Alternative Wirtschaftskreisläufe
Bitcoin, gutes und schlechtes Geld
Bitcoin? Schon einmal gehört? In diesen Tagen findet in Tirol eine der größten Konferenzen statt, die sich mit alternativen Wirtschafts-kreisläufen beschäftigt. Worum es bei dieser Währung geht, was dahinter steckt und was sie mit der katholischen Soziallehre zu tun hat, erklärt der Ökonom Rahim Taghizagedan.
Von Gilbert Rosenkranz
Man hört und liest viel darüber: Was ist Bitcoin?
Rahim Taghizadegan: Ein dezentrales und allen Menschen zugängliches Netzwerk, das es erlaubt, Guthaben weltweit weiterzugeben. Von maximal 21 Millionen bitcoin – das Guthaben des Bitcoin-Netzwerks – kommen nur noch etwas mehr als 1,8 Millionen bitcoin neu dazu. Um diese konkurrieren Menschen in aller Welt mit der Rechenleistung spezialisierter Rechner und schützen damit das Netzwerk.
Ist der enorme Energieverbrauch nicht umweltschädliche Verschwendung?
Taghizadegan: Nein. Die Umweltschäden durch bestehende Vermögenswerte – wie etwa leerstehende Anlageimmobilien – sind ungleich höher als jene, die der Wettbewerb um Bitcoin verursacht. Zudem begünstigt Bitcoin den Ausbau erneuerbarer Energie. Denn die Herstellung – auch Schürfen genannt –, kann orts- und zeitunabhängig direkt an den Energiequellen erfolgen, verwertet damit sonst gerade nicht nutzbare Energie und erhöht deren Wirtschaftlichkeit.
Es gibt Euro, Pfund, Dollar... Warum überhaupt zusätzlich noch eine Währung?
Taghizadegan: Langfristiges Sparen ist in keiner dieser Währungen mehr möglich. Zudem werden sie ungerecht zugeteilt, wie sich an der zunehmenden Schere von Arm und Reich zeigt. Bitcoin ist eine Alternative, zunächst vor allem als digitaler Vermögenswert neben bestehenden Währungen, zunehmend aber auch als globales Zahlungssystem.
Über die Besitzer von Kryptowährungen ist nichts bekannt. Öffnet das nicht all jenen Tür und Tor, die auf unlautere Weise zu Geld kommen?
Taghizadegan: Die größte unlautere Bereicherung findet im heutigen Finanzsystem statt. Bei Bitcoin sind die Nutzer privat, aber die Transaktionen und der gesamte Code öffentlich. Im herkömmlichen Finanzsystem sind Transaktionen und Strukturen intransparent, aber die Nutzer werden ihrer Privatsphäre beraubt. Deshalb bietet Bitcoin den größten Nutzen nicht für Kriminelle. Vielmehr bekommen so Menschen, die in ihrer Heimat nie die Möglichkeit hätten, sich ein Vermögen aufzubauen, einen Zugang zu Zahlungssystemen und Ansparmöglichkeiten.
Angenommen Bitcoin würde ein allgemein gültiges Zahlungsmittel: könnte man dann genauso wie mit Euro an der Kassa zahlen?
Taghizadegan: Bezahlen kann man heute schon bei einer stark wachsenden Zahl an Händlern, die bitcoin freiwillig akzeptieren. Das Zahlungsnetzwerk Bitcoin kann auch von jenen verwendet werden, die bitcoin gar nicht halten wollen und lieber in Euro rechnen. Bitcoin ist heute schon günstiger, einfacher und fairer als Kreditkartennetzwerke. Ausgehend von den USA könnte Bitcoin schon eher als erwartet an allen Kassen nutzbar sein.
In den vergangenen Monaten unterlag Bitcoin großen Wertschwankungen. Warum?
Taghizadegan: Die Ungewissheit in der Welt und über Bitcoin ist immens; Wertschwankungen sind Erkundungsversuche. Der Boden wird gebildet durch jene wachsende Zahl an Menschen, die bitcoin als Hoffnungsträger einer besseren Welt unabhängig vom aktuellen Kurs sammeln, diese sind Teil eines gemeinsamen Abenteuers und einer faszinierenden Geschichte, mit dem riesigen Potenzial von Kurssteigerung und Weltverbesserung als Bonus. Die Decke wird gebildet durch die Gesamtbewertung aller sonstigen Vermögenswerte dividiert durch derzeit ca. 15 Millionen verfügbare bitcoin. Viele Bewertungen schienen bis vor kurzem noch utopisch hoch. Deshalb auch die gefühlt großen Abstürze. Kein Vermögenswert in der Geschichte zeigte bislang einen solchen Kursverlauf immer höherer Tiefstwerte.
Eine der Grundsäulen katholischer Soziallehre ist das Gemeinwohlprinzip, wonach die Strukturen und Institutionen einer Gesellschaft auf das gemeinsame Wohl aller hingeordnet sein müssen. Welchen Beitrag kann Bitcoin dazu leisten?
Taghizadegan: Gutes Geld ordnet die Wirtschaftsstruktur auf die Interessen aller Menschen hin, während schlechtes Geld Unordnung hin zu mächtigen Einzelinteressen erlaubt und damit künstliche Ungleichheit schafft. Es geht um eine weltweit allen Menschen gleich offene und freie Kommunikation von Guthaben und den Verzicht auf Geldmengenplanung wie Schuldenpyramiden. Anliegen, die der katholischen Soziallehre weit näher stehen als die Überheblichkeit vieler privilegierter Geldschöpfer.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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