Enzyklika „Fratelli tutti“
Vision einer Welt der Geschwisterlichkeit

Papst Franziskus reiste am 3. Oktober eigens in die Pilgerstadt Assisi, um am Grab des heiligen Franziskus eine Messe zu feiern und die neue – nach einem Wort des „Poverello“ Franz von Assisi benannte – En­zyklika „Fratelli tutti“ zu unterzeichnen. | Foto: Vatican Media/Romano Siciliani/KNA
  • Papst Franziskus reiste am 3. Oktober eigens in die Pilgerstadt Assisi, um am Grab des heiligen Franziskus eine Messe zu feiern und die neue – nach einem Wort des „Poverello“ Franz von Assisi benannte – En­zyklika „Fratelli tutti“ zu unterzeichnen.
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Wie die 2015 veröffentlichte Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ ist auch die dritte Enzyklika von Papst Franziskus „Fratelli tutti“ von Franz von Assisi inspiriert. Am 3. Oktober unterzeichnete er das Schreiben in Assisi am Grab des Heiligen, an dessen Festtag, dem 4. Oktober, wurde es in acht Sprachen veröffentlicht.

An den Titel des Schreibens werden wir uns gewöhnen müssen. „Fratelli tutti – über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ führt die Reihe der Sozialen­zyk­li­ken fort. Papst Franziskus wendet sich mit einem eindringlichen Plädoyer für Geschwisterlichkeit und Freundschaft über alle Grenzen hinweg an die Menschheit und mahnt zu einer Abkehr von Egoismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Nur so ließen sich die Folgen der Corona-Pandemie und globale Herausforderungen wie soziale Ungleichheit und Migration bewältigen. Hatte er in seiner Umweltenzyklika „Laudato si“ 2015 den Blick auf die Erde als „gemeinsames Haus“ gelenkt, das es für künftige Generationen zu erhalten gelte, so skizziert er in „Fratelli tutti“ die Umgangsregeln für die „Hausbewohner“.

Der Papst träumt: Es müsse eine Welt möglich sein, in der sich Menschen als Brüder und Schwestern anerkennen, Konflikte im Dialog lösen und auf dem Weg der Entwicklung niemanden zurücklassen, sondern allen Raum zur Mitgestaltung geben. Das sei „keine pure Utopie“. Mit der Hoffnung seiner 83 Jahre hat Papst Franziskus seine Vision den katholischen Gläubigen und der gesamten Welt als Lehrschreiben vorgelegt. Was ihn dazu antreibt, wiegt schwer: die globale Ungleichverteilung von Ressourcen und Chancen, die Ausgrenzung ganzer Schichten und Nationen, eine ungebrochene Tendenz, Eigeninteressen den Vorzug vor Solidarität zu geben. Die Covid-Pandemie hat es für den Papst als trügerische Illusion entlarvt, „zu glauben, dass wir allmächtig sind, und zu vergessen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen“.

In dem 287 Artikel umfassenden Text wirbt Franziskus dafür, nach dem Vorbild des heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) andere Menschen unabhängig von Herkunft oder sozialer Zugehörigkeit in freundschaftlicher Offenheit „anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben“. Wer meine, die globalen Probleme nach der Corona-Krise mit den alten Systemen lösen zu können, sei „auf dem Holzweg“.

Zur Lösung von Konflikten setzt Franziskus auf Dialog und internationale Vermittlung. Nationale Interessen haben sich dem globalen Gemeinwohl unterzuordnen. Die Rolle der Vereinten Nationen will der Papst gestärkt sehen, Krieg und Rüstung als Mittel der Politik weist er rigoros zurück. Bezüglich Krieg und Todesstrafe stellt er fest, dass es sich um „falsche Antworten“ handle, „die nicht die Probleme lösen, die sie zu überwinden glauben, und dass sie letztendlich nur neue Zerstörungsfaktoren in das Gefüge der nationalen und weltweiten Gemeinschaft einbringen“.
Die Anregung zu dem Text erhielt Franziskus nach eigenem Bekunden auch durch den ägyptischen Großimam Ahmad Al-Tayyeb, einen führenden Islam-Gelehrten. Als weitere Inspirationsquellen nennt Franziskus selbst Nichtkatholiken wie den US-Bürgerrechtler Martin Luther King, den südafrikanischen Anglikaner Desmond Tutu und Mahatma Gandhi. Ganz besonders erinnert er auch an den seligen Charles de Foucauld als einen „Menschen tiefen Glaubens, der aus seiner intensiven Gotteserfahrung heraus einen Weg der Verwandlung gegangen ist, bis er sich als Bruder aller fühlte“. Mit einem Gebet zum Schöpfer und einem ökume­nischen, trinitarisch geprägten Gebet be­schließt Papst Franziskus die Enzyklika.

Anwalt des Lebens und der Schöpfung

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, betont in einer Stellungnahme, Papst Franziskus unterstreiche mit seiner neuen Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ , dass er „Anwalt der Schwa­chen, Armen, Alten, Flüchtlinge wie auch Anwalt des Lebens und der Schöpfung ist und bleibt. „Ohne den Einzelnen in seiner unverbrüchlichen Würde zu verlieren, schafft der Papst einen universalen Ausblick auf das Ganze der Gesellschaft mit ihren religiösen und öffentlichen Organisationsformen: Mutig im Aufzeigen von Schwächen und brüchig gewordenen Wegen – zugleich aber auch getragen von einer tief verwurzelten Gläubigkeit des Evangeliums.“

„Für uns Ordenschristen heißt der ausführliche Ruf von Papst Franziskus, sich mehr in der politischen Geschwisterlichkeit einzubringen und damit die Kraft der Nächstenliebe spürbar zu machen“, betonen die Vorsitzenden der Österreichischen Ordenskonferenz, Erzabt Korbinian Birnbacher und Generaloberin Franziska Bruckner.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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