Wort zum Sonntag von GR Mag. Josef Pichler
„Öffnet die verschlossenen Tore“ – Pfingsten 2020

Ein Brausen, Sturm, Zungen von Feuer sind Zeichen für den mächtigen Geist Gottes, um den wir bitten: Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu. | Foto: Glasfenster im Kloster St. Koloman bei Stockerau. Foto: Schlager
  • Ein Brausen, Sturm, Zungen von Feuer sind Zeichen für den mächtigen Geist Gottes, um den wir bitten: Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.
  • Foto: Glasfenster im Kloster St. Koloman bei Stockerau. Foto: Schlager
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Das allererste Ostern wurde nicht in einer vollen Kirche mit Halleluja-Gesang gefeiert. Nein, die Jünger waren eingeschlossen im Abendmahlsaal. Aus Angst hatten sie die Türen verschlossen. Für sie war es lebensgefährlich, hin­auszugehen. Nur zögernd wollten sie den Nachrichten der Frauen glauben, dass Jesus auferstanden sei. Sollte das Leben wirklich über den Tod gesiegt haben, das Licht über die Finsternis?
Erst nach und nach verließen sie ihre Häuser, ermutigten und bestärkten einander im Glauben an den auferstandenen Herrn. Erst langsam begannen sie zu feiern und sich zu freuen, zuerst in ihren Hauskirchen und dann in den kleinen, neu entstehenden urchristlichen Gemeinden.

Das erste Pfingsten

Fünfzig Tage später, am ersten Pfingstfest, ein ganz anderes Bild: Inzwischen hatte es Tage gegeben, an denen 3000 Menschen auf einmal zur christlichen Gemeinde hinzukamen. Inzwischen hatte es das freimütige Glaubenszeugnis des Petrus gegeben, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Wunder waren geschehen. Gefängnistore hatten sich geöffnet. Keine verschlossenen Türen mehr, sondern die Einsicht der Gegner: Wenn diese Kraft von Gott kommt, dann werden wir sie nicht aufhalten können. Gottes Geist selbst hatte ganzen Völkern die Tür zum Glauben geöffnet. Und zu Pfingsten selbst: ein Brausen, ein Sturm, Zungen von Feuer, der mächtige Geist Gottes, der Sprachen verstehen ließ und Völker zur Einheit zusammenführte.

Pfingsten 1945

Die Gedenkfeiern der letzten Wochen zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren haben uns bewusst gemacht: In den Jahrhunderten der Welt- und Kirchen­geschichte gab es immer wieder Zeiten von verschlossenen und offenen Türen. Einerseits Zeiten von Verfolgung und Unterdrückung, andererseits frühlingshafte Aufbrüche mit weit geöffneten Türen und Herzen.

Unser geschätzter ehemaliger Pfarrer von Groß-Siegharts, Richard Frasl, hatte im KZ Dachau bei der Pflege der Typhus­kranken seine Mitbrüder und Schicksalsgefährten aufzurichten versucht mit den Worten: „In der Nächstenliebe soll uns niemand übertreffen!“

Ende April 1945 wurden die Tore des KZ Dachau geöffnet, elf Tage vorher war Pfarrer Frasl selbst an Typhus verstorben, er konnte die Befreiung nicht mehr erleben.

Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg in Österreich zu Ende, am 20. Mai 1945 haben die Christen in unserem Land Pfingsten gefeiert. Obwohl alles in Trümmern lag, gab es doch so viele, die an dieses Österreich glaubten, auch aus ihrem christlichen Glauben heraus.

Pfingsten 1955

Schon 1952 hatte man am Wiener Stephansplatz die in St. Florian neu gegossene Pummerin als Zeichen der Einheit und des Wiederaufbaues mit großem Jubel begrüßt. Unvergesslich blieben drei Jahre später die Worte des ös­ter­rei­chi­schen Außenministers Leopold Figl nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955: „Österreich ist frei!“ Wie kaum ein anderer wusste er als gläubiger Mensch diese Freiheit zu schätzen, nachdem er selbst unbeschreibliches Leid im KZ Dachau überlebt hatte. Zwei Wochen später, am 29. Mai 1955, feierten die Christen Pfingsten, dankbar für die neu erlangte Freiheit, auch ihren Glauben wieder öffentlich bekennen zu dürfen.

Pfingsten 2020

Die Einschränkungen der Corona-Krise haben uns gelehrt, Kirchentüren und Menschenherzen offen zu halten für den Geist Gottes. Diese Zeit hat uns gelehrt: Wir sind nur Gäste auf dieser Erde, nicht Herrscher. Plötzlich wurden die Werte von Macht und Geld relativiert. Unser Planet atmet auf, die Vögel zwitschern und die Pfingstrosen blühen. Vielleicht haben wir auch gelernt, die Freiheit des Glaubens und die Gemeinschaft des Gebetes neu zu schätzen. Und wieder von neuem zu bitten: Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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