Heiliger Nikolaus
Die heilige Ohrfeige
Am 6. Dezember feiert die Kirche einen ihrer populärsten Heiligen, den heiligen Nikolaus. Dass der „gute Mann“ Nikolaus aber ein rabiater Gesprächspartner sein konnte, ist heute weniger bekannt. Am Konzil von Nicäa, der Geburtsstunde unseres Glaubensbekenntnisses, soll er seinem Kontrahenten eine Ohrfeige verpasst haben.
In den theologischen Auseinandersetzungen unserer Zeit ist es leicht, den Überblick zu verlieren: Da sind Liberale und Konservative, es wird über tausend Fragen diskutiert und es geht durchaus hoch her – sei es bei der Sitzung des Pfarrgemeinderates oder auf der großen Weltsynode im vergangenen Oktober, es wird mit harten Bandagen debattiert. Handgreiflich wurde – soweit wir wissen – bisher noch keiner der Diskutanten. Die Fäuste flogen weder in Rom in der Synodenaula noch bei den Pfarrcafés nach der Sonntagsmesse. Jedoch: Das war nicht immer so.
So heiligmäßig der heilige Nikolaus den zahlreichenLegenden zufolge auch gewesen sein mag, so unnachgiebig war er als Gesprächspartner.
Gerade einer der Heiligen, der uns als besonders mildtätig und heiligmäßig im kollektiven Gedächtnis verhaftet ist, verstand – was Theologie anging – keinen Spaß. Der heilige Nikolaus von Myra, der im Brauchtum die Kinder zu artigem Handeln ermahnt und gutes Betragen mit Süßem belohnt, ist der Legende nach schon zu Lebzeiten ein spendabler Geber gewesen: In der Gemeinde des Nikolaus gab es einen armen Mann, dessen existentielle Not so groß war, dass er seine drei Töchter als Prostituierte verkaufen wollte. Der heilige Bischof hörte davon und warf ohne großes Aufheben drei Goldklumpen durch das Fenster des armen Mannes, was den unmoralischen Handel hinfällig machte.
Doch so heiligmäßig der heilige Nikolaus den zahlreichen Legenden zufolge auch gewesen sein mag – eine Erzählung berichtet sogar davon, dass er als Säugling so fromm war, dass er an den Fasttagen die Brust der Mutter nur einmal nahm –, so unnachgiebig war er als Gesprächspartner.
Es ist überliefert, dass er bei dem ersten Ökumenischen Konzil der Kirchengeschichte, dem Konzil von Nicäa (325), seinem Gegner Arius eine Ohrfeige gab. Das kann man rüpelhaft nennen – man stelle sich vor, unter den Bischöfen würde heute so miteinander umgegangen werden! Hält man sich aber die Tragweite dessen vor Augen, was zu dieser Zeit in Nicäa verhandelt wurde, sieht das Ganze anders aus.
War Jesus wahrer Gott?
Jeden Sonntag und an jedem Hochfest wird in der Kirche das Glaubensbekenntnis gesprochen. In der geläufigen Form, dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, heißt es da: „Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.“ In der ausführlicheren Form, dem sogenannten „großen Glaubensbekenntnis“, das man an hohen Festen wie Weihnachten oder Ostern in manchen Kirchen betet, heißt es von Jesus: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“
Diese Form des Glaubensbekenntnisses heißt Nicäno-Konstantinopolitanum, weil es auf den zwei Konzilien in Nicäa und Konstantinopel formuliert wurde. Genannte Passage war Ergebnis einer langanhaltenden Diskussion in der frühen Kirche. Langanhaltend und hitzig war sie, so sehr, dass der sonst so fromme Nikolaus seinem Kontrahenten Arius eine Ohrfeige verpasst haben soll: Der alexandrinische Theologe Arius leugnete nämlich, dass Jesus tatsächlich wahrer Gott war. Stattdessen sagte er, Jesus Christus sei bloß ein Geschöpf Gottes. In der Aussage, Christus sei Gott, sah Arius eine Aufweichung des Monotheismus – und der Monotheismus, also der Glaube an einen Gott, ist wesenhaft für den christlichen Glauben. Im ersten Gebot heißt es: „Du sollst keine anderen Götter haben“ (Ex 20.3) – wie kann es da bitte sein, dass Jesus auch Gott ist?
Nikolaus von Myra war Teil der Fraktion gegen Arius. Diese nahm die Wesensgleichheit von Vater und Sohn an, denn sie stellte sich die umgekehrte Frage: Wie kann es sein, dass Jesus nicht Gott ist? Es ist ja dies gerade die große Besonderheit des Christentums: Wir Christen glauben, dass Gott sich nicht durch einen Mittler oder ein Medium offenbart hat, sondern sich selbst offenbar gemacht hat. Erst unter dieser Voraussetzung erhält die christliche Botschaft ihre besondere Kraft; das wehrlose Baby im Stall von Bethlehem ist Gott, der vorausgesagte König, der Messias. Er ist nicht Geschöpf – nein, in der Krippe liegt der Schöpfer selbst.
Das Konzil von Nicäa legte damals den arianischen Streit um das Wesen Jesu nicht endgültig bei, aber es legte den Grundstein für eben jene Formel, die wir auch heute noch bekennen: „eines Wesens mit dem Vater“. Im Ringen der Bischöfe jener Zeit scheint die Wahrheit sich durchgesetzt zu haben. Dass das trotz der Hitze der Diskussion und fliegenden Ohrfeigen geschehen konnte, stimmt zuversichtlich für alle Synoden und Konzilien, die da noch kommen mögen.
Autor
Matthias Konrad Wunder, BA, geboren 1999 in Mühldorf am Inn, ist Student der Theologie und Philosophie an der Universität Wien.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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