Missionarin wurde als Kompott verspeist

Von Neusiedl am See in den Regenwald Venezuelas: Sr. Maria Wachtler mit zwei Kindern des indigenen Volks der Yanomami.
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Das Ende von Schwester Maria Wachtler FMA war so außergewöhnlich wie ihr ganzes Leben. Sie ging beim urtümlich lebenden Volk der Yanomami ein in eine besondere Welt – in für westliche Denkmuster kaum vorstellbarer Weise.

Die österreichische Entwicklungsorganisation „Jugend Eine Welt“ unterstützt seit vielen Jahren unter anderem Projekte zur Wahrung der Rechte bzw. zur Erhaltung des Lebensraums von indigenen Völkern. Wie zum Beispiel die Yanomami.

Diese bilden das größte, relativ isoliert lebende indigene Volk Südamerikas. Sie leben im Regenwald und in den Bergen Nord-Brasiliens und Süd-Venezuelas.

Maria Wachtler wurde 1935 geboren, in Mosonszolnok (Zanegg), nahe der öster-reichisch-ungarischen Grenze. Die Familie zog nach Neusiedl am See. Maria trat der Ordensgemeinschaft der Don-Bosco-Schwestern bei und wurde Missionarin im Urwald von Südamerika.

AUF DEN SPUREN VON MARIA WACHTLER
Kürzlich waren zwei „Jugend Eine Welt“-Mitarbeiter in halb Venezuela unterwegs, um laufende Projekte wie auch Ansuchen zu neuen zu evaluieren. Hannes Velik und Wolfgang Wedan ließen bei ihren Besuchen bei verschiedensten Einrichtungen auch immer den Namen Maria Wachtler fallen. Wer mehr über das Ableben der österreichischen Missionarin und Ordensfrau vor sieben Jahren gehört haben könnte? Denn es soll sich Besonderes zugetragen haben. Die Befragten konnten bruchstückhaft zu Leben und Beerdigung der Don-Bosco-Schwester beitragen. Das Puzzle verdichtete sich zu einem vagen Bild. In der Millionenstadt Barquisimeto konnte dann Sr. Margarita Hernandes, die Leiterin einer großen Schulanlage der Don Bosco Schwestern, die entscheidenden Hinweise geben. Sie hatte Sr. Maria Wachtler zu Lebzeiten selbst immer wieder getroffen, mit ihr auch am oberen Orinoco bei den Yanomami gearbeitet. Und war bestens über ihre „Himmelfahrt“ informiert, auch wenn sie selbst nicht dabei war, wie sie erzählt.

VON NEUSIEDL IN DEN REGENWALD
Die aus dem Burgenland stammende Missionarin Sr. Wachtler lebte 51 Jahre bei den Yanomami-Indigenen zwischen den Flüssen Orinoco und Rio Negro, im Grenzgebiet von Venezuela und Brasilien. Als 16-Jährige trat Wachtler der Ordensgemeinschaft der Don Bosco Schwestern bei. Im Jahr 1965 wurde sie schließlich als Missionarin zu den Yanomami in den Regenwald von Venezuela entsandt.

Mit der burgenländischen Heimat hielt sie Kontakt. Besonders zur Pfarre Gattendorf, wo ihr Bruder Hans Wachtler als Pfarrer wirkte.

Mit etwas über 30.000 Mitgliedern bilden die Yanomami die größte indigene Volksgruppe im Amazonas-Gebiet. Seit dem Eindringen von Goldsuchern vor 50 Jahren ist ihr Lebensraum dauerhaft gefährdet. Schwester Maria Wachtler konnte sich über die Jahre einen hervorragenden Ruf bei dem früher nomadisierenden Volk erarbeiten und ihr Vertrauen gänzlich gewinnen. Die Bewohner des Amazonas nahmen sie als eine der ihren an. Schwester Wachtler errichtete in den weitläufigen Hochebenen gemeinsam mit weiteren Don Bosco Schwestern mehrere Gesundheitsstationen für eine medizinische Grundversorgung. Sie baute auch ein funktionierendes Unterrichtssystem auf, Schulen wurden errichtet. Laut Sr. Margarita Hernandez und auch „Jugend Eine Welt“-Geschäftsführer Reinhard Heiserer sei es ihr ein großes Anliegen gewesen, dass dieses Volk mit seinen Traditionen den modernen Einflüssen widerstehen könne. Die Ordensfrau beherrschte die Sprache der Yanomami und verfasste ein erstes Grammatikbuch in ihrer besonderen Sprache. In Österreich erhielt sie für ihre Verdienste den Romero-Preis, Venezuela widmete ihr eine eigene Briefmarke.

EIN TEIL DER YANOMAMI
Als ihre letzten Tage gekommen waren (sie starb im September 2016), hatte sie längst vereinbart, wie sie aus dieser Welt gehen wollte. Halb-halb. Das bedeutete: halb nach katholischem Ritus, halb nach dem Totenritus, wie ihn Yanomami bei einer Stammesangehörigen durchführen. Schwester Wachtler wurde verbrannt und ihre Asche in Puerto Ayacucho, einer Stadt am Orinoco, beigesetzt.

Ein Teil der Asche. Der andere wurde jedoch in ein kleines Boot mit Außenbordmotor verladen und mehrere Tagesreisen den Orinoco aufwärts gebracht. Gleich wie sie selbst den großen Fluss unzählige Male bereist hatte. Dort wurde die Asche den Yanomami übergeben. Von überall her strömten die Mitglieder des großen indigenen Stammes zusammen, um ein großes, würdiges Eingehen der Seele von Maria Wachtler in ihre animistische Welt zu begehen. Dafür wurde eine Art Kompott gebraut, in das am Ende ihre Asche eingerührt wurde. Dann nahmen ein jeder und eine jede, also Tausende (!) feierlich und mit großer Ehrfurcht einen Schluck davon. Und Maria Wachtler war Teil der Yanomami geworden. Die Burgenländerin lebt in ihnen fort.

ÜBER JUGEND EINE WELT
Die österreichische Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt setzt sich unter dem Leitgedanken „Bildung überwindet Armut“ seit ihrer Gründung vor 26 Jahren weltweit für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Schulen, Berufsausbildungseinrichtungen, Sozialzentren und Straßenkinder-Programme in Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Osteuropa werden etwa unterstützt. Wie auch Projekte zur Erhaltung der Rechte bzw. des Lebensraums von Indigenen, Armutsbekämpfung und dem Empowerment benachteiligter Gruppen. Dabei wird vor allem mit langjährigen und bewährten ProjektpartnerInnen aus dem weltweiten Don Bosco-Netzwerk zusammengearbeitet. Zudem leistet Jugend Eine Welt nach (Na-tur)-Katastrophen oder bei kriegerischen Konflikten humanitäre Nothilfe, wie aktuell im Ukraine-Krieg.

Jugend Eine Welt gehört unter anderem zu jenen zehn bei der ADA (Austrian Development Agency) akkreditierten österreichischen Hilfsorganisationen, die mit den öffentlichen Förderungen humanitäre Hilfe jeweils vor Ort tatsächlich umsetzen.

Jugend Eine Welt-Spendenkonto: AT66 3600 0000 0002 4000
Onlinespenden unter www.jugendeinewelt.at/spenden

Spenden an „Jugend Eine Welt“ sind steuerlich absetzbar.

Von Neusiedl am See in den Regenwald Venezuelas: Sr. Maria Wachtler mit zwei Kindern des indigenen Volks der Yanomami.
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Wolfgang Wedan, Globaler Nothilfe-Koordinator von Jugend Eine Welt und aktuell stationiert in Venezuela, beim Besuch einer Kinderschutzeinrichtung in Caracas. Gemeinsam mit seinem Jugend Eine Welt-Kollegen Hannes Velik begab er sich auf die „Spurensuche“ nach Sr. Maria Wachtler.
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Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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