Jahrestag der Domkirchweihe
Wo wohnt Gott wirklich?
Die Bischofskirche, deren Weihetag in der ganzen Diözese festlich begangen wird, ist „Domus Dei“, das heißt „Haus Gottes“. In der Heiligen Schrift heißt es jedoch: „Der Höchste wohnt nicht in Bauwerken von Menschenhand“ (Apg 7,48). Darüber zu diskutieren, ob Gott hier oder dort – etwa „auf dem Garizim oder in Jerusalem“ – in besonderer Weise anzutreffen und zu verehren sei, ist unnötig, seitdem durch Christi Zeit und Raum überwindende Heilstat die Stunde gekommen ist, da man den Vater allüberall „in Geist und Wahrheit anbeten“ soll und kann.
Gott ist in der Welt dadurch, dass er im Menschen ist. Diese gerade im Hinblick auf das Christusgeheimnis so wichtige Tatsache darf aber nicht individualistisch verengt aufgefasst werden. Denn ihr zur Seite steht die von der Bibel her gesehen nicht weniger bedeutsame Feststellung, dass der privilegierte, ja in mancher Hinsicht sogar primäre Ort der Gottesgegenwart das Gottesvolk ist. Gott hat die Israeliten aus Ägypten herausgeholt, damit sie bei ihm seien und er mit ihnen. In ihrer Mitte zieht er seitdem mit ihnen durch die Wüste, in das durch seine Gegenwart geheiligte Land, in dem er mit ihnen ist und seinen Geist unter ihnen bleiben lässt. Wirklichkeit geworden und zu letzter, endgültiger Erfüllung gekommen ist dieses „Wohnen Gottes“ durch Christus. Durch seinen Opfertod hat er sich seine Kirche zu eigen erworben; sie ist das aus allen Völkern zusammengerufene und versammelte „Gottesvolk“: In ihm und durch es ist Gott in der Welt und für sie gegenwärtig. Das heißt: Die Christen bilden, alle zusammen, Gottes Kirche, Gottes Tempel. „Kirche“ – das griechische Wort ekklesía – bezeichnet in der Bibel aber nie ein Gebäude, sondern stets das Gottesvolk, genauer noch: das zum Gottesdienst versammelte Gottesvolk. Kirche als Gebäude ist, recht verstanden, Raum für die Versammlung zum Gottesdienst.
Eine Diözese – auch „Teilkirche“ genannt – wird geleitet vom Bischof in der Art eines Stellvertreters und Gesandten Christi; durch den Heiligen Geist, der ihm mitgeteilt worden ist, ist er der Hohepriester seiner Herde; im Vorsitz bei der eucharistischen Feier kommt das in besonderer Weise zum Ausdruck. Man kann also sagen: Was die Diözese ist, wird am deutlichsten dargestellt, wenn der Bischof zusammen mit seinem Presbyterium inmitten des versammelten Gottesvolkes Liturgie feiert.
Die Haupt- und Mutterkirche einer Diözese ist also im ursprünglichsten und vollsten Sinn „Haus der Ekklesia“, das Haus, in dem die dem Bischof anvertraute Gemeinde sich versammelt und ihre Berufung und Sendung darin erkennt: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Text von Prl. Dr. Alois Hörmer († 16. 10. 2015), em. Domdechant, war u. a. Professor für Liturgiewissenschaft an der Phil.-Theol. Hochschule St. Pölten und Pfarrer von Maria Jeutendorf
Kirche im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils
Die Kirche ist – so sagt das Zweite Vatikanische Konzil – ebenso ein Geheimnis wie Christus. Sie kann nur von Christus her gedeutet und nur im Glauben erfasst werden. Das Konzil beschreibt die Kirche nicht etwa unter der bisher sehr gebräuchlichen Vorstellung einer gegliederten Einheit, wie sie uns aus der Kindheit geläufig ist: Die Kirche, das sind der Papst, die Bischöfe und die Priester. Ihnen ist das Kirchenvolk angegliedert. Diese tief eingewurzelte Darstellung folgt der mittelalterlichen Ständeordnung.
Die Kirchenkonstitution nimmt vielmehr die Bilder und Gleichnisse auf, unter denen im Neuen Testament die verschiedenen Seiten des Mysteriums Kirche dargestellt werden. Es ist da die Rede vom Ackerfeld Gottes, vom Bauwerk, dessen Eckstein Christus ist und dessen Fundament die Apostel sind, vom Zelt Gottes unter den Menschen, vom Schafstall, von der heiligen Stadt, von der Braut des Lamms usw. Das Konzil betont, dass die Kirche ein Geheimnis ist und daher alle Versuche, sie in ein Bild oder in eine bestimmte Formel zu fassen, an die Wirklichkeit nur unzulänglich herankommen können.
Unter den zahlreichen Bildern, die im Neuen Testament aussagen wollen, was Kirche ist, nehmen zwei eine besondere Vorrangstelle ein, nämlich das Bild vom Leib Christi und vom wandernden Gottesvolk. Pius XII. hat in seinem Rundschreiben „Mystici Corporis“ vom 29. Juni 1943 mit vielen Theologen das Wesen der Kirche am besten in der paulinischen Bezeichnung „Leib Christi“ ausgesprochen gesehen. Das Zweite Vatikanum hat nun ergänzend das biblische Bild vom „wandernden Gottesvolk“ aufgegriffen und in den Vordergrund gerückt. Dieses Bild vom „wandernden Gottesvolk“ hat gegenüber der Leib-Christi-Vorstellung voraus, dass es die Sündhaftigkeit und Hinfälligkeit, die Schwäche und Reformbedürftigkeit der Kirche deutlicher erkennen lässt. Die Kirche ist bis ans Ende der Zeiten nie fertig, nie vollendet. Die Bezeichnung „Volk Gottes“ teilt die Kirche mit dem Volk Israel, dem alttestamentlichen Bundesvolk.
Würde eines Christen
Dem Konzil war sehr daran gelegen, zuerst das Grundlegende und Gemeinsame, das alle Glieder der Kirche angeht und verpflichtet, herauszustellen. Der Begriff des „Volkes Gottes“ ist nun so eine umgreifende Aussage, die alle, Klerus und Laien, umfasst. Darum ist das Kapitel über das Volk Gottes auch vor das Kapitel über die Hierarchie und das darauffolgende über die Laien gestellt. Die Würde eines Christen eignet allen Gliedern des Gottesvolkes, Priestern und Gläubigen, Männern und Frauen.
DDr. Karl Pfaffenbichler († 23. 6. 2002) war Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Phil.-Theol. Hochschule St. Pölten
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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