Früherer "Olympia-Kaplan" P. Bernhard Maier
Olympia - "Pastoral war mir das Wichtigste"

P. Bernhard Maier zeigt ein Bild mit den früheren Skistars Marlies und Benni Raich. | Foto: Wolfgang Zarl
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Am 4. Februar beginnen in Peking die 24. Olympischen Winterspiele. P. Bernhard Maier, Direktor der Salesianergemeinschaft in Amstetten, begleitete als Olympia-Seelsorger die Athleten bei 16 Spielen sowie bei sieben Paralympischen Wettkämpfen.

Die Winterspiele in Peking stehen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in China in der Kritik. Hätte man die Wettkämpfe boykottieren sollen?
Pater Bernhard Maier SDB: Die Welt wusste schon bei der Vergabe um die Menschenrechts­probleme in China. Jetzt hat sich das Land bemüht, großartige Spiele zu organisieren, auch die Bevölkerung freut sich darauf und die Athleten haben darauf hingearbeitet. Darum halte ich nichts von einer kurzfristigen Absage. Es wäre gegen die Vernunft und gegen die Sportler gewesen.

Können die Spiele China verändern?
P. Bernhard: Nein, ich glaube nicht. China wird sich nicht verändern, die allgegenwärtige Überwachung ist zu massiv. Die Winterspiele finden aufgrund von Corona in einer Blase statt. Es wird kaum Begegnungen und Kontakte zwischen den Sportlern und der chinesischen Bevölkerung geben. Ich gehe davon aus, dass das der Regierung sehr recht ist. Es gefällt mir nicht, dass der chinesischen Bevölkerung bei einem Unfall mit ausländischen Athleten Erste Hilfe untersagt ist, um sich nicht anstecken zu lassen. Das ist menschenrechtlich bedenklich, auch bei einer Pandemie. Nichtsdes­totrotz werden es bestmögliche Spiele. China ist top vorbereitet und hat tolle Stadien. Aber wie gesagt: Das, was Olympia ausmacht – die fröhliche Begegnung von Menschen aus aller Welt, Begeis­terung und Lebensfreude –, das fehlt. Es werden Spiele in der Isolation sein.

Sie haben Peking schon bei den Sommerspielen 2008 kennengelernt. Was waren Ihre Erfahrungen?
P. Bernhard: Es ist alles riesig dort und damit auch strapaziös. Hat Wien einen Ring, so hat Peking sieben oder acht. Das Verwaltungsgebiet Peking hat über 21 Millionen Einwohner. Punc­to Religion ist man den gläubigen Sportlern damals gut entgegengekommen. Es gab eine katholische Kapelle sowie orthodoxe, islamische und jüdische Gebetsstätten. Ich habe sogar eine Einladung zum Besuch des Priesterseminars bekommen.

Spielt Religion bei Olympischen Spielen eine Rolle?
P. Bernhard: Der Gründer der Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin, griff bewusst auf den religiösen Aspekt der antiken Wettkämpfe zurück, wenn auch in abgewandelter Form. Er wollte bei Sportlern und Zusehern ein religiöses Empfinden wiedererwecken, verfolgte mit seiner olympischen Bewegung aber doch nur ein humanistisch-ethisches Ziel: Völkerverständigung und menschliche Vervollkommnung. Heute sind nicht wenige Sportler religiös, aber die Olympischen Spiele sind säkular, mit Religion bringt man sie kaum noch in Verbindung. Im Laufe der vielen Jahre bin ich aber mit den katholischen Präsidenten des Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, Jacques Rogge und Thomas Bach, in persönlichen Kontakt gekommen. Sogar eine Einladung für 20 meiner Schüler aus Unterwaltersdorf in das IOC-Hauptquartier in Lausanne hat es gegeben. Das war eine tolle Reise.

Gibt es ein Ethos, auf dem man aufbauen kann?
P. Bernhard: Fairness, Völkerverständigung und die Begegnung der Menschen sind natürlich wichtige Faktoren. Die Spiele haben sich immer als Friedensbewegung verstanden. Das Internationale Olympische Komitee ergänzte auf Vorschlag von IOC-Präsident Thomas Bach 2021 das Motto „schneller, höher, weiter“ um den wichtigen Zusatz „gemeinsam“. Das Gewinnen ist also nicht das einzig Wichtige, sondern auch die „Communio“.

Was waren Ihre Aufgaben und Tätigkeitsfelder als Seelsorger der österreichischen Olympioniken?
P. Bernhard: Zuhören, trösten, Kranke besuchen und Gottesdienste anbieten war sehr wichtig. Aber auch viele Wettkämpfe besuchen und mitfeiern. Zwischen den Olympischen Spielen habe ich auch Sportler getraut, deren Kinder getauft und an Begräbnissen teilgenommen. Immer wieder besuchte ich Athleten und Funktionäre. In über 25 Jahren ist so etwas wie eine Pfarrei der Sportler entstanden. Es war einfach schön, bei ihnen ganz dazuzugehören. Im Laufe der Zeit sammelte ich über 3.000 Adressen, diese Zahl ist jetzt natürlich wieder zusammengeschrumpft.

Was waren Ihre schönsten Erfahrungen?
P. Bernhard: Das Wunderbarste waren für mich immer die Gottesdienste, bei denen oft viele dabei waren. Einmal z. B. das gesamte österreichische Skiteam. Aber ich habe auf Wunsch auch Gottesdienste mit Athleten im kleinsten Rahmen gefeiert. Hubert Strolz war mein erster Ministrant im Jahr 1984 bei den Spielen in Sarajewo, vier Jahre später wurde er in Calgary Olympia-Sieger. Er hat mir damals den Einstieg als Olympia-Seel­sorger sehr erleichtert. Die Pas­toral war für mich stets das zentrale Anliegen.

Viele Gläubige sind Fans von Sportlern. Von welchen Begegnungen können Sie erzählen?
P. Bernhard: Das ist schwierig, weil es so viele sind. Aber ich habe mich z. B. immer gefreut, wenn Marlies (Schild) und Benni Raich bei den Messen dabei waren. Auch der Gottesdienst in Nagano mit Hermann Maier nach seinem spektakulären Sturz bleibt in Erinnerung. Dann wurde er Doppel-Olympiasieger. Schön war auch die Hochzeit von Markus Prock, dem erfolgreichen Rennrodler, mit seiner Frau Chris­tine. Dazu kommen viele interessante Begegnungen, etwa mit Muhammed Ali, um einen zu nennen. Es freut mich übrigens auch, wenn ich von ÖFB-Stürmer Christoph Baumgartner öffentlich höre, wie wichtig ihm das Vaterunser-Gebet – sein Gebetsklassiker – ist. Oder wenn Skispringerin Eva Pinkelnig über Gott sagt: „Seine Liebe trägt mich durch schwere Zeiten.“

In Ihren Predigten bringen Sie gerne solche Lebenszeugnisse sowie von paralympischen Sportlern. Was imponiert Ihnen an Athleten mit Behinderung?
P. Bernhard: Trotz aller Schicksalsschläge: Die paralympischen Sportler lieben das Leben. Sie haben unglaubliche Reserven, um Defizite zu kompensieren und Höchstleistungen hervorzurufen. Ich hatte und habe Kontakt mit vielen von ihnen und nie hat jemand gesagt: Das Leben freut mich nicht. Im Gegenteil: Sie alle haben Freude am Leben.

Zu Pater Bernhard Maier:
P. Bernhard kam 1950 in Göppingen (D) zur Welt, als Zehnjähriger wurde er Schüler der Salesianer Don Boscos in Unterwaltersdorf, 1967 trat er in den Orden ein. Der habilitierte Sportwissenschaftler hat von 1984 bis 2012 die österreichischen Mannschaften zu 16 Olympischen Sommer- und Winterspielen, zu verschiedenen Weltmeisterschaften und zu sieben „Pa­ralympics“ der Behindertensportler begleitet. Für seinen Einsatz wurde Maier in der Öffentlichkeit mit dem Ehrentitel „Olympia-Kaplan“ bedacht. 2008 wurde er zu Österreichs Top-Sportbotschafter gewählt. 1995 bis 2015 war P. Maier Direktor des Don Bosco-Gymnasiums Unterwaltersdorf. Seit August 2021 ist er Direktor der Salesianergemeinschaft in Amstetten.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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