Wort zum Sonntag - von H. Quirinus C. Greiwe can.reg.
„Was seid ihr so feige?“

In der Wundererzählung von der Stillung des Seesturms geht es nicht nur um den Kontrast von Chaos und Schöpfungsordnung, sondern auch um die Gefahr für die göttliche Ordnung durch die Neigung des Menschen, diese Schöpfungsordnung nicht zu respektieren. Bild: Tornados über dem Mittelmeer | Foto: ellepistock - stock.adobe.com
  • In der Wundererzählung von der Stillung des Seesturms geht es nicht nur um den Kontrast von Chaos und Schöpfungsordnung, sondern auch um die Gefahr für die göttliche Ordnung durch die Neigung des Menschen, diese Schöpfungsordnung nicht zu respektieren. Bild: Tornados über dem Mittelmeer
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Es ist Nacht. Jesus sitzt hinten im Boot und schläft den Schlaf des Gerechten. Plötzlich setzt ein großer Sturmwind ein, doch Jesus schläft ruhig weiter. Währenddessen geraten die Jünger in helle Aufregung und fürchten, dass das Boot kentert. Sie fühlen ihr Leben bedroht. Kümmert Jesus die Gefahr nicht?
Die Erzählmotive dieser Wundererzählung weisen deutliche Parallelen zur Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis auf. „Im Anfang“, so heißt es dort, war die Erde „wüst und wirr“. „Finsternis lag über der Urflut.“ (Gen 1,2) Diese Finsternis ist ein Symbol für Lebensgefahr, für die bedrohlichen Kräfte der Natur; mehr noch: für das Chaos, das vor der Schöpfung herrschte. Es ist jenes „Tohuwabohu“, das für ein heilloses Durcheinander steht, das den Tod bringt.

Zum Heil des Menschen

Wir finden diese Erzählmotive auch in unserer Geschichte über die „Stillung des Seesturms“ wieder. Die Dunkelheit der Nacht, durch die das Boot mit Jesus und den Jüngern auf dem See Gennesaret fährt, steht ebenso für die lebensbedrohlichen Chaoskräfte wie der plötzlich auftretende Seesturm, durch den das Boot zu kentern droht.

Jetzt erhebt sich Jesus und gebietet dem Sturm: „Schweig, sei still!“ Weiter heißt es: „Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.“ Das Toben der Urgewalten endet augenblicklich und es tritt die „Stille des Schöpfungsmorgens“ ein. In diese Stille sprach Gott, der Herr: „Es werde Licht. Und es wurde Licht.“
Auch den Jüngern im Boot erstrahlte ein Licht: Das Licht der Offenbarung (Epiphanie) Christi, der durch göttliche Vollmacht dem Sturm gebot. Hier wird deutlich: Unsere Wundererzählung ist zuerst eine Offenbarung des göttlichen Sohnes, eine Epiphanie des mit göttlicher Vollmacht handelnden Christus. Er überwindet das bedrohliche Chaos und stellt die Schöpfungsordnung seines Vaters wieder her.

Eine weitere erhellende Parallele mit dem Alten Testament ergibt sich mit Blick auf den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten (Exodus). In Psalm 106 lesen wir: „Er (Gott) bedrohte das Schilfmeer, da wurde es trocken; / wie durch eine Steppe führte er sie durch die Fluten.“ Gott gebietet also den Naturgewalten, die ihm untertan sind und gehorchen. Aber nicht einfach so, sondern zum Heil des Menschen: „Er rettete sie aus der Hand derer, die sie hassten, / erlöste sie aus der Gewalt des Feindes.“ (Ps 106,10)

„Schweig, sei still!“

Der Befehl Jesu an den Sturmwind wirkt auf eigen­tümliche Weise menschlich, ja geradezu persönlich, so als stünde ihm ein Mensch gegenüber. Tatsächlich enthält dieser Befehl, diese „Bannformel“, das Element einer Dämonenaustreibung. Die Chaoskräfte der Natur erhalten hier also die Züge dämonischer Gefahr, teuflischer Anfechtungen des Menschen.

Dadurch gewinnt unsere Wundererzählung eine weitere Dimension. Es geht nicht nur um den Kontrast von Chaos und Schöpfungsordnung, sondern auch um die Gefahr für die göttliche Ordnung durch die Neigung des Menschen, diese Schöpfungsordnung nicht zu respektieren. Erst durch die Nachfolge Christi erlangt der Mensch jenen Halt und jene Orientierung, die notwendig ist, um der Anfechtung zu widerstehen.

„Was seid ihr so feige?“

Die Reaktion der Jünger auf das wunderbare Gesche­hen ist durch Furcht geprägt. Dabei überlagert die Furcht vor der göttlichen Offenbarung noch die Angst vor dem Seesturm. Die Jünger staunen über die Machttat Jesu, doch sie erkennen noch nicht die Bedeutung des Geschehenen.

Jesus ärgert sich über die Angst seiner Jünger, die es doch besser wissen müssten. Die Angst vor dem Sturm steht dabei für die Angst der Gläubigen vor den Chaoskräften, vor den Anfechtungen des Lebens und charakterisiert das fehlende Vertrauen in das Heilswirken Jesu Christi.

„Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ – Die vorwurfsvollen Fragen Jesu an seine Jünger sind die vorwurfsvollen Fragen Christi an uns heute. Der Neutestamentler Josef Ernst übersetzt es noch klarer: „Was seid ihr so feige?“ Die Wundererzählung ruft uns zum Glaubensmut auf, zum Vertrauen auf die Zuneigung des Herrn, sein Erbarmen und seine Gnade. Gehen wir mutiger durchs Leben und vertrauen auf den Herrn.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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