Wort zum 7. Sonntag in der Osterzeit - von Winfried Reers
Bewahren kann sehr dynamisch sein
Bei Gefahr Scheibe einschlagen, Knopf drücken und Ruhe bewahren!“, heißt es in der Bedienungsanweisung für einen Feuermelder. Oder eine Verkäuferin gibt den gut gemeinten Rat: „Bewahren Sie bitte die Quittung gut auf; sie gilt als Garantieschein!“ Im heutigen Evangelium kommt auch dreimal das Wort „bewahren“ vor. „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen“, sagt Jesus in seinem Abschiedsgebet im Kreise seiner Jünger. Und, zurückblickend auf sein Leben, stellt er fest: „Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen“. Und seine Bitte: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.“ Was denken wir, wenn wir „bewahren“ sagen? Meinen wir: eine Sache aufheben, sie in eine Schublade stecken? Meinen wir ein starres: „Das ist so, und das bleibt so“? Bedeutet „bewahren“ also: Alle Dinge des Lebens und des Glaubens sind festgelegt, ein für allemal? Dann würde „Bewahren“ etwas sehr Statisches sein, im Sinne von: etwas aufbewahren, etwas einschließen.
Zwischen Festhalten an Altem und Offenheit für neue Fragestellungen
Das „Bewahren“ kann man aber auch als etwas Dynamisches sehen. Jesus hat es so verstanden, als er betete: „Bewahre sie in deinem Namen.“ Nur wenn wir „bewahren“ nicht mit „aufbewahren“ oder „krampfhaft festhalten“ verwechseln, können wir etwas von dem verstehen, was Jesus uns in seinem Abschiedsgebet sagen wollte. Im Wort „bewahren“ steckt das Wort „Wahrheit“. „Bewahren“ heißt also: zur Wahrheit finden, in der Wahrheit bleiben. Und das ist nichts Starres oder Totes. Ein Beispiel: Zwei Menschen lieben sich. Sie suchen nach dem Glück und der Wahrheit ihres Lebens: Was ist für uns der richtige Weg? Sie sprechen darüber, entwerfen Pläne und verwerfen sie auch wieder. Sollen wir es wagen, eine Ehe einzugehen? Bist du wirklich die Person, die für mein Leben bestimmt ist, oder ist alles nur eine erste Verliebtheit, die schnell platzen kann wie eine Seifenblase? Zwei Menschen suchen nach dem Lebensentwurf, den Gott für sie vorgesehen hat. Und was sie schließlich nach vielen Überlegungen, Versuchen und Plänen finden, das werden sie sich „bewahren“.
Diese Erfahrungen kann ihnen niemand mehr nehmen. Dieses „Bewahren“ hat eine Geschichte, die mit dem konkreten Menschen verbunden ist. So versteht Jesus „bewahren“, wenn er sagt: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen.“ Und: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.“ Wir sollen uns auf die Suche nach der Wahrheit unseres Lebens machen. Das ist nichts Statisches, das ist etwas Dynamisches. Das ist ein Weg, der vor uns liegt. Das ist Beschäftigung mit der Zukunft, nicht mit der Vergangenheit. Da muss probiert, versucht und gewagt werden, auch auf die Gefahr hin, einmal nicht gleich das Richtige zu finden. Soviel steht fest: Diejenigen in der Kirche, die lauthals alle Reformbewegungen ablehnen mit dem Hinweis, man müsse das Alte treu bewahren, die können sich nicht auf das heutige Evangelium berufen. Denn wer bewahrt mehr den Glauben? Diejenigen, die mit dem Hinweis: „Es ist doch alles klar und geregelt!“ weitere Überlegungen verbieten und Diskussionen für unnötig halten? Oder jene, die offen bleiben für neue Fragestellungen, Argumente überdenken und abwägen und sich mitbeteiligen an der Suche nach der Wahrheit im Geist des Evangeliums?
Wir dürfen nach der Wahrheit suchen und uns ihr stellen, ja wir dürfen sogar Umwege gehen und Irrtümer riskieren, weil Gott, uns bewahrt, das heißt immer wieder zur richtigen Wahrheit führt. So, wie Jesus es für uns erbittet: „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.“
Von Winfried Reers (KNA)
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.