NACH_RUF
Mutiger, kritischer und demütiger Christ und Bischof
Mit Helmut Krätzl ist einer der letzten unmittelbaren Zeitzeugen des Zweiten Vatikanischen Konzils verstorben.
Der Wiener emeritierte Weihbischof Helmut Krätzl ist am Dienstag im 92. Lebensjahr verstorben. Er war zuletzt aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien in Behandlung. Krätzl war mit vielfältigen Aufgaben in der Erzdiözese Wien und in der Bischofskonferenz betraut, 1977 wurde er zum Bischof geweiht. Die Umsetzung der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 65) war die große Lebensaufgabe Krätzls, der er sich bis zuletzt verpflichtet fühlte. Krätzl war als junger Priester bei der ersten Session 1962 als Stenograf (Protokollführer) mit dabei. Mit dem Wiener Weihbischof ist einer der letzten unmittelbaren Zeitzeugen des Konzils verstorben. Krätzl stand im 69. Jahr seines priesterlichen sowie im 46. Jahr seines bischöflichen Dienstes.
Religiöse Bildung – in der Schule wie im Erwachsenenbereich, die Ökumene und der Dialog mit den Weltreligionen waren einige konkrete Aufgabengebiete, in denen Krätzl über Jahrzehnte engagiert war. Zudem profilierte er sich als Autor zahlreicher Bücher. Kardinal Christoph Schönborn hat sich in einer ersten Stellungnahme tief betroffen und zugleich von Herzen dankbar gezeigt für Krätzls „vielfältiges und loyales Wirken in der Erzdiözese Wien, an deren Leben er bis zuletzt interessiert und aufmerksam teilnahm“. Krätzl habe sein Leben ganz der Verkündigung der Frohen Botschaft gewidmet. „Er liebte die Kirche und litt auch mit ihr.“ Das Zweite Vatikanische Konzil, das er als Stenograf teilweise miterlebt hatte, habe ihn tief geprägt, erinnerte der Kardinal: „Die Erneuerung der Kirche blieb bis zum Ende sein Herzensanliegen.“
Vielen Menschen sei Weihbischof Krätzl „in der Kraft Gottes“ – so sein bischöflicher Leitspruch – Freund, Begleiter und Vorbild gewesen. Bis kurz vor seinem Tod war es ihm wichtig, am Gottesdienst in St. Stephan als „Gläubiger unter Gläubigen“ teilzunehmen. Die große Welle der Sympathie und Gebetsverbundenheit in seinen letzten irdischen Tagen seien „ein beeindruckendes Zeugnis für seine Verbundenheit mit den Menschen in der Erzdiözese Wien“, gewesen, so Schönborn.
VERFECHTER FÜR MEHR SYNODALITÄT
Der Kardinal erinnerte daran, was Krätzl anlässlich seines 90. Geburtstags schrieb: „Rückblickend werde ich mich an die vielen Zeichen der Gottesliebe und Gottesmacht in meinem Leben erinnern, die Gott durch mich und für andere gewirkt hat.“ Schönborn: „Gemeinsam mit unserem verstorbenen Weihbischof dürfen wir alle auf sein reiches Leben und Wirken dankbar zurückblicken und sagen: Es ist vollbracht! Im Gebet bleiben wir über den Tod hinaus mit ihm verbunden und behalten ihn als mutigen, menschenzugewandten, kritischen und zugleich demütigen Christen und Bischof im Gedächtnis.“
Im Vorfeld seines 90. Geburtstags hatte Krätzl in einem Kathpress-Interview einmal mehr für den mutigen Weg von Papst Franziskus geworben. Franziskus stehe für einen neuen Aufbruch in der Kirche, das werde nicht zuletzt durch den von ihm angestoßenen Synodalen Prozess deutlich. Mehr Synodalität für die Weltkirche sei dringend notwendig, so der Weihbischof in seinem letzten Interview. Krätzl lebte die letzten Jahre zurückgezogen in Wien. Am 9. Jänner konnte er noch den Gedenkgottesdienst der Bischofskonferenz für den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. und zuletzt Ostern im Stephansdom im Rollstuhl sitzend mitfeiern.
AN DER SEITE KARDINAL KÖNIGS
Helmut Krätzl wurde am 23. Oktober 1931 in Wien als Jüngster von vier Geschwistern geboren. Die Matura legte er 1949 am Wa-sa-Gymnasium ab und studierte bis 1954 an der Universität Wien Theologie. Schon als Kind sei er von der Liturgie fasziniert gewesen, so Krätzl. Sehr früh sei in ihm der Wunsch erwacht, Priester zu werden. 1954 wurde er schließlich zum Priester geweiht. Nach zwei Jahren als Kaplan in Baden wurde Krätzl 1956 dem neuen Wiener Erzbischof Franz König als Zeremoniär zugeteilt. Seither war er mit Unterbrechungen in verschiedenen Funktionen immer an der Seite von Kardinal König. 1959 erwarb Krätzl in Wien sein erstes Doktorat in Theologie. (1964 erfolgte das zweite im Fach Kirchenrecht.) 1960 war Krätzl gemeinsam mit Kardinal König in Kroatien auf der Fahrt zum Begräbnis von Kardinal Stepinac in einen schweren Autounfall verwickelt. Die Genesung dauerte rund ein Jahr. Danach wurde er von König zum Spezialstudium für Kirchenrecht nach Rom geschickt. In diese Zeit fiel der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils. Krätzl war bei der ersten Session 1962 als Stenograf mit dabei.
Es folgten von 1964 bis 1969 Jahre als Pfarrer in Laa an der Thaya. An der Wiener Diözesansynode von 1969 bis 1971 war Krätzl zuerst als Pfarrer, später als Kanzleidirektor, maßgeblich beteiligt. Unter anderem wurden auch dort die Grundsätze des Konzils über das Verhältnis zum Judentum in sehr deutlicher Weise für die Erzdiözese Wien angewandt.
BISCHOFSWEIHE 1977
1977 wurde Krätzl (gemeinsam mit Florian Kuntner) über Vorschlag von Kardinal König von Papst Paul VI. zum Weihbischof für Wien ernannt. Von 1981 bis 1985 war er zudem Generalvikar. Nach dem Rücktritt von Kardinal König aus Altersgründen im Jahr 1985 wurde er vom Wiener Domkapitel zum Diözesanadministrator gewählt. Diese Funktion erlosch 1986 mit der Weihe von Hans Hermann Groer zum neuen Wiener Erzbischof.
BILDUNG, BIBEL, ÖKUMENE
Krätzl blieb daraufhin weiter Weihbischof – zuerst unter Kardinal Groer, dann unter seinem Nachfolger Kardinal Christoph Schönborn. Zu seinem 75. Geburtstag reichte Krätzl 2006 dem Kirchenrecht entsprechend seinen Rücktritt ein. Erst zwei Jahre später, am 6. März 2008, nahm Papst Benedikt XVI. diesen an. Auch danach blieb er als nunmehr emeritierter Weihbischof u.a. als Seelsorger, Firmspender und Buchautor noch viele Jahre sehr aktiv. In der Österreichischen Bischofskonferenz war Krätzl 20 Jahre für Schulfragen, zudem auch für das Referat für das Gespräch mit den Weltreligionen zuständig. Er war Leiter der Kontaktstelle für Weltreligionen und Mitarbeiter im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die ihm u.a. ein besonderes Anliegen war. Weiters war er in der Bischofskonferenz zuständig für das Österreichische Katholische Bibelwerk, für die Ökumene (gemeinsam mit Kardinal Schönborn), das Seminar für kirchliche Berufe, den Theologischen Fernkurs und das Institut Janineum. In der Erzdiözese Wien wurde Krätzl 1986 zum Domkapitular von St. Stephan ernannt, er war zudem von 1987 bis 2004 Bischofsvikar für Katholische Erwachsenenbildung und von 2004 bis zu seiner Emeritierung 2008 Bischofsvikar für die ökumenischen Belange in der Erzdiözese Wien.
BÜCHER UND AUSZEICHNUNGEN
Krätzl veröffentlichte insgesamt rund 15 Bücher, von denen etwa der 1998 erschienene Band „Im Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“ besondere öffentliche Beachtung fand. Sein letztes Buch „Meine Kirche im Licht der Päpste“ veröffentlichte er 2016.
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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