Was sagt die Katholische Soziallehre?
Corona-Pandemie: Lehren für die Zukunft
Die Corona-Pandemie hat uns weltweit mit der menschlichen Sterblichkeit konfrontiert. Wie Untersuchungen der politisch-psychologischen Terror-Management-Theorie gezeigt haben, verstärkt die plötzliche Konfrontation mit der meist verdrängten Sterblichkeit Tendenzen, die eigene Gruppenzugehörigkeit in Verbindung mit Freund-Feind-Mustern zu betonen und Sündenböcke anzugreifen. Die gegenwärtige Krise hat uns leider auch Beispiele für solche Entwicklungen gezeigt.
Lebensschutz für alle. Erfreulicher ist aber, dass es auch viele Beispiele von gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung gegeben hat. Wenn wir an die Zukunft nach Corona denken, lassen sich aus der Sicht der katholischen Soziallehre vor allem zwei Lehren ziehen.
Erstens folgt aus dem Personalitätsprinzip, dass allen Menschen grundsätzlich die gleiche Würde zukommt. Mitten in der Krise hat die christliche Gemeinschaft Sant’Egidio beispielsweise mit ihrem Aufruf „Unsere Zukunft – nicht ohne die alten Menschen“ vor einem „selektiven Gesundheitswesen“ gewarnt, das „das Leben von alten Menschen als zweitrangig betrachtet“. Prominente wie beispielsweise der deutsche Philosoph Jürgen Habermas haben diesen Appell unterstützt. Die Bewahrung eines für alle Menschen gültigen Lebensschutzes bleibt eine auch für alle Zukunft bedeutende gesellschaftliche Aufgabe.
Universale Geschwisterlichkeit. Eine zweite Lehre aus der Krise schließt an das Solidaritätsprinzip an. Gerade weil sich in Krisen Tendenzen verstärken, die eigene Gruppe zu bevorzugen und andere abzuwerten oder auszuschließen, braucht es ein Bemühen um eine universale Geschwisterlichkeit. Die „Päpstliche Akademie für das Leben“ hat dazu eine Mitteilung unter dem Titel „Globale Pandemie und universale Geschwisterlichkeit“ veröffentlicht, die zur weltweiten Solidarität auffordert. Im Blick auf die politische Dimension der Pandemie betont die Akademie, dass es kurzsichtig und illusorisch wäre, angesichts einer globalen Bedrohung nur auf die eigenen nationalen Interessen zu achten.
Die Welt nach der Pandemie. Die Welt nach der Pandemie wird auf internationaler und nationaler Ebene Solidarität und ein wirkliches Miteinander brauchen.
Die österreichischen Bischöfe haben in ihrem Hirtenwort zum Pfingstfest 2020 die auf uns zukommenden drängenden Probleme präzise beschrieben: „Sorgenvoll blicken wir auf bisher armutsgefährdete Personen, deren Situation die Krise noch zu verschärfen droht – vor allem Arbeitslose, Frauen, Alleinerziehende und Mindestpensionisten. Auch die Folgen der unheilvollen Verbindung zwischen Armut, Scham und sozialer Ausgrenzung werden unsere Gesellschaft langfristig schwächen, wenn wir nicht entschiedene Gegenmaßnahmen setzen.“
Der Aufruf der Bischöfe zu einem „nationalen Solidaritätspakt“, zur ernsthaften Diskussion eines „erwerbsunabhängigen Grundeinkommens“, zur Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit und zur Sorge um die „Schutzsuchenden in den Flüchtlingsquartieren an den Grenzen Europas“, von denen wir ein „faires Kontingent“ auch aufnehmen sollten, ist eine begrüßenswerte Konkretisierung der zukünftig noch notwendiger werdenden Geschwisterlichkeit. «
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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