Liturgie
In drei Jahren durch die Heilige Schrift

In jeder Heiligen Messe werden insgesamt drei bzw. vier Texte aus der Heiligen Schrift vorgetragen. | Foto: Archiv Kirche bunt
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Wann werden bei der Messfeier welche Stellen aus der Heiligen Schrift gelesen? Der seit dem Jahr 2020 jeweils am dritten Sonntag im Jahreskreis begangene „Sonntag des Wortes Gottes“ soll hier zum Anlass genommen werden, sich mit der kirchlichen Leseordnung auseinanderzusetzen.
Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden, sodass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden“ (Konzilskonstitution „Sacrosanctum Concilium“ 51). – Mit diesen Worten hat das Zweite Vatikanische Konzil zu einer Überarbeitung der Leseordnung der Messliturgie aufgerufen. Das Ergebnis ist die noch heute gültige Ordnung, wie sie vor allem im Messlektionar, dem liturgischen Buch mit den Bibelstellen für die Feier der Heiligen Messe, zu finden ist.
Die Leseordnung als Frucht des Konzils
Um der Forderung des Konzils nach einem reich gedeckten Tisch des Wortes nachzukommen, war es eine grundsätzliche Entscheidung der Liturgiereform, an den Sonntagen und Hochfesten insgesamt drei Schrifttexte vorzusehen: Eine erste Lesung aus dem Alten Testament, der Apostelgeschichte oder der Offenbarung des Johannes (wobei aus der Apostelgeschichte und der Offenbarung des Johannes vor allem in der Osterzeit gelesen wird), eine zweite Lesung aus der neutestamentlichen Briefliteratur und eine Stelle aus einem der vier Evangelien. An den übrigen Tagen sollte die bisherige Anzahl von zwei Schriftlesungen (eine Lesung und ein Evangelium) beibehalten werden.
Um die Vielfalt an biblischen Texten möglichst breit gefächert zur Sprache zu bringen, entschied man sich für einen dreijährigen Lesezyklus an den Sonntagen, wobei jedes Jahr schwerpunktmäßig aus einem der synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) gelesen wird. Teile des Johannesevangeliums werden vor allem in den geprägten Zeiten des Kirchenjahres (Advent, Weihnachten, Fastenzeit, Osterzeit) verwendet. An den Werktagen gibt es für die Evangelien einen einjährigen Lesezyklus, ebenso für die Lesungen vor dem Evangelium in den geprägten Zeiten. Die Werktagslesungen vor dem Evangelium in der nicht geprägten Zeit („im Jahreskreis“) folgen einem zweijährigen Zyklus.
„Wie das Leben der Kirche sich mehrt durch die ständige Teilnahme am eucharistischen Geheimnis, so darf man neuen Antrieb für das geistliche Leben erhoffen aus der gesteigerten Verehrung des Wortes Gottes, welches bleibt in Ewigkeit“(Zweites Vatikanisches Konzil).
Für die Auswahl der Schrifttexte des jeweiligen Tages waren zwei Prinzipien ausschlaggebend: das Prinzip der „Zuordnung“ und das Prinzip der fortlaufenden Lesung (vgl. Pastorale Einführung in das Messlektionar, 66,3; 69).
Das Prinzip der „Zuordnung“, also der thematischen Auswahl, stand naturgemäß für die Tage der geprägten Zeiten des Kirchenjahres im Vordergrund (Weihnachten ohne das Evangelium von der Geburt Christi oder Ostern ohne das Evangelium von der Auferstehung wären nur schwer vorstellbar …). Dieses Prinzip hat überdies eine lange Tradition. So weiß etwa bereits die Pilgerin Egeria von ihrer Pilgerfahrt ins Heilige Land im vierten Jahrhundert beispielsweise vom Fest der Erscheinung des Herrn zu berichten: „Und sowohl das, was gepredigt wird, als auch die einzelnen Lesungen, die man vorliest oder die Hymnen, die rezitiert werden – alles ist auf den Tag abgestimmt“.
Das Prinzip der fortlaufenden Lesung meint, dass über einen längeren Zeitraum hinweg Abschnitt für Abschnitt aus jeweils demselben Buch der Heiligen Schrift gelesen wird, wobei aufgrund der Textfülle eine Auswahl der wichtigeren Teile getroffen werden musste. Dieses Prinzip findet vor allem an den Sonn- und Werktagen der nicht geprägten Zeit Anwendung.
An den Werktagen sind sowohl Lesung als auch Evangelium als Bahnlesung (fortlaufende Lesung entsprechend der biblischen Ordnung) konzipiert. An den Sonntagen werden das Evangelium und die Lesung aus der neutestamentlichen Briefliteratur („Zweite Lesung“) fortlaufend gelesen, wobei die Bahnlesung aus dem jeweiligen „Jahresevangelisten“ am dritten Sonntag im Jahreskreis beginnt. Die alttestamentliche Lesung („Erste Lesung“) ist so gewählt, dass sie einerseits thematisch zum Evangelium des jeweiligen Sonntags passt und anderseits die wichtigsten Teile aus (fast) allen Büchern des Alten Testaments im Laufe des dreijährigen Lesezyklus vorkommen.
Eine „versteckte“ vierte Lesung
Zusätzlich zu den zwei (Werktage) bzw. drei (Sonn- und Feiertage) Schriftlesungen gibt es für jeden Tag noch eine „versteckte“ Lesung aus dem Buch der Psalmen, die in Form eines Antwortgesangs auf die erste Lesung auftritt. Der „Antwortpsalm“ hat die doppelte Funktion, einerseits Antwort der Gemeinde auf das in der Lesung Gehörte, anderseits aber selbst biblische Verkündigung zu sein. Von daher sollte man von der Möglichkeit, den Antwortpsalm durch ein geeignetes (!) Lied zu ersetzen, nur aus guten Gründen und ausnahmsweise Gebrauch machen. Andernfalls kommt ein wichtiges Buch der Bibel, nämlich die Psalmen, bei der Wortverkündigung in der Messfeier überhaupt nicht vor, was wohl kaum im Sinne der eingangs zitierten Forderung des Konzils sein dürfte.
Der große Vorteil der geltenden Leseordnung besteht sicher darin, dass – wenn man sie ernst nimmt und nicht grundsätzlich jeden Sonntag nur eine Lesung vor dem Evangelium genommen und der Antwortpsalm durch ein mehr oder weniger passendes Lied ersetzt wird – tatsächlich innerhalb von drei Jahren ein Großteil der Heiligen Schrift gelesen und verkündet wird.
Als Nachteil wird hin und wieder genannt, dass die Zahl von drei (bzw. mit dem Antwortpsalm vier) Schriftlesungen pro Sonntag möglicherweise eine Überforderung der Gläubigen darstellt, zumal es meist nicht möglich ist, in der Predigt auf alle diese Texte einzugehen. Besonders an den Werktagen begegnen einem zudem auch schwierige Texte, die oft nur im größeren Kontext verstanden werden können. Auch wenn man diesen Bedenken ihre Berechtigung durchaus nicht absprechen darf, können sie aber auch von sich aus zu einer verstärkten eigenständigen Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift anregen.
Der Sonntag des Wortes Gottes und der Beginn der Bahnlesung aus dem Markusevangelium an diesem Sonntag können jedenfalls dazu einladen, einen entsprechenden Vorsatz zu fassen, entsprechend den Schlussworten der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung des Zweiten Vatikanischen Konzils: „So möge durch Lesung und Studium der Heiligen Bücher ‚Gottes Wort seinen Lauf nehmen und verherrlicht werden‘ (2 Thess 3,1). Der Schatz der Offenbarung, der Kirche anvertraut, erfülle mehr und mehr die Herzen der Menschen. Wie das Leben der Kirche sich mehrt durch die ständige Teilnahme am eucharistischen Geheimnis, so darf man neuen Antrieb für das geistliche Leben erhoffen aus der gesteigerten Verehrung des Wortes Gottes, welches ‚bleibt in Ewigkeit‘ (Jes 40,8; vgl. 1 Petr 1,23-25)“ (Konzilskonstitution „Dei Verbum“ 26).

Autor
Mag. Alexander Fischer, geboren 1989 in Zwettl, studierte Katholische Fachtheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten. Zurzeit wirkt er als Kaplan in den Pfarren Scheibbs und St. Georgen an der Leys und studiert Kirchenrecht in München.

In jeder Heiligen Messe werden insgesamt drei bzw. vier Texte aus der Heiligen Schrift vorgetragen. | Foto: Archiv Kirche bunt
Im Lektionar sind die Schrifttexte für die Liturgie gesammelt. | Foto: Harald Oppitz/KNA
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Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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