7. Sonntag/23: P. Jacobus Tisch
Seid vollkommen wie euer himmlischer Vater
Das Gebot Aug um Auge, Zahn um Zahn (Ex 21,24) haben die Israeliten von den Babyloniern übernommen, wo es in der Gesetzessammlung des Königs Hammurabi schon früh schriftlich festgehalten ist. Dieses Gebot schützte vor zügelloser Rache. Wenn im Streit jemandem das Auge verletzt oder ein Zahn ausgeschlagen wurde, durfte dafür nicht die Hand abgeschlagen werden. Aug um Auge, Zahn um Zahn war also kein Aufruf zum Gegenangriff, sondern eine Aufforderung zur Mäßigung.
Mit seinem Ich aber sage euch... lädt Jesus ein, über eine geordnete Vergeltung hinaus noch einen Schritt weiterzugehen, nämlich auf Rache und Wiedergutmachung überhaupt zu verzichten. Stattdessen sollen wir den Weg der Liebe antreten. Jesus begründet seine Aufforderung mit dem Hinweis auf Gott, der die Sonne aufgehen lässt über Guten und Bösen und der seinen Regen fallen lässt auf Gerechte und Ungerechte. Es ist die Liebe, die Gott dies tun lässt. Der Mensch als Gottes Ebenbild soll seinem Verhalten nacheifern. Wie Gott keine Rache nimmt und auf einer Wiedergutmachung nicht beharrt, so sollen auch wir uns davon verabschieden.
Vergeben – ein aktiver Kampf
Jesus möchte, dass wir dem Bösen das Gute entgegensetzen, ja das Böse regelrecht durch die Liebe unterlaufen. Dabei hat auch Jesus nicht alles Böse geschluckt und widerspruchslos hingenommen. Er hat zum Bösen nicht geschwiegen. Aber er hat sich stets geweigert, Unrecht mit Unrecht zu vergelten. Die Liebe dem Bösen entgegenzusetzen ist kein schwächliches Nachgeben, sondern ein höchst aktiver Kampf – um dem Bösen, das sich bei Vergeltung gern hochschaukelt und endlos ausweitet, den Boden zu entziehen.
Neben dem Verzicht auf Rache und Vergeltung spricht Jesus unseren Umgang mit der Liebe an: Sicher ist es gut und schön, wenn wir auf geschenkte Liebe mit Gegenliebe antworten. Wie viel mehr Freude und Herzlichkeit gäbe es unter uns, wenn wir aufmerksamer im Danken und Vergelten im Guten wären. Aber nur dafür muss man nicht notwendig Christ sein. Jesus will uns zeigen, dass wir zu weit Größerem fähig sind. Er möchte, dass wir dieses allgemein menschliche Verhalten der Gegenseitigkeit übersteigen. Den Christen soll Gott vor Augen stehen. Er wartet mit seiner Liebe nicht, bis wir ihn lieben. Gott begrenzt und dosiert sein Liebe nicht, sondern schenkt sie zu jeder Zeit uneingeschränkt.
Jesus möchte, dass wir dem Bösen das Gute entgegensetzen, ja das Böse regelrecht durch die Liebe unterlaufen.
Jesus war Realist und wusste, wie wir uns mit ungebrochener Liebe schwertun. Aber er wusste auch, wie schnell wir versucht sind, uns vor der Mühe zu drücken, Liebe, zu der wir fähig wären, in ihrem Umfang und in ihrer Tiefe auszuschöpfen. Hier will er ansetzen. Wir sollen jenen Menschen aus uns machen, der wir sein könnten. Darum fordert er uns auf, vollkommen zu sein wie der himmlische Vater. So wie Gott sollen auch wir bemüht sein, unsere Liebe in ein Ausmaß und in einen Umfang zu bringen, wo ein Gibst du mir, so gebe ich dir weit übersprungen wird. Weil wir dies könnten, darum sollen wir unsere Liebe nicht auf Sparflamme setzen.
Bitten wir also Gott um ein Wachsen in der Liebe. Verstärken wir die Sehnsucht in uns, immer neu aus dem gängigen Alltagschristentum auszusteigen, um begeistert jener Christ zu werden, der wir sein könnten.
Vergleichen wir uns nicht mit anderen, die wir vielleicht an Liebe, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit übertreffen. Gott ist unser Vorbild. Ihm ähnlich zu werden ist unser Ziel als Christ. Und danken wir Gott, dass er uns seine Liebe nicht entzieht, wenn wir zeitweise oder gar auf langen Strecken hinter dem zurückbleiben, wozu wir mit seiner Gnade und Kraft fähig wären.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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