Wort zum Sonntag - von Pfarrer Mag. Slawomir Grabiszewski
Jesus hat Rettung aus unserer Gebrechlichkeit …
Eine der Fantasien der modernen Welt ist es, ein „Paradies“ auf Erden zu schaffen. In der traditionellen Welt gab es Spannungen zwischen dem „gefährlichen“ Leben auf der Erde und dem ungestörten ewigen Leben nach dem Tod. Die Ideologie der Modernität versuchte, die Religion aus der Gesellschaft herauszureißen und die Sicherheit zu offerieren, die die Religion im Jenseits bot. Je fortschrittlicher und moderner eine Gesellschaft war, desto mehr Sicherheiten strebte man in jedem Aspekt des Lebens an.
Die Sicherheitsphantasie in dieser Welt war auf ihrem Höhepunkt, als das Coronavirus unsere weitgehend säkularisierte Gesellschaft traf und uns von Neuem bewusst machte: Das Leben des Menschen auf der Erde ist unsicher! Vielleicht kann ein Impfstoff die Covid-19-Pandemie stoppen (die Zukunft wird es zeigen), die Medizin kann die Krankheiten mit einer einmal besseren oder einmal schlechteren Wirkung heilen, die Symptome lindern; aber kann nicht die irdische Existenz ändern. Sie bleibt gebrechlich, vergänglich, sterblich. Und unser Leben auf der Erde wird weiter, sogar nach der besten Behandlung, verschiedenen Gefahren, auch tödlichen, ausgesetzt sein. Ich elender Mensch! Wer wird mich aus dieser Gebrechlichkeit erretten?
Warum soll der Geheilte über seine Heilung schweigen?
Wie immer gehen wir mit unserem menschlichen Elend in die Sonntagsliturgie hinein. Vor drei Wochen haben wir angefangen, das Evangelium nach Markus zu lesen und zu betrachten. Jesus beginnt die öffentliche Tätigkeit mit den Worten: Die Zeit ist erfüllt (Evangelium vom dritten Sonntag im Jahreskreis). Unter diesem Ausdruck ist eine reiche Wirklichkeit verborgen: Jetzt mit dem Auftreten von Jesus erfüllen sich alle guten Wünsche, alle existenziellen Sehnsüchte, einschließlich des Verlangens nach Unsterblichkeit; erfüllt sich die Geschichte des Heils.
Ein weiteres Zeichen, dass das Reich Gottes in Jesus nahe ist, bietet das heutige Evangelium mit der Heilung eines Aussätzigen. Im Aussatz erweist sich die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur besonders deutlich. Der Aussätzige litt vielerlei. Erstens hat er physisch gelitten, die Krankheit verzehrte seinen Körper und er spürte einen üblen Geruch seines verwesenden Körpers. Zweitens litt er an der Einsamkeit, der Ausschließung aus der Gesellschaft. Drittens fühlte er sich als ein von Gott Verlassener. In all seinem Elend fiel der Aussätzige vor Jesus auf die Knie. Jesus hatte Mitleid mit ihm, streckte die Hand aus, berührte
ihn … und der Mann war rein (Mk 1,41-42). Nach der Heilung fordert Jesus mit allem Nachdruck den Geheilten zum Schweigen über seine Heilung auf.
Warum? – Dieses für das Markusevangelium charakteristische „Geheimnismotiv“ bzw. „Messiasgeheimnis“ soll einem Missverständnis vorbeugen: Bei den Heilungstaten als Manifestationen der Vollmacht Jesu darf man nicht stehen bleiben. Wer Jesus eigentlich ist und was er eigentlich für uns Menschen tun will, kann erst von Leiden, Tod und Auferstehung her verstanden werden. Im Geheimnis von Tod und Auferstehung hat Jesus all unsere Krankheiten und Leiden auf sich genommen, oder anders gesagt, hat er die ganze Gebrechlichkeit der menschlichen Natur angenommen und in Unsterblichkeit verwandelt. So kam uns aus unserer Vergänglichkeit das unvergängliche Leben (Sonntagspräfation III). Mit Jesus, in das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung eingetaucht, können wir uns in all unserer menschlichen Schwachheit und unseren Beschwerden über den Urgrund unserer Unsterblichkeit freuen. Deshalb kommen wir am Sonntag in die Kirche, um dort das Mysterium Christi zu feiern. Im aktuellen Tagesgebet von diesem Sonntag beten wir mit der ganzen Kirche, dass Gott uns ein neues und reines Herz gibt, das bereit ist, Jesus – der in unsere Schwachheit eingegangen ist – aufzunehmen.
Gestärkt mit dem Brot des Himmels, das unser wahres Leben ist (vgl. Schlussgebet), können wir „die Sicherheitsphantasie auf dieser Welt“ zerstreuen und wahrnehmen, dass das Leben auf der Erde unsicher, gebrechlich und sterblich ist. Aber Jesus hat diese Gebrechlichkeit, diese Sterblichkeit durch seinen Tod und seine Auferstehung machtvoll verwandelt. Dieses Geheimnis zelebrieren wir in der Eucharistie und verkünden wir im Alltag.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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