Viel geachtete und abgelehnte Künstlerin
Gedenken an Lydia Roppolt
Wie im Jahr 2016 wurde die Kirche von St. Johann/Engstetten auch in den Jahren 1959/1960 einer aufwändigen Restaurierung unterzogen, im Zuge derer der damalige Seitenstettner Abt Ägidius Decker bei der schon arrivierten Künstlerin Lydia Roppolt – die am 17. März 100 Jahre alt geworden wäre – ein Gemälde für den Altarchor in Auftrag gegeben hatte. Der akademischen Malerin mit russischen Wurzeln war das Thema freigestellt, sie hat sich für ein naiv-expressionistisches Kreuzigungsfresko entschieden. Was nach Fertigstellung dieses für die damalige Zeit freilich sehr „modernen“ Werkes folgte, waren massivste Anfeindungen gegen ein Kunstwerk, das heute unbestritten als eine wichtige sakrale Bilddarstellung gilt.
Sogar mutwillige Beschädigungen des fünf Meter hohen Bildes konnten nicht verhindert werden. Diözesanbischof Franz Zak verweigerte die Weihe, dem damaligen Ortspfarrer P. Pius Zöttl und dessen Verhandlungsgeschick aber war es zu danken, dass in den 1960er-Jahren eine salomonische Lösung gefunden werden konnte: Das einfühlsam gestaltete, tief bewegende Altarbild wurde mit einem Vorhang verhüllt und konnte auf Wunsch mittels einer Seilzugkonstruktion sichtbar gemacht werden. Seit der letzten Renovierung der Pfarrkirche ist Roppolts bedeutendes Werk nun in all seiner leuchtenden Farbenpracht für jeden Kirchenbesucher sichtbar.
Das Antlitz des menschgewordenen Gottessohnes mit den ikonenhaften Augen zeigt das geistige Leiden für die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen, der Körper die Qualen der Geißelung. Neben der trauernden Muttergottes verweist Johannes der Täufer mit dem überlangen Finger auf den Erlöser, der die Welt und vor Ort seine erlöste Kirchengemeinde – so wirkt die Darstellung des Kreuzesquerbalkens und der beiden abgewinkelten Arme – zu sich nehmen möchte. Ein Blumenzweig oberhalb des Hauptes Jesu lässt die Auferstehung schon erahnen.
Ablehnung und Zustimmung
Manche von Roppolts Werken wurden nicht angenommen, sogar „verteufelt“, was gar bis zu Bombendrohungen für betroffene Bauwerke führte. Wieder andere verehrten und bewunderten ihre Kunst trotz der Widerstände selbst aus kirchlichen Kreisen. Die Kommission für religiöse Kunst im Vatikan vermisste in ihrem Werk den „lehrreichen Einfluss auf die Frömmigkeit der Menschen“. Ganz anders im Jahr 1995 die Abschiedsworte von Bischof Maximilian Aichern beim Begräbnis der Künstlerin: „Sie hat den göttlichen Glanz auf dem Antlitz Christi gesehen und durch ihr künstlerisches Schaffen dazu beigetragen, dass viele Menschen einen Zugang zum Glauben bekommen haben.“
Lydia Roppolt hatte russische Wurzeln und wurde von der Begründerin der benediktinischen Laiengemeinschaft, Emma Agnes Roppolt, adoptiert. Die Oblatinnen der Gemeinschaft gehen ihren weltlichen Berufen nach, leben im gemeinsamen Haushalt, jedoch ehelos und in Gehorsam und Bescheidenheit. Sie trugen sich sogar eine Zeitlang mit dem Gedanken, in Seitenstetten ein Mädchengymnasium zu gründen. Auch die Künstlerin Lydia Roppolt war Mitglied in dieser klosterähnlichen Gemeinschaft und prädestiniert für kirchliche Aufträge. Mit dem 60 Meter langen Glasfensterband am Bindermichl/Linz schaffte sie den Durchbruch, es sollten noch viele leuchtende Kirchenfenster weltweit folgen.
Gedenken in St. Johann/E.
Vor dem Kreuzigungsfresko von Roppolt in St. Johann/E. wird am 16. März, 19.30 Uhr, anlässlich ihres 100. Geburtstages von Dechant P. Jacobus Tisch ein Gedenkgottesdienst zelebriert, im Anschluss daran gibt es eine kurze „Hommage an Lydia“ mit Beiträgen von Rektor Thomas Pichler, Josef Penzendorfer und dem „Lehrer-Vierg’sang“.
Autor:Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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