Zweibändige Monografie
Prandtauer – der Künstlerbaumeister
24 Jahre hat die Autorin und Kunsthistorikerin Huberta Weigl über Jakob Prandtauer geforscht. Nun ist ihre zweibändige Monografie über den Barockbaumeister erschienen. Für „Kirche bunt“ schreibt Weigl über Prandtauer und seine Beziehung zur Diözese St. Pölten.
Am 16. Juli 1692 erwarb Jakob Prandtauer (1660–1726) ein Haus im Klosterviertel von St. Pölten, also in jenem Viertel der Stadt, das dem Augustiner-Chorherrenstift (heute: Sitz der Diözese) unterstand. Nur fünf Tage nach dem Hauskauf heiratete er. Damit erfüllte er alle Anforderungen, um einen eigenen Betrieb zu gründen: Er hatte eine abgeschlossene Maurerlehre, besaß ein Haus und war verheiratet.
Ein Tiroler in St. Pölten
Dass sich der Tiroler in St. Pölten niederließ, war kein Zufall, sondern ein kluger Schachzug von Christoph Müller von Prankenheim, dem Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes: Wann immer Bauarbeiten anstanden, hatte das Stift bis zum Sommer 1692 nämlich den Baumeister der Stadt St. Pölten, Heinrich Thoma, engagiert, mit dem es freilich ständig Ärger gab. Die Situation spitzte sich im Frühsommer so zu, dass der Propst Thoma entließ und das wichtigste Projekt des Stiftes, die Errichtung des Schwaighofes (Josefstraße 123 in St. Pölten), dem vielbeschäftigten Wiener Baumeister Christian Alexander Oedtl anvertraute – in dessen Team Jakob Prandtauer als Maurergeselle arbeitete! Der Propst hat, wahrscheinlich sogar auf Empfehlung Oedtls, die Chance ergriffen und Prandtauer davon überzeugt, nach St. Pölten zu ziehen und Baumeister des Augustiner-Chorherrenstiftes zu werden. Die Aussicht auf einen eigenen Betrieb und einen ersten fixen Auftraggeber muss für den 32-jährigen Tiroler Maurergesellen verlockend gewesen sein, so dass er rasch zusagte. Und der Propst? Der hatte endlich einen eigenen Baumeister!
Start einer Karriere
Das erste Projekt, mit dem Christoph Müller von Prankenheim Prandtauer 1692/93 betraute, war die Adaptierung des Turms der Stiftskirche (heute: Dom). Genau gesagt ging es darum, das oberste Geschoß des Turmes samt Turmhelm zu erneuern. Der Propst muss ein guter Netzwerker gewesen sein, denn er hat seinen Baumeister innerhalb des Ordens der Augustiner-Chorherren weiterempfohlen. So kam Prandtauer 1693 mit dem Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein in Kontakt, für das er Arbeiten am Förthof in Krems erledigte und mit der Errichtung eines Kellers zur Lagerung von Wein begann. Ein Jahr später wurde er vom Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg mit der Erneuerung des Pfarrhofs in Haitzendorf betraut. Ab 1698 arbeitete Prandtauer für das Augustiner-Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen. Nicht das weit über die österreichischen Grenzen hinaus bekannte Benediktinerstift Melk, sondern die Augustiner-Chorherrenstifte St. Pölten und St. Andrä an der Traisen stehen also am Beginn seiner Karriere.
Aus der Sicht der Auftraggeber, allen voran der Äbte und Pröpste, hatte Prandtauer ein attraktives Kompetenzpaket zu bieten: Er lieferte künstlerisch anspruchsvolle Entwürfe, war technisch versiert und konnte einen Bau im Unterschied zu einem Architekten auch selbst ausführen. Wer ein Projekt – egal wie groß und komplex – in seine Hände legte, durfte mit einer überzeugenden Lösung rechnen, bei der wirtschaftliche Aspekte wie etwa der Einsatz von Material und Arbeitskräften in hohem Maße berücksichtigt wurden. In Anbetracht seiner Fähigkeiten und der Aufgaben, die er erfüllte, könnte man Prandtauer durchaus als „Künstlerbaumeister“ bezeichnen; er selbst dürfte sich aber vor allem als Bauunternehmer verstanden haben. Als solcher errichtete er nicht nur Klöster, sondern auch Pfarrkirchen, Pfarrhöfe, Schüttkästen, Kelleranlagen, Schlösser, Bürgerhäuser; ja sogar eine Brücke und zwei Kasernen umfasst sein vielfältiges Werk.
Prandtauer lieferte Pläne sowie Modelle, war immer bereit, auf die – manchmal recht eigenwilligen – Wünsche seiner Auftraggeber einzugehen, und kam regelmäßig auf die Baustelle. Gereist ist er bei Wind und Wetter. In jüngeren Jahren ist er geritten, später hatte er sicher einen eigenen Pferdewagen. Jedenfalls gab es in Herzogenburg den Getreiderechnungen zufolge immer mehrere Pferde zu verköstigen, wenn er vor Ort war. Der Standort St. Pölten war für Prandtauer übrigens äußerst günstig, konnte er doch von dort klösterliche Großbaustellen wie die in St. Andrä an der Traisen, Melk, Garsten, St. Florian, Kremsmünster, Herzogenburg und Dürnstein viel leichter betreuen als jeder in Wien ansässige Baumeister.
Dem Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten blieb Prandtauer sein ganzes Leben verbunden: Bis zu seinem Tod war er Bürger des Klosterviertels und wohnte in der Klostergasse 15. Zwischen 1715 und 1722 gestaltete er im Auftrag von Propst Johann Michael Führer u. a. den Chor der Stiftskirche um, indem er die mittelalterliche Architektur hinter einer Hülle aus farbigem Stuckmarmor verschwinden ließ. In der Stiftskirche wurden seine Kinder getauft und einer seiner Söhne trat sogar in das Stift ein. Als Prandtauer am 16. September 1726 starb, wurde er als Zeichen der besonderen Wertschätzung nicht am Friedhof, sondern in der Gruft bestattet.
Huberta Weigl
Jakob Prandtauer-Homepage
Schreibwerkstatt
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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