EIN_BLICK
Der Glaubenszeuge des Jahrhunderts

mannigfach Spuren hinterlassen. In Stift Heiligenkreuz haben die Mönche die Unterseite des Stuhles, auf dem er – und andere – Platz nahmen, fein säuberlich beschriftet. | Foto: Franz Josef Rupprecht
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  • mannigfach Spuren hinterlassen. In Stift Heiligenkreuz haben die Mönche die Unterseite des Stuhles, auf dem er – und andere – Platz nahmen, fein säuberlich beschriftet.
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Ein Rückblick auf den ersten Todestag von Papst Benedikt XVI. Verfasst von ERICH SEIFNER, EM. STADTPFARRER VON OBERWART

Joseph Ratzinger, der Sohn einfacher Leute aus der bayerischen Provinz, hat Geschichte geschrieben: als Mitgestalter des Konzils, als der meistgelesene Theologe der Neuzeit, dessen Werke Millionenauflagen erreichten, als Glaubenshüter, der an der Seite von Papst Johannes Paul II. und dann als sein Nachfolger Sorge trug, dass im Sturm der Zeit das Schiff Kirche auf Kurs blieb.

„Signore ti amo“, auf Deutsch: „Herr, ich liebe dich“. Das waren angeblich die letzten Worte, die der emeritierte Papst Benedikt XVI. gesprochen hat, bevor er am 31. Dezember 2022 im Vatikan im Alter von 95 Jahren gestorben ist.

Man kann in diesen Worten sehr schön auch das „Lebensprogramm“ von Papst Benedikt erkennen. Ihm war es wichtig, an den Herrn Jesus Christus zu glauben, ihn zu lieben, mit ihm zu leben und ihm zu dienen.

Für Papst Benedikt war Jesus Christus kein Toter der Vergangenheit, sondern einer, der lebt, der bei Gott im Himmel lebt, aber auch verborgen in der Kirche lebt und wirkt.

Als Papst hat er trotz seines Alters und seines enormen Arbeitsaufwandes noch ein dreibändiges Buch über Jesus geschrieben. Kein Papst vor ihm hat das getan. Er wollte uns Christen auch auf diese Weise auf die Mitte unseres christlichen Glaubens verweisen: auf Jesus Christus, der uns die Liebe Gottes ofenbart hat. Lange sei er zu diesem Buch unterwegs gewesen, schreibt Papst Benedikt in der Einleitung zum ersten Band seines Jesusbuches.

Darum kreiste die gesamte Theologie von Papst Benedikt: die Menschen hinzuführen zu Jesus Christus, in dem die Unbegreiflichkeit Gottes ein menschliches Gesicht bekommen hat, und in dem offnbar geworden ist, dass Gott die Liebe ist.

„GOTT IST DIE LIEBE“

Dieser programmatische Titel seiner ersten Enzyklika zieht sich auch wie ein roter Faden durch die knappe achtjährige Amtszeit von Papst Benedikt. In einem Brief vom 10. März 2009 an alle katholischen Bischöfe der Welt heißt es: „In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr fidet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffen. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem Gott, der am Sinai gesprochen hat; zu dem Gott, dessen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13,1) im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen.“

Papst Benedikt hat ganz deutlich erkannt, dass es eine Schicksalsfrage der Gegenwart ist, ob der Glaube an Gott lebendig bleibt. Immer wieder beschäftgte ihn die Frage: Braucht der Mensch überhaupt Gott, oder geht es nicht auch ohne ihn ganz gut?

Die Kirche ist ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich Papst Benedikt zeit seines Lebens beschäftgt hat und zu dem er auch viele Vorträge gehalten, publiziert und Bücher geschrieben hat.

Für Papst Benedikt ist die Kirche der Ort, an dem wir dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn auch heute noch begegnen können: in den Sakramenten, ganz besonders in der Feier der hl. Messe (= Eucharistie). Da ist er – Jesus – es, der zu uns spricht, wenn uns die heiligen Schriften vorgelesen und erklärt werden, und er mit uns das Mahl feiert und in der Kommunion in einem Stück Brot zu uns kommt, um unser sterbliches Leben immer mehr in sein göttliches Leben zu verwandeln.

GLAUBE UND VERNUNFT KEIN GEGENSATZ

Für Papst Benedikt gehören darum die regelmäßige Mitfeier der heiligen Messe und ein Christ bzw. ein Mitglied der Kirche zu sein untrennbar zusammen: Kirche, so sagt er, ist Eucharistie, und Eucharistie ist Kirche, der Vollzug von Kirche. Die Feier der heiligen Messe, in der der Auferstandene uns seinen Leib schenkt und zu seinem Leib macht, ist auch „der immerwährende Entstehungsort der Kirche“.

Ein wichtiges Anliegen war Papst Benedikt auch das Verhältnis von Glaube und Vernunft Für ihn sind Glaube und Vernunf keine Gegensätze, sondern ergänzen einander. „Die Vernunftwird ohne den Glauben nicht heil, aber der Glaube wird ohne die Vernunft nicht menschlich“, lautet einer der Schlüsselsätze seines Denkens. Wenn Glaube sich völlig von der Vernunf abnabelt, rutscht er in Fundamentalismus ab, und Vernunft ohne jede Brücke zum Glauben erweist sich als unfähig, den heute so dringenden Dialog der Kulturen und Religionen zu führen.

DEN GLAUBENSKERN FREILEGEN

Papst Benedikt ging es vor allem um die Reform und die Erneuerung der Kirche von innen her. Er war zutiefst überzeugt, nur kirchliche Strukturen zu ändern, reiche nicht. „Mein Grundimpuls war“, sagte er einmal, „unter den Verkrustungen den eigentlichen Glaubenskern freizulegen und diesem Kern Kraft und Dynamik zu geben. Dieser Impuls ist die Konstante meines Lebens.“

Papst Benedikt ist es nie um die eigene Person, um Erfolg oder Publizität gegangen. „Er wollte der Kirche dienen, die Christus als den Weg, die Wahrheit und das Leben bekennt“ (K.-H. Menke) und mit seinen Büchern, Vorträgen, Predigten und Ansprachen allen, die suchen, die glauben und im Glauben gestärkt werden wollen, eine Hilfe sein.

„Steht fest im Glauben, lasst euch nicht verwirren und bleibt Jesus Christus, dem einzigen und wahren Retter der Welt, treu“, schreibt der verstorbene Papst Benedikt auch in seinem geistlichen Testament, das er bereits am 29. August 2007 im 2. Jahr seines Pontifiates verfasst hat.

Papst Benedikt hat eine kirchliche Karriere niemals angestrebt. Er wollte als Lehrer bzw. als Professor der Theologie nur ein einfacher Arbeiter und Diener im Weinberg des Herrn sein und bleiben. Er hat weder das Bischofsamt in München noch das Amt eines Leiters der Glaubenskongregation in Rom angestrebt. Und schon gar nicht wollte er Papst werden. „Herr, tu mir das nicht an“, hat er nach eigenen Angaben gebetet. Als sein Vorgänger Papst Johannes Paul II., dessen engster Mitarbeiter und Berater er war, starb, wollte er endlich in Pension gehen und noch Bücher schreiben. Aber es kam, wie wir wissen, anders, und er wurde nach einem relativ kurzen Konklave zum 264. Nachfolger des Apostels Petrus gewählt.

LÜGNER UND VERTUSCHER?

Auch als Papst war Benedikt XVI. bescheiden, demütig, liebenswürdig im Umgang mit anderen und bemüht, Gott und den Menschen bestmöglich zu dienen. Unzählige Menschen sahen in ihm einen Lehrer und Hirten, der durch seine feine und vornehme Art, durch seine vielen Predigten, Schriftn und Ansprachen für sie sehr wichtig war und ihnen den Weg zum Glauben geebnet hat.

Natürlich hatte Papst Benedikt auch viele Gegner und Feinde, außerhalb und auch innerhalb der Kirche, die mit dem, was er gesagt, gewollt und getan hat, nicht einverstanden sind, die ihn und sein Lebenswerk in Misskredit bringen und so manche negativen Narrative über ihn verewigen möchten, angefangen vom „Panzerkardinal“ bis hin zum „Lügner“ und „Vertuscher von sexuellem Missbrauch“.

Wer sich aber genauer mit diesen Vorwürfen auseinandersetzt und entsprechend recherchiert, weiß, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen – bei all den Fehlern, die Papst Benedikt auch begangen und für die er sich nicht gescheut hat, um Vergebung zu bitten. Auch in seinem geistlichen Testament bittet Papst Benedikt um Verzeihung und schreibt: „Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung.“

Aber was man immer auch Papst Benedikt zurecht oder zu Unrecht vorwerfen mag, sein Vermächtnis wird bleiben als das eines Glaubenszeugen des Jahrhunderts, der versuchte, in der Erneuerung zu bewahren und in der Bewahrung zu erneuern.

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Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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