Wort zum Sonntag von Pfarrer i. R. Johann Zarl
Kein Leben ohne Wandlung
Der 4. Ostersonntag ist traditionell der „Gute-Hirten-Sonntag“, der Weltgebetstag um Geistliche Berufe! Dazu ein Erlebnis von meiner ersten Israelreise als Student.
Mit unserem Reiseführer, einem Franziskanerpater, sind wir zu einem Brunnen gekommen, wo gerade mehrere Hirten mit ihren Herden waren, um ihren Schafen die Gelegenheit zu geben, Wasser zu trinken.
Die Schafe liefen quer durcheinander und eine unserer ersten Fragen war: „Wie findet hier jeder Hirt wieder seine eigenen Schafe?“ Ein Hirt zeigte es uns. Er stellte sich etwas abseits und ließ seine Stimme erschallen. Sogleich kam Bewegung in die Herde und die Schafe sammelten sich um ihren Hirten. Er ließ es dann auch einem von unserer Gruppe versuchen. Er gab ihm dazu seinen Hirtenstab, setzte ihm seinen Hut auf und hängte ihm seinen Mantel um. Er solle jetzt nach den Schafen rufen. Er machte es mit großem Einsatz, aber sein Bemühen war umsonst. Die Schafe kümmerten sich nicht um ihn. Der Hirt erklärte uns: „Ich kenne meine Schafe, aber auch meine Schafe kennen mich! Sie kennen meine Stimme und werden daher auch keinem anderen Hirten folgen.“
Auf unsere Frage: „Kommt es nicht doch ab und zu doch vor, dass ein Schaf einem fremden Hirten folgt?“, gab der Hirt zur Antwort: „Ja, das kommt ab und zu vor, aber es ist ein Zeichen, dass das Schaf krank ist.“
Ich muss öfter an dieses Erlebnis denken. Warum sind wir heute so orientierungslos geworden? Sind wir krank? Ist die Welt heute krank? Ist die Kirche krank? Sind ihre Hirten krank?
Welches bisher noch nicht entdeckte Virus hat uns erfasst? Macht? Egoismus? Gleichgültigkeit?
Im letzten Jahr brannte vor Ostern die Pariser Kathedrale Notre Dame nieder. Dieses Jahr sind hunderttausende Kirchen vieler Kontinente in der Fastenzeit und zu Ostern leer. Ich hätte nie gedacht, dass ich es als Priester erleben muss, dass ich am Gründonnerstag den Gottesdienst feiern werde, bei dem wir weniger Menschen in der Kirche sind als damals in Jerusalem beim Letzten Abendmahl. Heuer war das der Fall. Wir waren in der großen Kirche fünf Menschen.
Was möchte Gott uns sagen?
Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht. Was möchte Gott uns damit sagen: Priestermangel, Großbrand in Notre Dame, leere Kirchen zu Ostern? Haben wir in unserer lauten Zeit das Hören verlernt? Berufung braucht Hörende. Hören nicht auf sich, sondern auf ihn! Das aber hat Konsequenzen und fordert zur Umkehr auf.
Umkehren ist kein Schlagwort der Fastenzeit, es ist ein Grundwort unserer Existenz im religiösen wie im weltlichen Leben.
Vielerorts hört man: Nach Corona wird alles anders sein. Corona wird die Welt nachhaltig verändern. Wenn ich ehrlich bin: Das wünsche ich mir und ich hoffe, dass wir nachher nicht wieder in den gleichen Wahnsinn zurückfallen.
Sie kennen vielleicht das Wort von Lothar Zenetti: „Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste in der Messe ist und sie werden antworten: Die Wandlung. Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist und sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben, wie es ist!“
Ohne Wandlung gibt es keine Messe, ohne Wandlung zur Auferstehung bleiben wir im Tod. Ohne religiöse Wandlung erstarrt unser Glaube, ohne menschliche Wandlung führen wir unsere Erde in den Untergang.
Waren die leeren Kirchen zu Ostern vielleicht doch nicht umsonst? Kehren wir wieder um! Werden wir Hörende! Wir alle sind von Gott Berufene! Es gibt keinen Mangel an Berufungen. Es gibt nur einen Mangel an Hörenden!
Lange vor Corona wurde das Thema des Weltgebetstages 2020 ausgewählt: „Habt keine Angst!“ Nur ein Zufall?
Beginnen wir bei uns mit der Wandlung und der gute Hirt wird uns auf saftige Weiden führen: Habt keine Angst!
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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