Familie
Buben zeitgemäß erziehen
Exzessives Computerspielen, keine Lust auf Schule, viel Risiko im Sport – typisch für Burschen, vor allem in der Pubertät. Eduard Waidhofer, Gründer der Männerberatung des Landes OÖ, erklärt, was dahinter steckt und was Eltern tun können.
Gibt es wirklich so große Unterschiede zwischen einem Sohn und einer Tochter?
Waidhofer: Die Wissenschaft beweist, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, aber die Gemeinsamkeiten von Buben und Mädchen sind größer. Weil die Hormone in der Pubertät eine große Rolle spielen, treten in dieser Zeit die Unterschiede stärker zu Tage. Der Testosteronspiegel erhöht sich bei Buben in der Pubertät um das Zwanzigfache! Das zeigt sich unter anderem in gesteigertem Antrieb, Agressivität und Risikobereitschaft. Buben finden sich auch häufiger in Gruppen zusammen und weniger in Zweierbeziehungen und orientieren sich stark daran, was die Norm in der Gruppe ist.
Worum geht es Burschen, wenn sie ihre Männlichkeit unter Beweis stellen wollen?
Waidhofer: Sie wollen Männlichkeit demonstrieren durch Kräftemessen, Rivalisieren, Wettbewerb. Wer ist der Stärkste, der Schnellste in der Gruppe? Die Burschen spüren zwar ihre Schwächen, versuchen sie aber zu verbergen – durch cooles und starkes Auftreten oder auch indem sie Schwächere lächerlich machen.
Kann „männlich“ auch anders sein?
Waidhofer: Es gibt Untersuchungen, dass Eltern die Gefühle von Buben weniger wahrnehmen und seltener mit ihnen darüber sprechen. Deshalb lernen viele Buben, dass sie nicht traurig, unsicher oder verängstigt sein dürfen. Es ist daher wichtig, dass Eltern die Gefühle des Sohnes genauso ernst nehmen wie die der Tochter. So kann dieser zu einem authentischen, respektvollen und einfühlsamen Mann heranwachsen. Buben sollten zudem die männliche Vielfalt kennen lernen: Es gibt nicht nur den Mann, der cool und hart ist, sondern es gibt eine große Palette von unterschiedlichen „Männlichkeiten“. Moderne Männer äußern ihre Gefühle, kümmern sich kompetent um ihr Kind und leben eine gleichberechtigte Beziehung.
Warum haben Burschen öfter als Mädchen Schwierigkeiten in der Schule?
Waidhofer: Natürlich gibt es Buben, die in der Schule besser sind als Mädchen, aber durchschnittlich brechen sie häufiger die Schule ab, schwänzen öfter, haben schlechtere Noten. Das hat unter anderem mit ihrem intensiveren Medienkonsum zu tun. Und: Wenn dann die Schulleistung sinkt, führt das zu noch mehr Medienkonsum – eine Negativspirale.
Brav lernen, sich anpassen, am Schreibtisch sitzen, fleißig sein – das gilt oft als „unmännlich“, als mädchenhaft. In der Peer-Group ist Schule daher vielfach negativ besetzt. Gleichzeitig soll man als Bursch aber auch keine Niederlage in Form von schlechten Noten erleiden. Aus dieser Spannung entsteht mitunter störendes Verhalten: den Kasperl machen, die Lehrerin provozieren, gegen Regeln verstoßen. Schule wird dann abgewertet: „Das brauche ich alles nicht.“ Schließlich wird grandiose Männlichkeit inszeniert: „Ich könnte das alles ganz leicht, wenn ich wollte, ich brauche nicht lernen.“ Und Versagen wird auf äußere Umstände zurückgeführt.
Warum ist schulischer Fleiß so negativ besetzt?
Waidhofer: In unserer Gesellschaft nehmen Buben wahr, dass Männer ohne besondere Ausbildung super verdienen können. Fleiß wird eigentlich nicht sehr belohnt; Beziehungen sind für die Karriere oft wichtiger. Sie meinen dann: Ich brauche mich nicht groß anstrengen.
Könnte die Schule buben-freundlicher sein?
Waidhofer: Absolut. Buben brauchen mehr Bewegung, aber in der Regel geht es um Anpassung, Still-Sitzen. Buben lieben den Wettbewerb, sie wollen selber gestalten, selber Projekte entwickeln und durchführen. Sie wollen „als Mannschaft“ etwas bewirken.
Weshalb üben Computerspiele besonders auf Buben eine so starke Anziehung aus?
Waidhofer: Vor allem Buben, die wenige männliche Vorbilder haben, suchen Idole und finden sie auch in den Protagonisten von Computer-Spielen: Denen gelingt alles, sie setzen sich durch, sind mutig, ja auch gewaltbereit. Computerspiele sind faszinierend aufgebaut, man kann in Gruppen spielen, sie vertreiben die Langeweile. Problematisch wird es, wenn die Buben sich sozial zurückziehen und sich in der virtuellen Welt verlieren.
Was können Eltern dann tun?
Waidhofer: Erstens natürlich ein Vorbild sein. Viele Kinder beschweren sich, dass die Eltern zu viel Zeit am Handy verbringen. Des weiteren können Eltern ihren Teenagern attraktive Alternativangebote machen, wie Sport oder Ausflüge, die Medien gemeinsam erkunden, vielleicht gemeinsam am Computer spielen. Wichtig ist, im Gespräch zu bleiben, Interesse zu zeigen und nicht zu nörgeln. Klare Regeln sollten gemeinsam erarbeitet werden.
Wie lernen Burschen, mit Sexualität verantwortungsbewusst umzugehen?
Waidhofer: Viele Eltern tun sich mit diesem Thema schwer, und die Jugendlichen „informieren sich“ dann bei Freunden und im Internet. Buben haben im Unterschied zu Mädchen oftmals ein mangelhaftes Wissen über Sexualität. Wichtig wäre es auch da, dass der Vater als Identifikationsmodell offen mit seinem Sohn über Sexualität redet: wie er damit umgeht, was ihm wichtig ist. Am Vorbild der Eltern lernen Jugendliche, dass Sexualität viel mit Beziehung zu tun hat.
Wie kann man Streit und Machtkämpfe mit dem pubertierenden Jugendlichen vermeiden?
Waidhofer: Eltern sollten mit Verboten sparsam sein und Vorwürfe vermeiden. Es geht darum, als Eltern präsent und innerlich stark zu sein, und nicht darum, Macht auszuüben. Wichtig ist: Konflikte in ruhiger Atmosphäre besprechen – nicht hitzig und laut, aber bestimmt. So wird die elterliche Autorität gestärkt. Mehr als Mädchen brauchen Burschen oft klare Ansagen und Grenzen zur Orientierung.
Interview: Patricia Harant-Schagerl
Autor:Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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