Über 1000jährige wechselvolle Geschichte
Stift Einsiedeln – das Kloster im „Finstern Wald“

Die ausladende Anlage vom Stift Einsiedeln. Das Kloster ist übrigens auch bekannt dafür, mit über 450 Figuren die größte Krippe der Welt zu besitzen.   | Foto: J.-M. Duvosin/Kloster Einsiedeln (2)
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  • Die ausladende Anlage vom Stift Einsiedeln. Das Kloster ist übrigens auch bekannt dafür, mit über 450 Figuren die größte Krippe der Welt zu besitzen.
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Im Herzen der Zentralschweiz, wie der Natur entstiegen und ringsum von Bergen umgeben, liegt in neunhundert Meter Seehöhe die breit angelegte Klosteranlage Einsiedeln, der größte Barockbau der Schweiz: Kloster Einsiedeln blickt auf eine über 1000-jährige wechselvolle Geschichte zurück.

Das erste Kloster in Europa gründete Benedikt von Nursia um 530, und von der Benediktinerabtei Reichenau auf der gleichnamigen Insel im Bodensee zog im Jahr 828 der Einsiedler Meinrad in den „Finstern Wald“. An der Stelle der späteren Gnadenkapelle stand seine Klause mit einem kleinen Betraum. Zusammen mit zwei Raben lebte Meinrad über dreißig Jahre heiligmäßig an diesem Ort. Am 21. Januar 861 kamen zwei Räuber in den Wald, erschlugen ihn und flüchteten. Der Legende nach verfolgten die beiden Raben die Mörder und machten so auf die Schandtat aufmerksam. Die Mönche aus Reichenau holten Meinrad in ihr Kloster zurück und bestatteten ihn mit allen Ehren. Seine Wirkungsstätte, Einsiedeln, wurde als Gnadenort verehrt, und einige Eremiten folgten ihm dorthin nach. Aus Straßburg kam Bruder Eberhard und baute 934 für sie im „Finstern Wald“ ein Klos­ter. Wie vielerorts wurde es auch hier vom Hochadel unterstützt, Herzogin Reginlind und die Ottonen-Kaiser widmeten Stiftungen.

Die kostbaren Handschriften der Einsiedler Schreibstube beweisen das kontemplative Leben, das die Mönche des jungen Klosters führten. Die erste Kirche wurde 948 eingeweiht, und genau an der Stelle von Meinrads Klause errichtete man mitten in der Kirche die Gnadenkapelle. Wahrscheinlich wurden ab dem 13. Jahrhundert im Kloster Einsiedeln nur mehr Adelige aufgenommen. Dadurch gab es im Spätmittelalter so wenige Mönche, dass sich im 16. Jahrhundert die Auflösung abzeichnete. Dem wollten die Schwyzer Schirmherren nicht länger zusehen und erbaten sich aus dem Kloster St. Gallen – von Otmar im Jahr 719 gegründet – einen neuen Abt. Dieser nahm 1526 wieder Bürgerliche ins Kloster auf, und bis zum Beginn der Französischen Revolution stieg die Klostergemeinschaft stark an.

Im 11., 15. und 16. Jahrhundert ereigneten sich große Brandkatastrophen, die zu Erneuerungen und Erweiterungen des Klosters führten. Unter Abt Maurus von Roll wurde nach den Plänen des Klosterbruders Kaspar Moosbrugger von Au im Bregenzerwald schließlich der vollständige Neubau von Kloster und Kirche begonnen. Die Weihe der Kirche unter Abt Nikolaus Imfeld erfolgte 1735. Aus Brüderlichkeit kann es nicht gewesen sein, dass in der Französischen Revolution 1798 die Mönche vertrieben wurden – aber schon nach drei Jahren konnten sie mit ihrem Abt wieder zurückkehren.

In den USA, in Indiana, gründete man 1870 das Tochterkloster St. Meinrad für die deutschsprachigen Einwanderer, und 1948 eines in Los Toldos in Argentinien, 500 Kilometer westlich von Buenos Aires. Aus der ursprünglichen kleinen Klosterschule Einsiedeln entstand 1840 ein humanistisches Gymnasium, das bis 1970 nur Buben besuchten. Derzeit studieren hier 340 Schüler beiderlei Geschlechts. Im Kloster leben heute 47 Mönche, Brüder und Patres sind gleichgestellt und teilen dieselben Rechte und Pflichten. 59. Abt ist der Germanist P. Urban Federer, dem auch die Leitung des 1130 gegründeten Frauenklosters Fahr nächst Zürich unterliegt. In der Propstei St. Gerold im Großen Walsertal in Vorarlberg, die seit dem 13. Jahrhundert zu Einsiedeln gehört, übernimmt heuer der Philosoph und Psychologe P. Martin Werlen, ein erfolgreicher Bestsellerautor, die Aufgabe als Abt.

Alljährliche „Engelweihe“

Rund eine halbe Million Menschen besuchen das Stift alljährlich – darunter auch viele Pilger aus Österreich. Als Erstes streben die Besucher meistens die Klosterkirche an mit der berühmten Gnadenkapelle der Schwarzen Madonna. Der Eindruck der Deckenfresken, Stukkaturen, Altäre und Kanzel in ihrer lebhaften barocken Fülle und Farbigkeit ist überwältigend. Im Hochaltar ist das Haupt des heiligen Meinrad aufbewahrt, das manchmal zur Verehrung ausgestellt wird. Der größte Anziehungspunkt für die Pilger ist jedoch die Gnadenkapelle, die in der Mitte im Inneren der Klosterkirche steht. Der Legende nach ist sie von Christus selbst eingeweiht worden. Die Überlieferung dazu besagt: Als am 14. September 948, am Fest der Kreuzerhöhung, Abt Eberhard von Einsiedeln den Hochadel und die Bischöfe Adalrik von Augsburg und Conrad von Constanz zur Einweihung der Kirche und der Kapelle einlud, wurden sie alle Zeugen einer Weihezeremonie, wie sie von Jesus Christus zu Ehren seiner Mutter, im Beisein von Engeln und Heiligen, vorgenommen wurde. Als Bischof Conrad nun zur Durchführung seiner Weiheaufgabe schreiten wollte, hörten sie die laute Stimme: „Frater cessa! Divinitus consecrata est.“ („Bruder, höre auf! Sie ist bereits göttlich eingeweiht.“) Der Bischof ließ bei der Kapelle Chris­tus den Vortritt und weihte nur mehr die Kirche. Dieses Ereignis wird auch heute noch die „Engelweihe“ genannt, und am 13. und 14. September als wichtigs­tes Wallfahrtsfest feierlich begangen.

Auf einem Altar im Inneren der Gnadenkapelle steht die romanische Statue der Schwarzen Madonna. Die schwarze Färbung geht auf den Ruß der vielen Kerzen und Lampen zurück, die Tag und Nacht davor brennen. Als ein Restaurator ihn einmal entfernte, war der Protest der Gläubigen so groß, dass er die dunkle Farbe mittels Bemalung schnell wiederherstellte. So ist die Madonna eben schwarz, nicht von Geburt, sondern von Wallfahrer-Gnaden.

Die textile Bekleidung, „Behang“ genannt, wurde erstmals 1587 gestiftet, in der typischen Hoftracht der Frühbarockzeit. Die bestehenden 35 Garnituren werden bis zu zwanzig Mal im Jahr gewechselt. Maria und Jesus tragen goldene Kronen und Schmuck, die als Votivgaben gespendet wurden. Die Jubiläumskrone von 1861, zum tausendsten Todestag Meinrads, stiftete Kaiserin Eugenie, Gemahlin Napoleons III.

Klosterbibliothek umfasst über 230.000 Bände

Auch weitere Räumlichkeiten laden zum Besuch ein: der Große Saal von 1706, mit historischen Wandbildern; die Magdalenakapelle; das Oratorium, das einmal Sakristei war, 1912 Studentenkapelle wurde und jetzt Mehrzweckraum ist; die Unterkirche; der Theatersaal. Es ist alles freudig und mit Hingabe belebt – akustisch am wahrnehmbarsten naturgemäß im Schultrakt.

Bibliophile Besucher erbauen sich an der über tausendjährigen Stiftsbibliothek. Sie umfasst 1.280 wertvolle Handschriften, 1.100 Frühdrucke und 230.000 Bände aus allen Wissensgebieten. Besondere Kostbarkeiten sind Einsiedler Pergamenthandschriften aus dem 1. Jahrtausend, die älteste von 940 und eine von 1100; interessant ist ein Paulusbrief an die Römer, mit einer handschriftlichen Randnotiz von Reformator Huldrych Zwingli, der ab April 1516 für einige Monate im Kloster Einsiedeln weilte, oder eine Zürcher Bibel, 1531 gedruckt von Christoph Froschauer.

Im Jahr kommen eine halbe Million Menschen ins Dorf und Kloster Einsiedeln. Die Wallfahrt ist das größte Anliegen, das entsprechenden Einsatz verlangt. Die Erhaltung eines Gemeinwesens dieser Bedeutung erfordert aber auch umfangreiche praktische Arbeiten. Land- und Forstwirtschaft hat das Kloster zum Teil ausgelagert. 180 Angestellte sind jedoch zusätzlich in den Handwerkstätten voll eingesetzt: Buchbinder, Gärtner, Maler, Maurer, Säger, Schmiede, Schneider, Tischler, Steinmetze, Elektriker und Installateure. Eine ganz spezielle Aufgabe stellt zudem die Pferdezucht dar. Im ältesten Gestüt Europas werden seit über tausend Jahren die „Cavalli della Madonna“ gezüchtet.

Umbauten, Ausbauten und Renovierungen verlangten im Laufe der Jahrhunderte den Äbten immer wieder viel an mentaler und finanzieller Energie ab, trugen aber auch viel dazu bei, dass sich das Kloster heute so eindrucksvoll präsentieren kann und zu einem Zentrum des christlichen Pilgerlebens in der Schweiz und ganz Europa werden konnte. Traude Walek-Doby

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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