Wort zum Sonntag - von Sr. Franziska Madl
Wie mich selbst …?
Jesus wird im heutigen Sonntagsevangelium mit der Frage nach dem ersten und wichtigsten aller Gebote konfrontiert. Seine so einfach wirkende Antwort ist uns nur allzu bekannt und vertraut. Es ist das christliche Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Wir sollen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all unseren Gedanken und all unserer Kraft – und dann unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Laut Jesus ist „kein Gebot größer als diese beiden“. Das klingt so einfach, doch Jesus legt uns die Latte damit ziemlich hoch.
Gott zu lieben erscheint uns vielleicht noch relativ einfach. Natürlich wollen wir als glaubende Menschen Gott lieben und ihm den ersten und wichtigsten Platz in unserem Leben einräumen – zumindest prinzipiell. Unsere Nächsten zu lieben kann dagegen schon eine echte Herausforderung sein! Immer wieder gibt es im menschlichen Zusammenleben Probleme und Konflikte. Nicht alle unsere Mitmenschen sind uns sympathisch, und sogar an jenen Menschen, die wir eigentlich ganz gern mögen, finden wir immer wieder die eine oder andere Eigenschaft oder Verhaltensweise, die uns stört. Wir verletzen einander, ob gewollt oder ungewollt. Als Christen üben wir uns darin, friedlich und freundlich mit unseren Mitmenschen umzugehen, hilfsbereit zu sein und Notleidenden zu helfen. Das Matthäusevangelium ruft uns eindrücklich in Erinnerung, dass wir einst auch danach gerichtet werden, wie wir mit anderen Menschen umgegangen sind, was wir „den geringsten“ unter ihnen – und damit Christus selbst – Gutes getan oder eben nicht getan haben (vgl. Mt 25,31ff.). Auch das Vorbild der Heiligen führt uns das vor Augen.
Doppelgebot mit einem kleinen Zusatz
Was wir aber im Alltag leicht übersehen, ist, dass das christliche Doppelgebot, das Jesus uns gegeben hat, eigentlich ein drittes Gebot enthält – durch den kleinen Zusatz „wie dich selbst“. Ich soll meinen Nächsten lieben wie mich selbst. Und da wird es dann echt schwierig! Wie liebe ich mich richtig selbst? Bedeutet Christsein nicht wesentlich Selbstverleugnung und Verzicht? Ist die Gottes- und Nächstenliebe nicht wichtiger und wertvoller als die Selbstliebe? Andererseits, kann ich andere überhaupt wirklich lieben, wenn ich mich selbst nicht liebe, mich vielleicht sogar ablehne oder ständig verurteile? Dann bin ich ja gar nicht frei für die Liebe. Dann bin ich überhaupt nicht frei.
Ich bin von Gott geliebt
Um hier nicht missverstanden zu werden: Ich möchte nicht dem Egoismus oder gar Narzissmus das Wort reden. Wer nur an sich selbst denkt und alle anderen bloß für seine eigenen Zwecke missbraucht, der liebt sich keineswegs selbst, schon gar nicht in rechter Weise! Echte Selbstliebe bedeutet, dass ich mich annehmen kann als die Person, die ich bin – so wie Gott mich gemacht und mich mir selbst und der Welt geschenkt hat, mit all meinen Licht- und Schattenseiten. Ich muss nicht alles an mir gut finden! Oder um es mit Viktor Frankl zu sagen: „Ich muss mir nicht alles gefallen lassen, nicht einmal von mir selbst.“ Es ist natürlich nötig, dass ich weiter an mir selbst arbeite, meine Entscheidungen überprüfe, mein Verhalten reflektiere – es Gott auch im Gebet hinhalte und um Verzeihung bitte, wenn es nicht in Ordnung war. Aber es ist wunderschön zu wissen, dass ich überhaupt existiere, weil Gott mich hier haben wollte. Dass ich so bin, wie ich bin, weil Gott mich eben genau so haben wollte. Dass Gott mich liebt, bedingungslos und voraussetzungslos – und dass ich mich deshalb auch selbst lieben darf, ja, mich sogar selbst lieben soll. Aus dieser Gewissheit heraus hatten die Heiligen die Kraft zu großer Nächstenliebe. Aus dieser Gewissheit heraus dürfen und sollen auch wir leben. Vergessen wir nie, dass das christliche Doppelgebot eigentlich ein Dreifachgebot ist. Lieben wir Gott aus ganzem Herzen – und unsere Nächsten wie uns selbst.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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