Wort zum Sonntag von Dr. Veronika Prüller-Jagenteufel
Solidarisch - ganz im Sinne Jesu

Frauen stehen mit ihren Kindern vor ihren Hütten in den Slums von Colombo in Sri Lanka. Menschen wie sie – Arme, Schwache und Ausgegrenzte – hat Jesus in seiner Vision von einem gerechten und friedlichen Zusammenleben aller vor Augen.	 | Foto: Wolfgang Radtke/KNA
  • Frauen stehen mit ihren Kindern vor ihren Hütten in den Slums von Colombo in Sri Lanka. Menschen wie sie – Arme, Schwache und Ausgegrenzte – hat Jesus in seiner Vision von einem gerechten und friedlichen Zusammenleben aller vor Augen.
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Solidarisch. Seit 100 Jahren – das ist das Motto für das Jubiläum der Ca­ritas der Diözese St. Pölten, die am 14. Februar ihren 100. Geburtstag feiert. Solidarität ist eine Grundhaltung der Caritas, solidarisches Zusammenleben die Vision, für die sie eintritt. Diese Vision und die Aufforderung, sie im eigenen Leben umzusetzen und in der Öffentlichkeit für sie einzutreten, entsprechen dem Grundthema der Verkündigung Jesu: Er nennt es Reich Gottes und traut seinen Jüngerinnen und Jüngern zu, sich danach auszustrecken und es zu verkünden in Wort und Tat.

Jesus entwirft diese Vision nicht für die Reichen und Mächtigen, sondern für die so genannten „kleinen Leute“. Sie spricht er an und mutet ihnen – und uns heutigen EmpfängerInnen seiner Botschaft – damit einiges zu. Unter anderem auch die strengen Forderungen der Evangelienstelle für diesen Sonntag. Aus der Perspektive der Schwächeren gesehen weist auch diese Perikope in Richtung Befreiung und gutes Leben.

Recht muss für alle gelten

Es ist – wie an letzten beiden Sonntagen – wieder ein Abschnitt aus der Bergpredigt; und die beginnt bekanntlich revolutionär: Selig die Armen, selig die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit…, und sie setzt mit einer gro­ßen Ermutigung fort: Ihr seid das Salz der Welt, das Licht der Welt. Das sagt Jesus zu den armen Land- und Fischereiarbeitern in Galiläa, zu den Tagelöhnerinnen, den Prostituierten… Sie stellt Jesus ins Zentrum seiner Mission. Ihre Seligpreisungen und den Zuspruch für sie lese ich als Vorzeichen für alle weiteren Aussagen der Bergpredigt und so auch für die Stelle dieses Sonntags. So ist aus der Perspektive derer, die in einer Gesellschaft nicht viel zu sagen haben, die sich nicht auf Kosten anderer durchsetzen können oder wollen, die Forderung nach Gerechtigkeit wie auch die nach der Einhaltung von Regeln zentral wichtig. Recht und Gesetz sind ja stets vor allem dazu da, die Schwachen zu schützen. Diejenigen, die Einfluss haben oder ihn sich verschaffen können, richten es sich eh, wie sie es brauchen. Die weniger Privilegierten müssen sich auf ein Gesetz verlassen können, das für alle gleich gilt. Dass Jesus betont, dass er das Gesetz nicht aufheben will, klingt so gesehen nicht nach rigider Moral, sondern nach Rechtssicherheit für die Einflusslosen.

Vision von einem gemeinsamen guten Leben

Jesus stellt sich bewusst in die Tradition der jüdischen Gesetzeslehre, denn die biblischen Gesetze sind dazu da, ein gerechtes, friedliches und gutes Leben und Zusammenleben für alle zu ermöglichen. Zu dieser Grundlinie will Jesus wieder zurück. Deshalb streicht er die kasuistischen Verästelungen weg; deshalb warnt er vor Gerichten und Gesetzeshütern, in deren Händen sich das Recht gegen die Armen und Schwachen wendet; deshalb fordert er eine erschreckend radikale Treue zu den Weisungen Gottes. Die, die es sich leisten können, schlampig mit dem Recht umzugehen, sind oft die, die die Interessen der kleinen Leute verraten und – zumindest tendenziell – über Leichen gehen. Jesus kämpft gegen ihre Vernebelung dessen, was gut und recht ist, und für die einfache Klarheit von Ja und Nein. In seiner Vision gelingt das gemeinsame gute Leben, weil alle aufeinander achten und miteinander solidarisch sind – und daher niemand verletzen, sondern verzeihen, sich mit Streitpartnern einigen, zur übernommenen Verantwortung in Beziehungen stehen, verlässlich sind…

Jesus predigt für die Armen, Schwachen und Ausgegrenzten – und für alle, die bereit sind, sich solidarisch an ihre Seite zu stellen und die Welt auch aus ihrer Perspektive zu sehen. Gemeinsam mutet er ihnen zu, so zu leben, wie es gut für alle ist: so, dass unter ihnen das Reich Gottes zu wachsen beginnt. Unter diesen Anspruch stellt sich auch die Caritas: Seit 100 Jahren. Solidarisch.

Autorin

Dr.in Veronika Prüller-Jagenteufel ist seit 2018 theologische Referentin in der Caritas der Diözese St. Pölten und Seel­sorgerin im Caritas-Pflegewohnhaus St. Elisabeth.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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