Interview mit Christian Wehrschütz
Glaube verdient Respekt

Die Buchpräsentation mit ORF-Korrespondent Chris­tian Wehrschütz in Salzburg stieß auf reges Interesse. Vor der launigen Präsentation sprach der Ukraine-Experte im Interview auch über ernstere Themen rund um den Krieg in der Ukraine. | Foto: RB/tom
  • Die Buchpräsentation mit ORF-Korrespondent Chris­tian Wehrschütz in Salzburg stieß auf reges Interesse. Vor der launigen Präsentation sprach der Ukraine-Experte im Interview auch über ernstere Themen rund um den Krieg in der Ukraine.
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Christian Wehrschütz, der als ORF-Korrespondent aus der Ukraine berichtet, hat sein bislang persönlichstes Buch geschrieben. Im Interview verrät er, wie er den Ukraine-Besuch von Erzbischof Franz Lackner einordnet und wie er es mit dem Glauben hält.

Nur für wenige Tage hat ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz seinen Einsatzort im ukrainischen Kriegsgebiet verlassen, um erst im Pfarrsaal Zell am See und danach in der Stadt Salzburg vor vollen Besucherreihen sein neuestes Buch zu präsentieren. Die in Salzburg lebende Familie des gebürtigen Grazers ist das gewohnt. Negativrekord war das Jahr 2014, in dem Wehrschütz nur 20 Tage zu Hause verbracht hat. Seit er 1999 vom ORF als Balkanexperte nach Belgrad entsandt wurde, war der Romy-Preisträger 2022 in jedem einzelnen Jahr länger im Ausland als in Österreich.


Sie wirken entspannt und gut gelaunt. Ist nicht vor kurzem erst Ihr Hotel im Kriegsgebiet mit Granaten beschossen worden?

Christian Wehrschütz: Ja, das war knapp. Das größte Glück hatte mein Fahrer, durch dessen Zimmer das Schrapnell geschossen ist. In meinem Raum gab es keine großen Schäden, es ist nur durch die Druckwelle ein Teil der Deckenleisten runtergebrochen. Wenn man aus einer Stadt berichtet, die mit Artillerie beschossen wird, kann man immer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort sein. Damit muss man leben.

War das die bislang gefährlichste Situation in Ihrer Journalistenkarriere?

Wehrschütz: Es war sicher eine davon, aber ich beschreibe im Buch auch ein Ereignis in Mazedonien. Dort hielt ich mich in einem Kontrollposten auf, während ein Albaner eine Handgranate hineinwerfen wollte. Es gab immer wieder gefährliche Situationen.

Sie schreiben zur Gefahr der Einsätze in Kriegsgebieten, dass man dabei „immer in Gottes Hand“ sei. Sind Sie denn ein gläubiger Mensch, der auf Gott vertraut?

Wehrschütz: Ich bin katholisch erzogen worden und war Ministrant bei den Grazer Franziskanern. Heute bin ich eher agnostisch veranlagt, aber ich sehe keinen Widerspruch zwischen moderner Forschung und dem Glauben an die Existenz eines höheren Wesens. Europa beruht auf der griechischen Philosophie, dem römischen Recht und dem christlichen Abendland. Vom römischen Recht ist – außer in Jus-Vorlesungen – nicht mehr viel geblieben, die griechische Philosophie ist auch weitgehend vergessen und das christliche Abendland hat nicht einmal Einlass in die gescheiterte EU-Verfassung gefunden. Eine Gesellschaft, die außer politischen Modeströmungen keine Grundwerte hat, wird nicht lange Bestand haben. Daher halte ich diese Basis im Christentum für sehr wichtig. Persönlich feiern wir mit der Familie demnächst die Adventzeit und den Heiligen Abend. Ich habe eine positive Grundstimmung und fühle mich beim Besuch einer katholischen Kirche zu Hause.

Ihr Buch trägt den Titel „Mein Journalistenleben – zwischen Darth Vader und Jungfrau Maria“. Sie berichten darin auch respektvoll von den Wallfahrten nach Medjugorje.

Christian Wehrschütz: Die tiefe Gläubigkeit, die mir dort begegnet ist, hat mich zutiefst berührt. Ich finde es verachtenswert, wie einige Journalisten diese Frömmigkeit ins Lächerliche ziehen. Darüber macht man sich nicht lustig, weder als Journalist noch als Mensch.

Sie berichteten auch vom Ukraine-Besuch Erzbischof Franz Lackners. Sind solche Solidaritätsreisen in Ihren Augen sinnvoll?
Christian Wehrschütz:
Zentraler Punkt war für mich das Zusammentreffen mit den Leitungsorganen der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Das bringt auf jeden Fall etwas, weil man damit zeigt: Wir denken an euch, ihr gehört in allen möglichen Bereichen zu uns. Insofern ist gerade diese Form der Kontaktpflege sehr wichtig.


Wir alle haben keine Kristallkugel, um in die
Zukunft zu blicken. Würden Sie trotzdem eine Prognose wagen, wie es mit dem Krieg in der Ukraine weitergeht?

Wehrschütz: Beide Seiten werden wohl die Winterzeit nutzen, um sich so gut wie möglich aufzustellen und zu modernisieren, dann wird man sehen, wie der Abnützungskrieg weitergeht.

Gibt es eine realistische Hoffnung auf ein Ende?

Wehrschütz: Bis zum Sommer nächsten Jahres geht es auf jeden Fall weiter. Wir wissen nicht, wie Europa und die USA weiter reagieren und ich sehe auch nicht, dass von den Kriegsparteien irgendeine Bereitschaft für einen Kompromissfrieden besteht. Man darf nicht vergessen: Der Krieg ist ja auch ein Stellvertreterkrieg zwischen Washington und Moskau, der auf ukrainischem Boden ausgetragen wird. Da ist ein Friedensschluss wie 1995 zwischen Serbien und Kroatien, wo ich diese Form des Stellvertreterkrieges nicht hatte, nicht zu erwarten.

Menschen machen sich auch Sorgen, dass eine „schmutzige“ oder „echte“ Atombombe eingesetzt werden könnte. Wir groß sehen Sie die Gefahr einer nuklearen Eskalation?

Wehrschütz: Ich warne davor, die Gefahr einer atomaren Eskalation einfach nur als russisches Ammenmärchen abzutun. Nachrichtendienste berichten, dass die russische Militärführung diese Frage durchaus erörtert hat. Wir reden heute zum ersten Mal seit der Kuba-Krise wieder über die Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen auf einem euro­päischen Kriegsschauplatz. Nachdem es derzeit keine vielversprechende politische Initiative zu einer diplomatischen Konfliktlösung gibt, ist die Gefahr einer Eskalation also durchaus gegeben – es kann ja auch unabsichtlich passieren.

Ist das Putin wirklich zuzutrauen?

Wehrschütz: Man sollte das Ganze nicht auf Putin reduzieren, nach 20 Jahren ist das ein politisches System. In Russland selbst wird Putin nicht dafür kritisiert, dass er den Krieg führt, sondern dass er ihn nicht richtig führt – nicht konsequent und hart genug. Würde Putin morgen an einem Herzinfarkt sterben, gibt es keine ordentliche Nachfolgeregelung und es ist überhaupt nicht vorhersehbar, was passiert. Es gibt dazu ein Sprichwort: Freu dich nicht, wenn du hörst, dass dein Chef gehen muss, solange du nicht weißt, wer sein Nachfolger wird.

Tut Österreich im Ukrainekrieg genug?

Wehrschütz: Ich glaube, wir leisten im Rahmen dessen, was möglich ist, einen anständigen Beitrag – über den Aufenthalt von Kindern, Müttern, Frauen bis zur Rehabilitation von Verwundeten. Ich glaube sogar, dass wir mit dem Gestatten von Überflügen und Transporten durch Österreich mehr tun, als ein neutraler Staat eigentlich tun dürfte, aber ich bin kein Völkerrechtler.


Sie haben als Ukraine-Korrespondent über unsagbare Gräuel berichtet, wurden dadurch aber zugleich in der Heimat immer populärer. Wie bittersüß ist dieses Gefühl?

Wehrschütz: Ich bin nicht Journalist, um in irgendeiner Weise populär zu werden, sonst hätte ich bei „Deutschland sucht den Superstar“ mitgemacht. Was mich an der ganzen Geschichte sehr freut und berührt, ist die große Anteilnahme der österreichischen Bevölkerung – etwa wenn mir fremde Menschen sagen: „Passen Sie auf sich auf.“ Aber eines ist ganz klar: Ich würde auf das alles gerne verzichten, wenn dafür das Leiden im Ukrainekrieg beendet wäre.

Ihr aktuelles Buch „Mein Journalistenleben“ ist Ihr bislang persönlichstes Werk. Haben Sie schon Pläne für das nächste Buch?

Wehrschütz: Es gibt eine Idee, aber die würde ich erst in einigen Jahren umsetzen: „Durch die Kochtöpfe des Balkan“ – Geschichten über die Balkanküche und ihre Zutaten sowie damit verbunden Reportagen über die Länder. Ich glaube, da gibt es einiges Lustiges zu erzählen.

Autor und Buch

Christian Wehrschütz, Balkan und Ukraine-Experte, ist beim ORF seit 1999 als Auslandskorrespondent im Einsatz. In seinem Buch lässt der Journalist die Leserinnen und Leser daran teilhaben, wie seine Beiträge zustande kommen und erzählt, wie wichtig sein Team ist, das ihn bei schwierigen oder gefährlichen Unternehmungen unterstützt. Über sein neues Buch „Mein Journalistenleben – zwischen Darth Vader und Jungfrau Maria“ sagt er: „Nach drei Sachbüchern ist es mein bislang persönlichstes Werk. Man muss es nicht von vorne bis hinten lesen, sondern kann sich auch zwischendrin einzelne Episoden heraussuchen.“

Christian Wehrschütz; Mein Journalistenleben zwischen Darth Vader und Jungfrau Maria; erschienen im
Verlag edition keiper; Preis € 26,00; 2022; 280 Seiten; ISBN13: 978-3-90 3322-65-3; erhältlich in allen Buchhandlungen.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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