Woher kommt die neue Lust am Backen?
Unser tägliches Brot, neu entdeckt.
Brot selbst zu backen ist eine Wissenschaft für sich. Sie begeistert und entschleunigt, gerade in unsicheren Zeiten. Der Tiroler Marian Moschen, erfolgreicher Backbuchautor und Blogger, bringt mit seinen Rezepten und Tipps viele Backbegeisterte auf den Geschmack.
Es ist noch gar nicht lange her, seit überall Germ und oft auch Mehl ausverkauft waren. Nicht erst seit Beginn der Corona-Krise ist Backen „in“. Doch was ist dran am Hype um Sauerteig und selbstgebackenes Brot?
Liebe zum Backen. Der erfolgreiche Back-Blogger und Buchautor Marian Moschen ist einer, der es wissen muss. Nachdem er sich lange vor allem auf süße Backrezepte konzentriert hatte, begann er vor fünf Jahren auch mit dem Brotbacken. Kaum veröffentlichte er entsprechende Rezepte auf seinem Blog, schnellten die Zugriffszahlen nach oben – und zwar vor allem die von Männern. „Grillen und Brotbacken, das zieht Männer magisch an“, meint Moschen schmunzelnd. Als gelernter Kindergartenpädagoge und Hobby-Zuckerbäcker ist er es gewohnt, in scheinbar weiblichen Domänen tätig zu sein. Die Liebe zum Backen bringt er aus seinem Elternhaus mit. „Wir waren eine sehr emanzipierte Familie mit vier Kindern, in der jeder da angepackt hat, wo es nötig war“, erzählt er. Ob das jetzt typisch männlich oder weiblich sei, habe nie eine Rolle gespielt. „Auch heute geht es mir vor allem um die Sache, weniger um meine Person“, erklärt er. Dass er von der Liebe zum Backen einmal würde leben können, hätte er sich damals nie träumen lassen.
Versuch und Irrtum. Genauso wie bei seinen Motivtorten ist Moschen auch beim Brotbacken Autodidakt. Er hat sich intensiv in das Thema eingelesen, seine Back-Bibliothek zählt um die 50 Bücher. Am wichtigsten für
Moschen war es aber, nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum immer wieder zu probieren und zu üben, bis zur Perfektion. „Trau dich nur, das wird schon“, ist sein Rat für blutige Back-Anfänger/innen. Gerade beim Sauerteig sei der Anfang oft nicht leicht. Moschen ermutigt, es einfach immer wieder zu probieren, bis das Gefühl für den Teig verlässlich ist.
Ein wunderschönes Hobby. „Wenn ich nach einem langen Tag im Kindergarten erschöpft heimkomme, schalte ich erst einmal die Küchenmaschine an“, so Moschen. Backen ist für ihn die perfekte Entschleunigung, hat aber auch viel mit Selbstreflektion und Leidenschaft zu tun. Beim langen Kneten des Teiges hat er Zeit, in sich zu gehen und abzuschalten. Damit erklärt Moschen sich auch den ungeheuren Boom, den Backen momentan erfährt. „Fürs Backen, gerade auch mit Sauerteig, braucht man einen Einstieg und dann viel Zeit. In der Corona-Zeit haben viele diese Zeit endlich gehabt. Wenn der Anfang gemacht ist, ist Brotbacken keine Hexerei mehr, sondern ein wunderschönes Hobby“, ist Moschen überzeugt.
Zeit für die Familie. Mit Begeisterung dabei sind auch seine beiden Söhne, die gern helfen und ihn auch zu neuen Brotrezepten inspirieren. Und seine Frau? Sie nimmt es gelassen, dass sie in jeder Ritze der Küche Mehl findet und bäckt ihre eigenen Spezialrezepte, etwa die Linzertorte. Die schönste Belohnung für Marian Moschen ist es, wenn dann beim Verkosten des Selbstgebackenen die ganze Familie beisammen am Tisch sitzt und sich Zeit füreinander nimmt. Bestimmt auch ein Grund, warum momentan so viel gebacken wird.
Seit Jahrtausenden Garant für gutes Brot
Sauerteig: Kraftpaket mit Geschichte
Backen mit Sauerteig ist ein Stück Menschheitsgeschichte. Nur keine Scheu also, selbst einmal einen solchen anzusetzen! Aus Mehl, lauwarmem Wasser und viel Zeit wird ein Backtriebmittel mit jahrtausendealter Tradition: Sauerteig.
Nach verschiedenen Überlieferungen soll er von einer Sklavin im alten Ägypten zufällig entdeckt worden sein. Sie hatte einen ungebackenen Brotfladen in der Sonne vergessen und am nächsten Tag dennoch gebacken. Das Ergebnis: ein ungekannt lockeres und luftiges Brot – die Geburtsstunde des Sauerteigs.
Biblische Bezüge. Die Juden feiern bis heute in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten Pessach, das „Fest der ungesäuerten Brote“. Dass eine kleine Menge des kostbaren Ansatzes genügt, um einen ganzen Brotteig zu durchsäuern, fand auch Eingang in die Gleichnisse Jesu. Bis zur industriellen Massenproduktion von Germ im 19. Jahrhundert war Sauerteig das vorherrschende Backtriebmittel.
Schritt für Schritt
Wichtig beim Arbeiten mit Sauerteig ist absolute Sauberkeit wie beim Marmeladekochen, um die Mikroorganismen nicht zu beeinträchtigen. Teigreste mit Küchenpapier abwischen und im Müll entsorgen, da Roggenmehl die Leitungen verstopfen kann.
Tag 1: 20 g Roggenmehl Type 960 oder Roggenvollkornmehl und 20 g lauwarmes Wasser in einem Glas vermengen, Deckel lose auflegen und an einem warmen Ort 24 Stunden stehen lassen. Achtung, der Teig geht mit der Zeit immer mehr auf, das Glas muss groß
genug sein!
Tag 2 und 3: Jeweils 20 g Mehl und 20 g Wasser hinzugegeben und gut verrühren. Am 3. Tag sollten bereits erste Bläschen sichtbar werden und ein säuerlicher Geruch entstehen.
Tag 4 und 5: Jeweils 40 g Mehl und 40 g Wasser untermischen.
Tag 6: 20 g des Ansatzes mit 40 g Wasser und 40 g Mehl in einem frischen Glas vermengen. Der restliche Ansatz kann bereits zum Backen verwendet werden.
Tag 7: Den Sauerteig um die für das Rezept nötigen Mengen füttern. Für das Rezept unten den bestehenden Sauerteig (Anstellgut) mit je 105 g Mehl und 105 g Wasser füttern. 210 g werden zum Backen verwendet, der Rest als Anstellgut aufbewahrt.
Weitere Tipps und Anleitungen auf www.mannbackt.de
Rezept: Roggensauerteigbrot
Zutaten Vorteig – Sauerteig
210 g aktiver Roggensauerteig (siehe Anleitung oben)
360 g Wasser
150 g Roggenmehl Type 960
120 g Roggenvollkornmehl
Zutaten Hauptteig
Reifer Vorteig – Sauerteig
400 g Roggenmehl Type 960
190 g warmes Wasser
20–25 g Salz
20 g Öl
15 g Brotgewürz
Zubereitung
Für den Vorteig alle Zutaten gut mischen und an einem sehr warmen Ort (27 bis 32° C) für 3 bis 4 Stunden reifen lassen, bis der Sauerteig richtig blubbert.
Wichtig: Da sich das Volumen des Sauerteiges verdoppelt, unbedingt ein entsprechend großes Gefäß wählen!
Für den Hauptteig den reifen Sauerteig mit den restlichen Zutaten in eine Schüssel geben und für 10 Minuten auf kleiner Stufe langsam vermischen. Die Schüssel abdecken und den Teig 10 Minuten reifen lassen. Den fertigen Teig auf die gut bemehlte Arbeitsfläche geben und mithilfe einer Teigkarte grob zu einem runden Laib formen. Der Teig ist sehr weich und klebrig! Einen ausreichend großen Gärkorb (oder eine Schüssel) gut bemehlen und den Sauerteig hineingeben. Den Teig an einem warmen Ort reifen lassen, bis sich das Volumen sichtbar vergrößert hat (Tipp: wenn sich auf der bemehlten Oberfläche tiefe Risse zeigen, ist das Brot reif). Das Sauerteigbrot bei 250° C mit Schwaden (Dampf, z.B. Wasser auf einem Backblech) 10 Minuten anbacken, den Schwaden ablassen und das Brot für 60 Minuten bei 200° C ohne Schwaden ausbacken.
Copyright: Tyrolia Verlag, Marian Moschen: Mann backt Brot.
Autor:Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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