Wort zum Sonntag von Dechant Herbert Schlosser
Wo ist Gott in unserer Welt?
Gott scheint verschwunden zu sein aus unserer modernen Welt. Technik, Fernsehen, Vergnügen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zeigen uns eine Welt ohne ihn. Und dazu erleben wir Kriege, Katastrophen und oft unsagbares Leid. All das wirft die Frage auf: Wo ist da Gott?
Immer wieder sagen mir Menschen offen und ehrlich: „Für mich hat Gott keine Bedeutung. Ich komme gut ohne ihn aus!“
Und unser heutiges Evangelium vom Christkönigssonntag? Gott offenbart sich hier vor Pontius Pilatus, dem mächtigen Vertreter des römischen Kaisers, als der Ohnmächtige, nein, als die „wehrlose Liebe“ – so habe ich es einmal gelesen! Gott ist in Jesus total unaufdringlich, sodass man ihn eigentlich übersieht. Gottes Art, sich in Jesus als Mensch zu zeigen, ist geradezu ein Ärgernis. Man kann ihn ohne weiteres anklagen, ihn vor Gericht zitieren, denn er hat „Gott gelästert“. Pilatus, der sein Richter ist, spottet über ihn: „Du bist ein König? – Wo ist denn dein Reich? Wie zeigt sich deine Macht?“ Dann gibt ihn Pilatus zur Kreuzigung frei, wohlgemerkt nicht, weil er überzeugt ist, Jesus sei schuldig – Jesus ist für ihn viel zu unbedeutend –, sondern weil er Angst hat, man könnte ihn in Rom anschwärzen, dass er einen, der sich als König ausgibt, nicht verurteilt.
Und die Leute, die ihn dann am Kreuz verbluten sehen, spotten ihn wieder aus: „Was bist du für ein Gott, dass du ohnmächtig hier oben hängst! Tu doch was, Gott, steig herab vom Kreuz, und zeig uns, was du kannst!“ Jesus aber schweigt – und in ihm schweigt Gott – ohnmächtig, als die „wehrlose Liebe“!
Bedrohliche Gottesbilder – zerstörerische menschliche Macht
Ja, es gibt in der Bibel auch andere Bilder von Gott. Etwa im Psalm 29: „Die Stimme des Herrn ertönt mit Macht … Der Herr zerschmettert die Zedern des Libanon … Die Stimme des Herrn sprüht flammendes Feuer …Sie wirbelt Eichen empor, reißt ganze Wälder kahl. In seinem Palast rufen alle: O herrlicher Gott!“ Oder auch das Siegeslied des Mose am Schilfmeer nach dem Auszug aus Ägypten, das von Gott erzählt, vor dem die Streitmacht des Pharao vor Furcht erstarrt. Gott als bedrohliche, erschreckende Macht, über dessen Handeln die Menschen entsetzt sind.
Ich glaube, heute sind an Stelle solcher Gottesbilder vielfach Menschen getreten. Menschen verbreiten maßlose Angst: Terroristen, Verbrecher, Kriegshetzer, korrupte und totalitäre Politiker usw.
Es gibt eine Entwicklung im Verständnis über Gott. Für uns Christen hat Gottes Bild ja eine konkrete Gestalt angenommen: Jesus von Nazaret, in dem Gott seine Allmacht zur „wehrlosen Liebe“ werden lässt. Gott, der unendlich größer ist als alles, was wir von ihm denken und sagen können, wird ein wehrloses Kind, lebt als Mensch unter uns. Gott wird in Jesus einer, mit dem Menschen machen, was sie wollen; er wird in unserer Welt zu einem „ohnmächtigen Gott“, zu einem, der nicht mit Feuer und Schwert dreinfährt. Er ist die „wehrlose Liebe“ – aber die ist stärker selbst als der Tod!
Wir dürfen diese Liebe nicht missverstehen. Gott ist in Jesus kein Schwächling. Im Gegenteil! An seinem Leben können wir sehen, was diese „wehrlose Liebe“ ist. Jesus tritt nämlich mitunter mit großer Entschiedenheit auf. Er deckt schonungslos ungerechte Strukturen auf, die viele zum wehrlosen Objekt einiger weniger machen. Er stellt sich immer auf die Seite der Schwachen, für die er konsequent eintritt, auch wenn ihm das keine Auszeichnungen der Mächtigen einbringt Er heilt nicht nur hie und da einen Kranken, er hat nicht nur für diese oder jene ein gutes Wort übrig. Er will nicht nur, dass hie und da einmal etwas Gutes geschieht. Nein, er will, dass die Menschen nicht mehr mit den Menschen machen, was sie wollen. Dafür soll sein Leben ein Zeichen sein, auch wenn ihm das den Tod bringt.
Hat Jesus erreicht, was er wollte, konnte er seine Botschaft erfolgreich vermitteln? Bis heute hat es den Anschein, als würde diese „wehrlose Liebe“ immer wieder an den Rand gedrängt, als würde sie oft und liebend gern totgeschwiegen von grausamer und brutaler Gewalt und unmenschlicher und lächerlicher Gleichgültigkeit.
Mit den Armen, den Unbequemen … als geliebte Kinder Gottes leben
Aber es gilt heute wie damals: Gott drängt sich uns nicht auf. Nur sucht er unermüdlich Menschen, die sich vom Leben Jesu ansprechen und begeistern lassen. Und so muss das Leben des Jesus von Nazaret in der Kirche, die ja seine Gemeinde ist, immer besser verwirklicht werden. Die Kirche, und darum wir alle, die wir den Namen von Jesus als Christen tragen, müssen immer mehr aus dem Glauben leben, dass wir Gottes geliebte Kinder sind – und zwar alle Menschen! In der Kirche dürfen wir uns nicht gegenseitig beherrschen und bevormunden wollen, und Nicht-Konforme an den Rand drängen, sondern wir sollen miteinander und gerade mit den Schwachen, den Armen, den Ausgegrenzten und auch den Unbequemen als geliebte Kinder Gottes leben!
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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