Gesendet, nicht geweiht
Die Pastoralen Berufe verändern sich.
Dass Menschen, die nicht Priester sind, einen seelsorglichen Beruf ausüben, ist weltweit gesehen unüblich. Erst das Kirchenbild des Zweiten Vatikanums und die finanzielle Absicherung der Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch den Kirchenbeitrag machten die Erfindung der gesendeten (nicht geweihten) Pastoralen Berufe möglich. 1974 beschloss die Österreichische Bischofskonferenz, dass Männer und Frauen mit theologischer und seelsorglicher Ausbildung auch dann für katholische Seelsorge angestellt werden können, wenn sie nicht zum Priester geweiht werden. Auch jetzt, genau 50 Jahre später, entwickeln sich diese Berufe weiter.
ES MUSS SICH DOCH ETWAS ÄNDERN
Gerade in Zeiten des fundamentalen gesellschaftlichen und kirchlichen Wandels habe die theologische Ausbildung, die die Grundlage für die Pastoralen Berufe bildet, großes Gewicht, ist Bernhard Teißl-Mederer überzeugt. Er ist Geschäftsführer der Konferenz der Berufs- und Interessengemeinschaften Pastorale Berufe. Berufsprofile müssten neu konzipiert werden, erklärt er. „Der radikale Wandel in der Gesellschaft, die existenziellen Fragestellungen, die das Klima, die Kriege, die Polarisierung der Gesellschaft, Flucht und andere Themen aufwerfen: Das muss doch etwas machen mit unserem Berufsprofil. Wir können uns doch nicht weiterhin, plakativ gesagt, ausschließlich auf Erst-kommunion- und Firmvorbereitung fokussieren – wobei auch darin ganz viel Tolles geschieht.“ Gemeinsam mit den Personalverantwortlichen der Diözesen und den Berufsgemeinschaften arbeitet Teißl-Mederer daran, wie Berufsprofile sich ändern können, um aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. Schließlich soll sich das auch auf die Ausbildung auswirken.
Thomas Pirkner-Ertl vertritt die Konferenz der Ausbildungsleiter:innen und Seelsorger:innen für Theologiestudierende Österreichs.
NICHT KLAR FESTGELEGT
Was allerdings zu den Aufgaben von Pastoralassistent:innen gehört, ist in Österreich nicht genau definiert. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits wäre das Berufsprofil prägnanter, wenn es etwa, wie in Deutschland, in einer Rahmenordnung festgelegt wäre. Andererseits bringt die Situation in Österreich eine große Freiheit mit sich, betont Thomas Pirkner-Ertl von der Konferenz der Ausbildungsleiter:innen und Seelsorger:innen für Theologiestudierende Österreichs. „Die Stärke des Berufs besteht seit 50 Jahren darin, dass er sehr flexibel ist. Über weite Strecken definieren Pastoralassistentinnen selbst, wer sie sind. Je nach Pfarre gibt es zwar unterschiedliche Arbeitssituationen, aber es gibt kaum Festgeschriebenes, was verpflichtende Aufgabe von Pastoralassistenten ist. Das heißt, das definieren die Personen selber in Absprache mit dem Pfarrer. Das ist eine hohe Freiheit. Wenn man das Amt klarer definieren würde, würde das einengen.“
„Die Stärke des Berufs besteht seit 50 Jahren darin, dass er sehr flexibel ist.“
THOMAS PIRKNER-ERTL
WER WIE HEISST
Dazu kommt, dass es eine Fülle von verschiedenen Berufsbezeichnungen für Pastorale Berufe gibt. Bei der Einführung der gesendeten Berufe in Österreich habe Weihbischof Helmut Krätzl die Bezeichnung „Pastoralassistent“ vorgeschlagen, erinnert Thomas Pirkner-Ertl, „bis uns etwas Besseres einfällt“. Wie so oft, wurde das Provisorium zur Dauereinrichtung. Dagegen haben manche Diözesen begonnen, eigene Bezeichnungen zu etablieren. Während etwa die Diözese Linz den Begriff „Seelsorger, Seelsorgerin“ für die Pastoralen Berufe eingeführt hat, entschied sich die Diözese Graz für „Pastoralreferent, Pastoralreferentin“. Die Diözese St. Pölten hingegen hält an der Bezeichnung „Pastoralassistent:in“ fest, weiß Bernhard Teißl-Mederer. Er selbst hätte sich eine Vereinheitlichung der Berufsbezeichnungen gewünscht. Im Lauf des Diskussionsprozesses ist ihm aber klar geworden, dass auch das Festhalten an unterschiedlichen Begriffen einen Vorteil hat. „Es zeigt sich darin die große Vielfalt der Dienste.“
VERZICHT AUF DIE WEIHE?
Die Dienste sind noch wesentlich vielfältiger als die Bezeichnungen in der Pfarrseelsorge vermuten lassen. Das 50-Jahr-Jubiläum der Pastoralen Berufe hat Bernhard Teißl-Mederer zum Anlass genommen, um 70 Bezeichnungen für nicht geweihte, aber gesendete Pastorale Berufe in Österreich zusammenzutragen. Dazu zählen etwa Seelsorgeraumleiterin, Klinikseelsorger, Frauenreferentin, Betriebsseelsorger und Bildungshausleiterin. Alle diese Berufsgruppen verbindet, dass sie vom Bischof in einer Sendungsfeier in ihr Amt „gesendet“ werden. Das ist mehr als eine Beauftragung für eine bestimmte Aufgabe und weniger als eine Weihe zum Diakon oder Priester. Zur langfristigen Klärung der Ämterfrage, zur Entwöhnung vom Klerikalismus (die Papst Franziskus immer wieder fordert) und zur Einübung der gemeinsamen Verantwortung an der Sendung der Kirche hat Bernhard Teißl-Mederer einen provokanten Vorschlag. Wie wäre es, meint er, „wenn unsere Bischöfe 30 Jahre lang auf Weihen zum Diakon und zum Priester verzichten würden und wir alle gemeinsam die Sendung leben?“. Das würde „der Weltkirche in der Formung einer neuen inneren Lei-tungs- und Ämterstruktur angemessen Zeit“ geben, schreibt Teißl-Mederer in einem Artikel aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums.
GEMEINSAM IM AMT
Nach dem geltenden Kirchenrecht sind jedenfalls bereits jetzt sowohl geweihte als auch gesendete Berufsgruppen geistliche Ämter, also Amtsträgerinnen und Amtsträger der katholischen Kirche. Bernhard Teißl-Mederer verweist auf den Codex Iuris Canonici, Canon 145, § 1: „Kirchenamt ist jedweder Dienst, der durch göttliche oder kirchliche Anordnung auf Dauer eingerichtet ist und der Wahrnehmung eines geistlichen Zweckes dient.“ Was das konkret heißt, ist noch nicht geklärt. „Es ist ein Themenkomplex, der viel Echo in den Berufsgemeinschaften hat“, resümiert Teißl-Mederer.
Geweiht oder gesendet – für alle Berufsgruppen gilt im deutschen Sprachraum, dass das Interesse daran sinkt. Immer weniger junge Menschen beginnen ein Theologiestudium. „Aber wir starten auf einem hohen Level“, gibt Teißl-Mederer zu bedenken. Er möchte sich nicht am Defizit orientieren. Eher auf die Bereiche schauen, die ganz neue Wege gehen und stark nachgefragt werden, wie etwa die Festivalseelsorge. Und Thomas Pirkner-Ertl weist darauf hin, dass die Berufswahl immer weniger zur Einmal-Entscheidung junger Menschen wird, und dass die kirchlichen Berufe dabei keine Ausnahme bilden. „Man trifft nicht mehr mit 18 eine Entscheidung und bleibt dann bis 65 im selben Beruf. Das ist aber kein kirchliches Phänomen, sondern in der gesamten Gesellschaft so.“
MONIKA SLOUK
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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