Buch-Tipp
Das Bild einer rettenden Arche ist aktueller denn je
Autorin Tanja Kinkel setzt sich in ihrem neuen Buch „Wir alle sind Noah“ mit der Verantwortung für die Umwelt auseinander, zieht dabei Parallelen zur biblischen Geschichte und ruft auf zur Bewahrung der Schöpfung.
Angesichts einer z. B. durch den Klimawandel bedrohten Erde greifen Sie in Ihrem aktuellen Werk das biblische Motiv von Noah und der Arche auf. Welche konkrete Botschaft wollen Sie vermitteln?
Tanja Kinkel: Anhand dieser Bibelstelle im Buch Genesis 6–9 möchte ich zeigen, wie verknüpft und verbunden Menschen, Tiere und Umwelt miteinander sind. Deshalb ist die Menschheit gefordert, die Verantwortung für die Schöpfung, die mehr und mehr bedroht ist, jetzt aktiv wahrzunehmen und sie nicht auf die nächsten Generationen abzuwälzen. Dieses Verhältnis von Menschen, Tieren und Umwelt können wir durchaus verstehen als einen Bund der Generationen, ohne Endlichkeit. Deswegen greife ich dieses Bild von Noah, von der Arche und vom Regenbogen als Symbol des Bundes, den Gott nach der Sintflut sowohl mit den Menschen und gleichzeitig mit den Tieren schließt, auf. Denn für die Tiere als unsere Mitgeschöpfe haben wir genauso eine Verantwortung wie für die Welt, auf der wir gemeinsam leben.
Mit diesem Bund verspricht Gott, dass es nie wieder eine Sintflut geben wird. Ihr Buch-Titel lautet „Wir alle sind Noah“. Das heißt, wir Menschen müssen auch heute noch unseren Teil zu diesem Bund beitragen?
Kinkel: Genau. Gott legte in den geschlossenen Bund ein Versprechen, aber auch eine Verpflichtung, denn ein Bund verlangt Verbündete, Partner. Gott hat sein Versprechen bereits geleistet, die Schöpfung zu bewahren, sie nie wieder zu zerstören. Nun sind wir gefordert, unseren Teil des Bundes mit der Welt endlich verantwortungsvoll zu erfüllen: Wege zu finden, das Unsere beizutragen, damit sich die Erde nicht weiter erwärmt, damit Tiere und Pflanzen nicht weiter aussterben, damit die Verschmutzung der Umwelt durch Gifte und schädliche Substanzen, sei es in der Erde, im Wasser, in der Luft, nicht zu-, sondern abnimmt.
„Die Tiere sind unsere Mitgeschöpfe und wir sind für sie verantwortlich, genauso wie für die Welt, auf der wir gemeinsam leben.“
TANJA KINKEL
Das Bild der Arche Noah –wie aktuell ist es heute?
Kinkel: Als ich noch ein Kind war und meine Mitschüler:innen und ich zum ersten Mal die Geschichte von der Sintflut hörten, haben die meisten von uns sie als sehr abstrakt wahrgenommen. Es gab damals nur einen Jungen, der Angst vor einer erneuten Sintflut hatte. Der Rest von uns Kindern war eher belustigt. Wir konnten uns so etwas absolut nicht vorstellen. Ich erinnere mich aber, dass es in meiner Heimatstadt Bamberg schon in meiner Kindheit in den 1970er Jahren immer wieder Hochwasser und Überschwemmungen gab, wenn die Regnitz nach tagelangen Regenfällen anschwoll und über die Ufer trat. Markierungen an den Häusern zeigen das an und es gibt auch Hinweise auf das legendäre Hochwasser im Jahre 1784, das viele Schäden verursachte. Lebensbedrohlich war das damals allerdings nicht.
Das hat sich mancherorts verändert ...
Kinkel: Inzwischen ist es so, dass z. B. Hochwasser und Überschwemmungen weltweit immer häufiger vorkommen und auch Flutkatastrophen zur Folge haben. Das heißt, Menschen müssen mittels Booten und Hubschrauber aus ihren überschwemmten Häusern und Wohnungen gerettet werden. Viele sind durch die Fluten schon ums Leben gekommen. Und das auch innerhalb Europas, in Deutschland, in Österreich. Das zeigt, die Vorstellung von einer Sintflut und einer Arche, in der mehr und mehr Geschöpfe Platz finden müssen, war noch nie so aktuell und dringend wie heute. Von den Folgen der Flutkatastrophe etwa 2021 im deutschen Ahrtal sind die Bewohner nach wie vor betroffen und der Wiederaufbau dauert an. Solche in immer kürzeren Abständen vorkommenden Ereignisse sind eine Aufforderung an uns alle, dass eine Arche nur eine Arche sein kann, wenn man Menschen hat, die etwas gegen die bedrohte Erde tun. Wir haben heute z. B. durch die sozialen Medien nicht nur Risiken, sondern auch Chancen und Möglichkeiten, uns miteinander zu vernetzen und zu kommunizieren, uns zu informieren und voneinander zu lernen, wie das noch nie in der Menschheitsgeschichte der Fall war. Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich die planetare Bevölkerung. Das war zu Noahs Zeiten nicht möglich. Wir können einander auf globaler Ebene also nicht nur Schaden zufügen, sondern einander auch helfen. Das sollten wir nicht unterschätzen.
Sie sprechen in Ihrem Buch auch von einer Anti-Arche. Was meinen Sie damit?
Kinkel: Im Gegensatz zur Arche Noah, die in einer untergehenden Welt als Symbol für Schutz, Rettung und Obdach steht, sehe ich in einer Anti-Arche das, was wir unserer Umwelt und unseren Mitgeschöpfen antun, wenn wir nur noch auf harten Profit und das eigene Wohlbefinden aus sind. Ein krasses Beispiel dafür sind die Legebatterien, in denen Hühnerküken, nachdem sie aus dem Ei geschlüpft sind, ohne Bewegungsfreiheit gehalten und maschinell gefüttert werden. Männliche Küken wurden in Deutschland bis 2022, in Österreich bis 2023, zu einem großen Teil bis zu ihrem ersten Lebensjahr geschreddert. Ein anderes Beispiel: Es findet mehr und mehr eine Isolation vieler Menschen statt. Man spricht vom Echokammer-Effekt, das bedeutet, dass man sich in einer sogenannten Filterblase befindet, nur noch mit Gleichgesinnten redet, nur noch auf sie hört und nicht mehr versucht, auf andere zuzugehen. Das wäre für mich auch ein Anti-Archen-Prinzip.
Auch Papst Franziskus kommt in Ihrem Buch vor mit Zitaten aus der Umwelt-Enzyklika Laudato si’. Welche Bedeutung haben seine mahnenden Worte für Sie?
Kinkel: Ich finde es sehr bemerkenswert und beeindruckend, dass wir derzeit den bisher umweltbewusstesten Papst haben, der immer wieder darauf zu sprechen kommt, wie wichtig die Verantwortung ist, die wir für unsere Welt haben. Daran erinnert er auch jetzt vor Beginn der kirchlichen Schöpfungszeit, die am 1. September beginnt. (Siehe Randspalte)
SUSANNE HUBER
Buchtipp: Tanja Kinkel, Wir alle sind Noah. Über Menschen, Tiere und unsere Verantwortung für die bedrohte Erde. Bonifatius Verlag, 2024, € 12,50.
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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