31. Sonntag: Wilhelm lmkamp
Die Leiter zu Jesus suchen

Wie Zachäus die Leiter zu Jesus suchen und die Mühe auf sich nehmen, ihn sehen zu wollen – das macht den Unterschied zwischen dem scheinbaren Glück der Selbstzufriedenheit und dem Wagnis der Begegnung, die zu einem veränderten, neuen Leben führt.	 | Foto: Leopold Schlager
  • Wie Zachäus die Leiter zu Jesus suchen und die Mühe auf sich nehmen, ihn sehen zu wollen – das macht den Unterschied zwischen dem scheinbaren Glück der Selbstzufriedenheit und dem Wagnis der Begegnung, die zu einem veränderten, neuen Leben führt.
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Steuerhinterziehung, Schuldenerlass für die „Dritte Welt“, Pflege nachwachsender Rohstoffe, Energiekrise, Wirtschaftsstandorte, Inflation und Steuerpolitik – alles Themen, die uns aus den Nachrichten wohlbekannt sind. Sie bezeichnen auch den Hintergrund, vor dem das heutige Evangelium gelesen werden sollte. Lucius Licinius Lucullus (zirka 117–57 v. Chr.) hatte einen faktischen Schuldenerlass und eine Steuerreform eingeführt, die die schlimmste Ausbeutung verhindern sollte. Ausgerechnet der Mann, der als Feinschmecker – berühmt für seine Festmähler – noch heute im Fremdwort „lukullisch“ allgegenwärtig ist, war der Begründer einer Steuerreform, der Zachäus seinen Job und seinen Reichtum verdankt.

Steuerfachleute wissen, wie schwierig die Steuerschätzung ist, dabei ist sie für staatliche Planungssicherheit entscheidend. Die Römer umgingen diese Schwierigkeit, indem sie die Steuer privatisierten und bestimmte Steuerbe­zirke an den Meistbietenden verpachteten. Römische Bürger aus dem Ritterstand gründeten regelrechte Steuerpachtgesellschaften. Der „Oberzöllner“ Zachäus im Evangelium dieses Sonntags dürfte wohl eine Art Geschäfts­führer einer solchen Steuerpachtgesellschaft gewesen sein. Die Stadt Jericho, die mit ihren Balsamölanlagen ein bedeutender Wirtschaftsstandort mit satten Gewinnen für viele war, ist der Schauplatz des heutigen Evangeliums.

In Jericho blüht nicht nur die Wirtschaft, sprudeln nicht nur die Steuereinnahmen; dort wächst auch der Maulbeerfeigenbaum, der einen Meter dick und 15 Meter hoch werden kann. Das Holz dieses Baums ist leicht und geradezu unverwüstlich. Ideales Bauholz, ägyptische Mumiensärge sind oft aus diesem Holz gearbeitet.

Begehrtes Holz des Maulbeerfeigenbaums

Steinreich, aber sozial isoliert und auch noch kleinwüchsig – Zachäus hatte keine Chance, die Menschenmenge, die Jesus umgab, zu durchdringen. Aber wenigstens einen Blick wollte er auf den berühmten Rabbi werfen, und er steigt auf einen Maulbeerfeigenbaum. Der Baum wird für ihn zur Leiter, jetzt kann er Jesus sehen, und Jesus sieht ihn – und lädt sich bei ihm zum Essen ein, und Zachäus „nahm Jesus freudig bei sich auf“. Natürlich empören sich die Leute: Ausgerechnet bei diesem Vertreter der Besatzungsmacht, der mit Kollaboration viel Geld macht, kehrt Jesus ein.

Jesus setzt sich über die allgemeine Stimmung souverän hinweg. Ihn interessiert der Mann, der seine sozialen und physischen Benachteiligungen so engagiert überwunden hatte, nur um ihn zu sehen. Die Begegnung wird zur Bekehrung, und die Bekehrung hat finanzielle Folgen: Die Hälfte seines Vermögens verschenkt der Oberzöllner an die Armen. Falls er zuviel gefordert haben sollte, will er das Vierfache zurückzahlen, genau wie es vorgeschrieben war (Ex 21,37).

Die Geschichte einer Bekehrung: die eigenen Schwächen überwinden, alles versuchen, um Jesus zu sehen, seiner Einladung folgen und daraus Konsequenzen für den Alltag des weiteren Lebens ziehen. Der Maulbeerfeigenbaum wird zur Leiter, die uns dem Herrn nahebringen könnte, wenn wir denn nur aufsteigen würden! Haben wir wenigstens schon den Fuß auf die Leiter gesetzt, oder stehen wir mit beiden Füßen im Sarg unserer Alltagssorgen und -zwänge?

Das Holz der Leiter und das Holz des Sarges stammen vom gleichen Baum. Suchen wir in unserem Leben die Leiter zu Jesus, wagen wir den Aufstieg, oder resignieren wir im Sarg als Mumien unserer Selbstzufriedenheit? Lebendiges Holz der Leiter oder totes Holz des Sarges – das ist die Frage, die uns in diese Woche hinein begleiten sollte. Wenn wir in dieser Woche von Schuldenerlass, nachwachsenden Rohstoffen, Energieknappheit und Steuerbetrug lesen, dann sollte uns Zachäus einfallen und das Holz des Maulbeerfeigenbaums. Sie sollten uns an die Alternative erinnern: Leiter oder Sarg? Wir haben die Wahl!
Wilhelm lmkamp / KNA

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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