Wort zum Palmsonntag: Abt Columban Luser
Vom umjubelten König zum hingerichteten Verbrecher
In der Pfarre Kilb, die unserem Stift Göttweig seit der Gründung im 11. Jahrhundert inkorporiert ist, gibt es die bewundernswerte Tradition, dass alle fünf Jahre ein Passionsspiel aufgeführt wird. Ich hatte im Jahr 2018 die Gelegenheit, an der bislang letzten Aufführung dieser „Kilber Passion“ teilzunehmen und mich hineinnehmen zu lassen in diese besondere Form spiritueller Vermittlung der Botschaft vom Leiden und Sterben Jesu.
Soweit mir bekannt ist, sind das die einzigen Passionsspiele, die in der Fastenzeit durchgeführt werden und auch die einzigen, die in einer Pfarrkirche aufgeführt werden. Die Pfarrkirche von Kilb hat wegen ihrer edlen Schönheit den Ruf, die Königin der Landpfarrkirchen zu sein – mit ca. 600 Sitzplätzen! – und sie bildet von ihrer Raumsituation her ideale Voraussetzungen für so ein heiliges Mysterienspiel.
An den Passionsspielen von Kilb sind etwa 80 Personen als Akteure beteiligt; mit den Musikern und denen, die ‚back-stage‘ tätig sind, sicher noch viel mehr. Alles in allem eine sehr beeindruckende und bewegende Initiative einer Gemeinde von ca. 2000 Einwohnern.
Nur Zuschauer?
Der tiefere Sinn von solchen Passionsspielen liegt auf der Hand: Es geht darum, die Passion Jesu nicht als etwas Vergangenes darzustellen, sondern sie ins Heute zu übersetzen, zu vergegenwärtigen. Es geht darum, die Botschaft, die in der Passion liegt, zu verinnerlichen, den Weg mitzugehen vom umjubelten König und hingerichteten Verbrecher bis zum auferstandenen und erhöhten Herrn.
Ob es die Passionsspiele von Kilb sind oder ob es die Passion nach Lukas ist, die heuer am Palmsonntag in der Liturgie zu hören ist – wir sind dabei niemals nur Zuschauer oder Zuhörer, sondern immer mit-hineingenommen und mit-beteiligt.
Das war in Kilb für mich im wahrsten Sinn des Wortes leibhaftig erfahrbar, als ich mitten im Passionsspiel aus meiner Meditation herausgerissen wurde. Die Soldaten auf der Bühne waren auf der Suche nach einem Zuschauer, der die Rolle des Simon von Cyrene übernehmen könnte. Sie holten mich kurzerhand aus meiner Kirchenbank heraus. Völlig überrascht war ich urplötzlich in das Passionsgeschehen involviert – nicht mehr nur Zuschauer, sondern mitten drin in der Passion. Da war auch die Schwere des Kreuzes deutlich zu spüren.
Existenziell betroffen!
Mit dem Palmsonntag beginnen wir die sogenannte Heilige Woche – die Karwoche, die uns intensiv und existenziell in das Geschehen der Passion mit hineinnehmen will. Was wir in dieser Woche liturgisch feiern, ist Gegenwart. Mitfeiern heißt sich der Gegenwart Christi auszusetzen, sich von all dem berühren zu lassen, was ER in seiner Hingabe bis in den Tod und in die Auferstehung hinein an Heil für uns geschaffen hat und noch immer schafft. Da wird für uns erfahrbar, womit der Evangelist Johannes seinen Bericht über die Passion Jesu einleitet: „Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zur Vollendung.“ (Joh 13,1)
Passion drängt auf Veränderung
Nach dem Passionsspiel hatte ich die Gelegenheit, mit dem Darsteller, der die Jesus-Rolle verkörperte, ein paar Worte zu wechseln. Und da war deutlich spürbar: Sich mit der Jesus-Gestalt zu identifizieren, seinem Wort, seiner Intention, seinem Tun Gestalt und Stimme zu geben – das lässt einen Schauspieler, einen Darsteller nicht unverändert.
Die Passion Jesu verändert, drängt auf Veränderung, drängt auf die Durchformung unseres ganzen Lebens, die aus den Worten Jesu beim Abendmahl herauszuhören ist: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr tut, wie ich an euch getan habe.“ (Joh 13,15)
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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