Auslandshilfe der Caritas
Not im Libanon schreit zum Himmel

Layla liebt die Schule – sie lernt, isst und spielt in der Einrichtung der Caritas. | Foto: RB/Caritas
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Layla hat kein Kinderzimmer, eine Puppenküche ist ein unerfüllbarer Traum. Sie lebt mit ihrer Familie in einer Ein-Zimmer-Wohnung im libanesischen Beirut. Häufig müssen ihre Eltern sie hungrig zu Bett schicken. Sie freut sich dann auf den nächsten Tag, denn dann gibt es in der Caritas-Schule Beth Aleph ein warmes Essen. Claudia Prantl von der Auslandshilfe der Caritas in Salzburg berichtet im Rupertusblatt-Interview, dass Layla kein Einzelschicksal ist, dass immer mehr Familien im Libanon in Armut schlittern.

von Ingrid Burgstaller

RB: 80 Prozent der Bevölkerung im Libanon leben mittlerweile in Armut. Das schätzt der Präsident der Caritas im Land, Pater Michel Abboud. Deckt sich diese unglaubliche Zahl mit ihren Erfahrungen?
Claudia Prantl: Ja, wir sehen, dass immer mehr Menschen Unterstützung brauchen, damit sie überleben können. Viele, die früher selbst für Bedürftige spendeten, sind jetzt selbst hilfsbedürftig. Sechs von zehn Libanesen wollen aktuell das Land verlassen. Wenn ich in diesen Tagen mit Kolleginnen und Kollegen der Caritas Libanon telefoniere, erzählen sie, dass es wie in Österreich auch bei ihnen kalt ist und schneit. Nur sind bei uns geheizte Wohnungen und warmes Wasser selbstverständlich, im Libanon nicht.

RB: Die Caritas Salzburg unterstützt seit Jahren Projekte im Libanon wie die Schule Beth Aleph für Kinder aus Flüchtlings- und Migrationsfamilien. Kann die Arbeit angesicht der zugespitzten Lage im Land weitergehen?
Prantl: Die Arbeit geht weiter, wenngleich mit Einschränkungen. Aufgrund der Energiekrise, dem Mangel an Medikamenten (lange Lieferzeiten) oder der Knappheit an Baumaterialien verzögert sich einiges. Wichtig ist, dass wir die Kinder von Beth Aleph und ihre Familien weiter unterstützen. Die Hilfe hörte auch nicht auf als die Schule aufgrund der Coronapandemie geschlossen hatte. Das Team vor Ort verteilte Handywertkarten, damit die Kinder Zugang zum Online-Unterricht hatten. Die Pädagoginnen und Sozialarbeiterinnen hielten dann über WhatsApp Kontakt zu ihnen. Die große Explosion im Sommer 2020 in Beirut hatte Beth Aleph wie viele Gebäude in Mitleidenschaft gezogen. Mittlerweile sind die Schäden repariert und die Schule ist wieder ein Platz zum Kindsein. Diese Geborgenheit vemissten die Mädchen und Buben zuhause oft schmerzlich.

RB: Welche Hilfe ist derzeit besonders wichtig?
Prantl: Unser Fokus liegt auf Bildungsprojekten. Das umfasst aber weit mehr als Unterricht: medizinische Versorgung, Schultransport, Schulmaterialien und Essen. Familien können sich all das nicht leisten. Alleine das Geld für den Schulbus aufzubringen, wäre für viele Eltern eine zu große Hürde in der aktuellen schweren Krise. Mit unseren Partnern leisten wir zudem Covid-Nothilfe und stellen sicher, dass chronisch Kranke Unterstützung erhalten. Für Arbeitsmigrantinnen und Flüchtlinge sind die derzeitigen Hilfsgüterverteilungen und finanziellen Überbrückungen lebensnotwendig, damit sie überhaupt irgendwie über die Runden kommen.

RB: Sie kennen den Libanon schon lange. War die Situation im Land jemals so Besorgnis erregend?
Prantl: Ich glaube, es war noch nie derart hoffnungslos. Es ist sehr traurig das Land und seine Menschen so verzweifelt und verwundet zu sehen. Sehr berührt hat mich eine Geschichte, die Grace, eine Lehrerin aus Beth Aleph, erzählte: Sie berichtete, dass sie mit den Kindern im Unterricht malte. Sie habe dann gesagt, die Kinder sollen ihr Bild ihren Mamas und Papas schenken, damit sie es an den Kühlschrank hängen. Ein Mädchen aus der Klasse zeigte auf und sagte: „Miss Grace, wir haben aber keinen Kühlschrank.“ Es breche ihr das Herz, zu wissen, wie die Familien leben müssen. Der Libanon steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Wegen Treibstoffmangels haben viele Haushalte kaum Strom. Es fehlt an Medikamenten und an Lebensmitteln. Den Libanesinnen und Libanesen geht es also selbst sehr schlecht. Noch verzweifelter sind die Migrantinnen und Migranten im Land, die aus Äthiopien, Sudan, Indien, Syrien oder Bangladesch stammen.

RB: Was braucht es, damit sich die Situation verbessert? Gibt es etwas, was Hoffnung macht?
Prantl: Es braucht wirkliche Reformen, eine Abkehr von der Klientelpolitik und Leute an der Spitze des Staates die bereit sind Kompromisse einzugehen. Die Explosion im Sommer 2020 ist bis heute nicht aufgearbeitet und schürte weitere politische Spannungen. Wenn die Menschen kein Geld für lebenswichtige Medikamente, Schule oder Essen haben, ist tatsächlich die Hoffnung das Einzige was ihnen noch bleibt. Die Unterstützung durch die Spender und Spenderinnen aus Österreich ist in dieser beispiellosen Krise wichtiger denn je. Und zwar nicht nur in finanzieller, sondern auch in moralischer Hinsicht.

Layla liebt die Schule

Layla ist vier Jahre alt und lebt mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Vor ein paar Jahren, als Layla noch ein Baby war, flüchtete die Familie aus Syrien in das Nachbarland. Im neuen Zuhause geht es oft chaotisch zu, es gibt wenig Platz zum Spielen, weil alle in einem Raum wohnen. Oft ist es kalt. In der Ein-Zimmer-Wohnung gibt es seit der Explosionskatastrophe keine Fenster mehr. Laylas Papa arbeitet zwar als Bauarbeiter, aber der Lohn reicht kaum für Essen und Strom. Die Caritas unterstützt die Familie mit dem Nötigsten und das ist eine große Herausforderung. Vieles im Land ist aufgrund der schweren Wirtschaftskrise nicht verfügbar. Manche Medikamente oder Glas, um zerstörte Fenster zu ersetzen, sind mittlerweile Luxusgüter.
Glück in Laylas Leben bringt Beth Aleph. Sie darf als eines von 130 Kindern das Kindergarten- und Schulprojekt der Caritas besuchen. Sie lernt, spielt, erfährt Geborgenheit und Wärme. Und wenn die Schulklingel zum letzten Mal läutet, weiß Layla: Jetzt gibt es Mittagessen – oft die einzige warme Mahlzeit des Tages.

Layla Mey Jaberova führt das beliebte libanesische Restaurant „Beiruti“ in Salzburg. | Foto: RB/Caritas
  • Layla Mey Jaberova führt das beliebte libanesische Restaurant „Beiruti“ in Salzburg.
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Eine Libanesin erzählt

Layla Mey Jaberova führt das beliebte libanesische Restaurant „Beiruti“ in der Stadt Salzburg. Der Weg dahin war steinig. Sie war erst elf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern vor dem Krieg im Libanon flüchtete. Auf einem Boot gemeinsam mit rund 100 anderen Menschen wagte die Familie die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer nach Zypern. „Die Beleuchtung musste aus sein, da die Boote beschossen wurden. Erst in der Vorwoche unserer Überfahrt war eines gesunken. Die Menschen hatten Angst und weinten. Doch wir schafften es und sind nach Stunden in Zypern angekommen“, erzählt Mey. Das war vor 30 Jahren.

Momentan herrscht im Libanon zwar nicht Krieg, aber die Lage ist katastrophal. „So schlimm war es nicht einmal während des Krieges. Wir wollten immer in den Libanon zurück, jetzt nicht mehr. Jeder und jede, die ich kenne, will nur noch weg aus dem Land. Die Menschen hungern. Sie können sich nicht einmal das Nötigste kaufen.“ Aufgrund der desolaten Wirtschaftslage und Hyperinflation sind die Preise des täglichen Lebens um das Zehnfache gestiegen. Zudem hat die Explosion im August 2020 in der Hauptstadt Beirut, wo ein Drittel der Bevölkerung lebt, unzählige Häuser zerstört. Zehntausende Menschen waren plötzlich obdachlos.Besonders prekär ist die Lage der Kinder: „Es war schon immer so, dass die Kinder nur in Privatschulen gute Bildung erhielten. Aktuell kann sich das kaum mehr jemand leisten. Die öffentlichen Schulen sind teils geschlossen, es findet kein regelmäßiger Unterricht statt“, erzählt Mey. Sie fürchtet: Eine Generation bleibt ohne Bildung.

Not ist kein Kinderspiel

  • Weltweit sind Kinder von Krieg, Gewalt und Hunger bedroht. „Als Caritas handeln wir aus der Überzeugung, dass jedes Kind das Recht auf das Recht auf Bildung, das Recht auf Glück und Zukunftsperspektiven hat“, sagt Johannes Dines, Direktor der Caritas in der Erzdiözese Salzburg. 
  • Die Hälfte der 356 Millionen armutsbetroffenen Menschen sind Kinder. 150 Millionen Kinder leiden zusätzlich unter den Auswirkungen der Pandemie. Sie können weder in Sicherheit noch in Unbeschwertheit aufwachsen und haben keinen Zugang zu Bildung. 
  • Mit Schulen, Kinderkrippen oder Tageszentren hilft die Caritas Salzburg in ihren Schwerpunktländern im Nahen Osten: in Syrien, dem Libanon, Ägypten und Jordanien. 
  • Der Printausgabe des Rupertusblatts liegt ein Caritas-Zahlschein bei oder spenden Sie online: www.caritas-salzburg.at
Autor:

Ingrid Burgstaller aus Salzburg & Tiroler Teil | RUPERTUSBLATT

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