"Kirche bunt" in Serbien und Kosovo
Kosovo - ein weiteres "Sorgenkind" Europas

Kirche in Prizren, die nach einem Brandanschlag renoviert wurde. Bild Mitte: der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej.
 | Foto: Wolfgang Zarl
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  • Kirche in Prizren, die nach einem Brandanschlag renoviert wurde. Bild Mitte: der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej.
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Sie sind eine Pracht – die serbischen Kirchen und Klöster im Kosovo. Jahrhundertealte beeindruckende Ikonen und Mosaike erzählen in Bildern aus der Heiligen Schrift. Aber die Botschaft von Liebe und Friede der Bibel wird rund um die geweihten Häuser nicht gehört: Bewaffnete Soldaten der internationalen Friedenstruppe KFOR und Polizisten müssen die serbischen Heiligtümer bewachen. Der Hass ist zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und der serbischen Minderheit seit dem Krieg 1998/99 spürbar. Serbien erkennt den Kosovo als Staat nicht an, wie übrigens auch der Heilige Stuhl. Die frühere serbische Provinz wurde 2008 unabhängig. Serbien hat das nicht anerkannt. Serbische Realisten hoffen, dass zumindest die Klöster, ähnlich wie Botschaften, exterritoriales Gebiet werden.

120.000 Serben leben noch im Kosovo, rund 220.000 sind laut serbischen Angaben während und nach dem Krieg geflohen. Die verbliebene Minderheit würde unter der derzeitigen politischen Situation massiv leiden, beklagen hohe serbische Geistliche. Man fühlt sich von den Behörden und von der Justiz massiv benachteiligt, etwa wenn es um Ländereien geht.

Als „Wiege der serbischen Kultur“ bezeichnet der serbisch-orthodoxe Patriarch Porfirije den Kosovo. Vertreter österreichischer Medien – darunter war auch „Kirche bunt“ – hatten die Gelegenheit, das Oberhaupt der serbischen Kirche an seinem Sitz in Belgrad zu interviewen. Begleitet wurde die Reise, die vom Krieg in der Ukraine überschattet war, vom Wiener serbisch-orthodoxen Bischof Andrej (Cilerdzic), der rund 200.000 Serben in Österreich vertritt und als gebürtiger Osnabrücker (D) mit der westlichen und der orthodoxen Welt vertraut ist. Er ist Experte für Ökumene und Geschichte und ist mit Bischof Alois Schwarz sehr verbunden.

Kosovo gehört zur Identität

Die Identität des serbischen Volkes sei auf das Engste mit dem Kosovo und den zahlreichen serbischen Klös­tern verbunden, so Patriarch Porfirije. Zugleich betonte der vor einem Jahr gewählte Geistliche, dass seine Sorge allen Menschen gelte, die im Kosovo leben, „gleich, welcher Kirche oder Religion sie angehören“. Bei allen Bewohnern „sind Wunden entstanden“, so der Patriarch. Doch es gelte, „im Gespräch zu bleiben“, auf Koexis­tenz und Gemeinschaft hinzuarbeiten. Es brauche „tragfähige Modelle, wie die Menschen vor Ort zusammenleben können“. Es gebe „genügend Platz für alle“. Auf einen EU-Beitritt Serbiens angesprochen, meinte der Patriarch, dass „Serbien ein natürlicher Teil Europas“ sei. Das „Europäische Haus“ dürfe sich nicht nur auf Politik und Wirtschaft stützen. Es geht Patriarch Porfirije um „ein Wertesystem, das Kultur, Tradition und Spiritualität beinhaltet“. Ein gemeinsames Europa ohne ein solches geistiges Fundament hätte keinen Bestand. Er betont die guten Beziehungen seiner Kirche zur katholischen Kirche.

Besonders erschütternd sind die Berichte jener Kosovo-Serben bei einem Hintergrundgespräch in Belgrad, deren Väter, Brüder oder Söhne verschwunden sind und wohl ermordet wurden. Über 1.300 sollen es sein. Die Angehörigen haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, um mehr Ge­hör bei Institutionen und internationalen Behörden zu finden. Umgekehrt gibt es auch viele Berichte von Gräueltaten und Verbrechen der serbischen Soldateska gegen die Albaner. Auch wenn die österreichischen Journalisten nur die serbischen Geschichten hören, so klingen sie authentisch und jede einzelne brachte für die Angehörigen die Welt zum Einsturz. Sogar der Verdacht des Verbrechens des Organhandels steht im Raum. Der Verein fordert Aufklärung und Gerechtigkeit ein, auch für albanische Opfer.

Im Kosovo berichten Serben, wie ihre Kirchen und Klöster überfallen und niedergebrannt wurden. In Prizren etwa, in dem früher viele Serben wohnten, wurde die frühere Bischofskirche zerstört und später mit internationaler Hilfe wieder aufgebaut. Allerdings leben heute keine zehn Serben mehr in der 85.000-Einwohner-Stadt. Auch das traditionsreiche orthodoxe Priesterseminar musste nach Angriffen aufgegeben werden, es wurde aber neu aufgebaut und blüht wieder. Vielfach fürchtet man: Ohne die internationale Gemeinschaft und die KFOR geht die Gewalt wieder los.

Ein älterer Serbe im Kosovo erinnert sich nostalgisch an die Vergangenheit, die Albaner hätten „vor dem Krieg auch alle Rechte gehabt“. Einst lebten in seinem Dorf Hunderte Serben, jetzt ist er der einzig Verbliebene. Er will bleiben, sein Haus hat sein Großvater erbaut. Sicher fühle er sich aber nicht. Vom Dorf Osojane wurden zahlreiche Serben vertrieben, das Kloster zerstört. Der Ort wurde von der internationalen Gemeinschaft als Vorzeigeprojekt ausgewählt: Es wurde viel Geld in die Hand genommen, damit die Geflüchteten wieder zurückkehren können. Diese Enklave wird von einem orthodoxen Priester betreut, dem die Menschen vertrauen. Auch er beklagt Streit um Grundstücke und Attacken gegen das Dorf. Viele Serben sehen keine Zukunft im Kosovo und verlassen das Land; in serbischen Schulen wird kein Albanisch gelehrt, damit ist die Verständigung schwierig.

Katholiken im Kosovo

Die katholische Kirche mit ihren 23 Pfarren und 55 Priestern könne sich gut entfalten, sagt der albanischstämmige Dodë Gjergji, Bischof der Diözese Prizren-Pristina. Rund 50.000 Katholiken zählt der Kosovo, es gebe auch Taufen von Erwachsenen. Viele Albaner seien sich bewusst, dass alle ihre Vorfahren einst – vor der osmanischen Herrschaft – Christen waren, so der Bischof. Der Kosovo gilt als säkular, auch wenn sich der überwiegende Teil der 1,9 Millionen-Bevölkerung dem Islam zugehörig fühlt. Großes Ansehen genießen die katholischen Ordensfrauen für ihr soziales Engagement, aber auch Papst Franziskus: Sowohl der serbische Patriarch als auch sämtliche serbischen Geistlichen würdigen dessen Worte und Taten. Ein Besuch von Franziskus in Serbien steht im Raum.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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