BLICK_WINKEL
Ausreichend schützen und um Frieden bitten

 

In den ersten Tagen der Corona-Pandemie im Jahr 2020 spielte sich eine polit-bürokratische Posse zwischen Österreich und Deutschland ab. Wien hatte Atemschutzmasken in Deutschland bestellt. Ihre Ausfuhr wurde erstmal genehmigt, kurz darauf aber durch ein Exportverbot widerrufen. Mehr als zwei Wochen hat es dann gedauert, bis sich bei unserem großen Nachbarn die Erkenntnis durchsetzte, dass innerhalb der EU freier Warenverkehr als eines der elementarsten Grundgesetze zu herrschen habe.

An diese Komödie musste ich gleich denken, als kürzlich der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, den atomaren Schutzschild seines Landes großzügig über den nackt dastehenden Nationen Europas aufzuspannen anbot. Wird das dafür nötige Prozedere der Abwägung und Abstimmung zwischen den 27 EU-Mitgliedern dann etwa diese Zeit in Anspruch nehmen? In zwei Wochen kann man ja auch mit der kommoden Geschwindigkeit eines Kettenfahrzeuges eine Panzerarmee von der russischen Grenze bis zur Antlantikküste vorstoßen lassen...

Ein hoher Militär erklärte es mir kürzlich lapidar: „Wenn Sie sich vor einem militärischen Überfall schützen wollen, dann müssen Sie so stark sein, dass der Widersacher noch vor der Aggression erkennt: ‚Der Preis, den ich bei einem Einmarsch zu bezahlen habe, ist mir zu hoch.‘“

Ist dies eine Einstellung, die als Rüstungswettlauf in eine militärische Katastrophe führt, wie jetzt manche wehklagen? Ich denke: nein. Es ist vielmehr eine uralte Erkenntnis der Menschheit, die auch in der Bibel erzählt wird, beim Evangelisten Lukas im 14. Kapitel: „Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?“ Jesus selbst spricht das aus und er fügt hinzu: „Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.“ Nichts weniger als genau den Mangel davon beklagte Papst Franziskus im Rückblick auf den Beginn des Krieges in der Ukraine.

Auch einen ungerechten Angreifer muss man also um Frieden bitten.

Und doch, in unserer vorigen Ausgabe legte es der Theologe und Militärgeistliche Stefan Gugerell klar dar: Die Staaten haben laut katholischer Lehre das Recht, ihre Bevölkerung zu schützen und das II. Vatikanische Konzil bekräftigt dies ausdrücklich. (Martinus vom 23. März, S. 4). In gut geheizten Vortragssälen wird nicht erst seit zuletzt immer wieder der gewaltlose Widerstand als friedensstiftendes Element beschworen. Ich hoffe nur, dass jene, die das vollmundig bereden, bereit sind, dies mit ihrem eigenen Blut und Märtyrertum zu erkaufen. Denn wenn es Spitz auf Knopf geht, heißt gewaltloser Widerstand, dass man sich ohne Waffen und Schutz auf die Straße und vor die Panzer stellt, die dann über einen drüberfahren.

Europa braucht jetzt nach innen Einigkeit, die in einem nie dagewesenen Maß über den Schatten staatlicher Eigenbrötelei springen kann. Gegenüber den Machtblöcken der Welt benötigen wir eine Balance aus selbstbewusster Kraft und phantasievoller Klugheit. Unsere europäische Berufung muss es sein, im Gegenwind aller autokratischen Bestrebungen die Würde des zur Kindschaft Gottes berufenen Menschen hochzuhalten. Die Bergpredigt bringt es auf den Punkt: Licht der Welt sein.

Franz Joseef Rupprecht, Chefredakteur

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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