Über Teamgeist und Vertrauen im Sport
Formvollendet zwischen Himmel und Erde
Eva Nagiller und Romana Hintner trainieren seit 2004 in der Voltigiergruppe Pill. 2019 gewannen sie die Bronzemedaille bei der EM im „Pas de Deux“, 2021 belegten sie den vierten Platz bei der WM in Budapest. Derzeit bereiten sie sich auf die WM 2022 in Dänemark vor. Im Tiroler Sonntag-Interview erzählen sie von ihrem Leben mit den Pferden.
Können Sie sich noch an Ihre ersten Übungen als junges Mädchen im Alter von ca. 7 Jahren auf dem Pferd erinnern, als Sie mit dem Voltigieren begonnen haben?
Eva Nagiller: Ja, daran erinnere ich mich noch genau. Die ersten Trainingsschritte bei Kindern beginnen im Schritt auf dem Pferd mit ganz einfachen Übungen. Sie trainieren das freie Sitzen oder Knien am Pferd. Schon in dieser Phase bauen Kinder eine sehr gute Beziehung zu ihrem Trainingspartner Pferd und dem Longenführer auf und lernen sich gegenseitig zu vertrauen. Teamgeist und Verlässlichkeit sind bei dieser Sportart unabdingbar.
Wenn man sich die Bilder Ihrer gemeinsamen Kür ansieht, bekommt man Gänsehaut und denkt sich: „Da darf jetzt bitte aber nichts passieren!“ Die Übungen werden mit einer unglaublichen Leichtigkeit ausgeführt. Worauf kommt es bei einem internationalen Wettbewerb an?
Romana Hintner: Zunächst einmal muss unser Team bestehend aus Pferd, Longenführer und Athletinnen in ausgezeichneter Verfassung sein. Bei der WM in Budapest zum Beispiel lahmte kurz vor dem Wettbewerb unser Wallach Don Zeno. Woraufhin wir auf unser Ersatzpferd Dr. Doolittle umsatteln mussten. Außerdem beherrschen wir die einstudierte Kür im Schlaf. Und: Man muss sich einfach auf seine Partner – Pferd, Longenführer und Partnerin – zu 100 Prozent verlassen können. Auch das kleine Quäntchen Glück darf bei diesen Wettbewerben nicht fehlen.
Woher nehmen Sie die Motivation für dieses harte und zeitaufwändige Training?
Nagiller: Von klein auf ging ich schon sehr gerne zum Voltigier-Training nach Pill, weil es dort so eine wertschätzende Gemeinschaft gab. Später erkannte ich, dass diese Teamsportart für uns alle eine Persönlichkeitsschule ist. Für mich sind die Menschen in unserem Verein wie eine kleine zweite Familie. Ich bin einfach sehr gerne mit ihnen zusammen. Selbstverständlich beflügeln Erfolgserlebnisse die Motivation. Dann ist man auch bereit, sehr hart für einen bevorstehenden Wettbewerb zu trainieren.
Sie sprechen von Persönlichkeitsschule, der „kleinen zweiten Familie“ und sehr viel Teamgeist. Wie passen der harte Wettkampf und diese Menschlichkeit für Sie zusammen?
Hintner: Menschlichkeit erleben wir beim Voltigieren trotz des harten Konkurrenzkampfes erstaunlich oft. Zum Beispiel boten uns mehrere Teams aus anderen Ländern bei der WM in Budapest nach dem Ausfall von Don Zeno ganz spontan ihr Voltigierpferd an. Diese unglaubliche Hilfsbereitschaft unserer Konkurrentinnen hat uns zutiefst berührt und sehr gefreut.
Wenn Sie sich auf dem Rücken des Pferdes bewegen, wirkt das wie schwerelos. Können Sie beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn man so spielerisch und leicht gegen die Schwerkraft ankämpft?
Nagiller: Das Gefühl vom Pferd getragen und für die Sprünge unterstützt zu werden ist ein ganz besonderes.
Wir bilden im Idealfall mit dem Pferd eine Einheit und spüren während dem Training bzw. während der Kür diese Leichtigkeit, diesen „run“ bzw. diesen „flow“…
Was würden Sie jüngeren Sportler/innen raten?
Hintner: Erstens die Freude am Sport sollte im Mittelpunkt stehen. Zweitens achtet auf eure Gesundheit! Drittens, auch wenn es einmal gar nicht gut läuft…Tee trinken, Freddy Mercury hören und dran bleiben.
Interview: Gertrud Geissler
Autor:Gilbert Rosenkranz aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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