilft natürlich. Ich kann mir schon vorstellen, dass das vielen anderen schwerer fällt.“ Die Zeit auf einer Alm prägt natürlich. Sie nährt die Genügsamkeit, schärft Perspektiven, macht dankbar, lehrt die Stille und Einkehr. Alles Charakteristika, die Heinz bereits im allerersten Sommer auf der Alm mit im Gepäck hatte. Die heurige Saison ist vorbei – Zeit, die Tiere ins Tal zu bringen. Was sich Heinz für die Zukunft wünscht? „Noch weitere fünf Jahre auf der Alm.“ Und wenn man sich den 75-jährigen anschaut, wie er strahlt, lächelt, sich freut – man spürt, dass ihm das ein Herzenswunsch ist. Zum Abschluss, bevor es wieder hinauf zu den Tieren ins Gelände geht: Was ist schöner: Die sternenklare Nächte oder die lauen Sommergewitter beim prasselnden Kaminfeuer? „Am schönsten ist die Morgenröte mit ihren Gelb-, Orange- und Rotschattierungen – immer wieder ein gigantischer Anblick“, sagt Heinz nach einer kurzen Nachdenkpause.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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