Wort zum Sonntag von Abt Johannes Maria Szypulski OCist
Jesu befreiender Blick auf die Menschen
Die Erzählung der Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus enthüllt ein Paradoxon: Jesus, der „Gott mit uns“, der Auserwählte und geliebte Sohn Gottes, zeigt sich „schwach“. Schon der Prophet Jesaja spricht vom Wesen des Messias: „Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“ (Jes 42,2-3), das heißt, er wird nicht solche Maßnahmen ergreifen, um in der breiten Öffentlichkeit Eindruck zu erregen.
Der Knecht Gottes ist sanftmütig, still und demütig. „Das geknickte Rohr bricht er nicht“, aber selber wird er gebrochen aufgrund seiner Schwäche. „Den glimmenden Docht löscht er nicht aus“, aber andere löschen sein Leben aus. Das Leiden des Sohnes Gottes ist ein starker Beweis dafür, was eigentlich die Sünde ist, für die er seine Arme am Holze des Kreuzes ausgebreitet hat. Die Sünde hat in sich eine destruktive Macht, die Macht der Verblendung, die aber wird nicht nur im Fall des Judas Iskariot, des Verräters, gezeigt.
Befreiender Umgang Jesu mit dem Verräter, mit Wächtern und Mächtigen
Jesu Leiden enthüllt uns, dass Gott in der Person Jesu verletzlich sein kann. Mit seinem Verräter geht Jesus so um wie mit einem freien, loyalen und ehrlichen Menschen, er warnt vor falschen Gedanken, Taten und Wegen. Er will Judas Iskariot innerlich aufrütteln.
Verwunderlich ist auch das Benehmen Jesu gegenüber den Wächtern, die von den Vorgesetzten immer sehr schlecht behandelt wurden. Nun haben sie ein Bedürfnis, sich an den Häftlingen und Verurteilten zu rächen. Ja, die Wächter sind Repräsentanten unserer menschlichen Natur.
Und wie reagiert Jesus? In Jesus geht Gott so weit, dass er von den Menschen ganz brutal verletzt werden kann. Gott schenkt sich dem Menschen wie ein Spiegel, in dem der Mensch seine eigene Kleinheit betrachten kann. Reumütig soll er die vom gemarterten und verworfenen Jesus gebotene Erlösung entgegennehmen.
Es gibt in der Leidensgeschichte noch eine interessante Handlung, nämlich die Begegnung des Pilatus mit Jesus. Pilatus ist ein Bürokrat und gewohnt, das Amt des Statthalters auszuüben. Er muss so wirken, dass er diese Prestigestellung nicht verliert.
Von Rom kommen alle möglichen Befehle, die er erledigen muss und von unten erreichen ihn Angst machende Stimmen der Unzufriedenheit. Er muss schauen, dass er in allen Dingen das Gleichgewicht bewahren kann – das ist sein tägliches Brot und seine Verpflichtung.
Jesus will Pilatus weder schmeicheln noch ihn ablehnen, sondern tritt mit ihm in einen befreienden Dialog. Er möchte ihm helfen, in sich hinein zu gehen, um zu schauen, was in seinem Innern los ist. Welche Macht erlaubt ihm nicht, echt frei zu sein? Welche menschliche Gunst und Befürchtungen hemmen ihn, der Wahrheit zu folgen?
Christus bietet auch dem Pilatus seine erlösende Hilfe, denn er kann nicht „selbst sein“, er kann nicht seine Würde und die Freiheit bewahren, ihm fehlt die Fähigkeit, entschlossen der Wahrheit zu folgen.
So einen befreienden Dialog will Jesus mit jedem von uns führen, damit nicht irgendeine Form von Konformismus uns den Weg zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit blockieren kann.
Das Leiden Jesu bleibt stets ein Beweis der Liebe Gottes zu uns, die stärker ist als die Sünde und der Tod. Das sollen wir bedenken, gerade angesichts der Prüfung unseres Lebens und Glaubens, die wir im Zeitalter des Corona-Virus erleben. Mit Zuversicht und Hoffnung blicken wir in die Zukunft ohne Corona-Virus, die uns der Herr schenken wird. Möge Gott unsere Stärke und stete Begleitung sein.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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