45.000 Kapellen, Marterl und Co. in NÖ
Kleindenkmäler zeugen von christlichen Wurzeln
Wer durch das Mostviertel und durch das Waldviertel – also das Gebiet der Diözese St. Pölten – fährt oder spaziert, dem können die zahllosen Kapellen, Marterl und Wegkreuze nicht verborgen bleiben.
Standorte und Funktion
Die ursprünglichen Standorte waren zumeist an den Hauptverkehrswegen oder an Verbindungswegen von Dorf zu Dorf, zum Friedhof, zur Kirche, zur Schule, zum Markt. An allen diesen Wegen standen und stehen Wegkreuze und Rastkreuze. Das gleiche gilt auch für die alten Fußwege zu den Wallfahrtsorten.
Die Errichter verbanden mit den Kleindenkmälern meist ganz konkrete Anliegen: Dadurch sollten schlechte Ereignisse wie Unwetter, Krankheiten und Seuchen abgewehrt werden. Weiters sollten die Menschen, die den Ort verließen, Schutz erfahren (Urlaubs-kreuze). Auf dem Weg zur Kirche oder zum Friedhof entsprach ihre Funktion einer Andachts- und Raststätte.
Kleindenkmäler sind aber auch Zeichen des allgemeinen Rechts, die Gerichtsbarkeitsgrenzen, Gemeindegrenzen oder Besitzgrenzen markieren. Auf dem Weg zum Richtplatz waren sie Rast- und Bußstätte (Armeseelenkreuze).
Für erhörte Bitten wurden sie als Votivkreuze aufgestellt. An Stellen, wo sich Unfälle ereignet haben, wurden sie im Gedenken an die Unfallopfer aufgestellt – verbunden mit der Bitte, für diese zu beten. Manche Kleindenkmäler stehen auf Begräbnisstätten außerhalb des Friedhofs, an jenen Plätzen, wo Seuchenopfer (Pestkreuze) oder Andersgläubige (Türkenkreuze, Schwedenkreuze) begraben sind.
Manche Kleindenkmäler sind neu, andere Jahrhunderte alt. Manche wurden in Erinnerung an schwere Zeiten wie Kriege, Krankheiten oder Unfälle erbaut, andere dienen schlicht dem Lobpreis Gottes. Die Darstellungen sind wichtig für die Volksfrömmigkeit und Zeugnisse für Glauben und Dankbarkeit. Bedeutend sind sie weiters für die Auseinandersetzung mit Ortsgeschichten. Manchmal hatten Kleindenkmäler auch einen sehr praktischen Nutzen: Wegkreuze dienten früher als Orientierungspunkte in der Nacht. Auch Sagen, Mythen und Legenden ranken sich um viele Denkmäler. Kapellen oder Wegkreuze sind heute meist liebevoll mit Blumen geschmückt und oft frisch renoviert.
„Sie sind Teil unserer Landschaft, Kultur und Identität. Diese Kleindenkmäler sind auch kunsthistorische Zeugnisse ihrer Zeit“, betont Josef Neuhold, ehrenamtlicher Leiter des Fachbereichs Klein- und Flurdenkmäler Niederösterreichs und Ständiger Diakon in der St. Pöltner Pfarre Maria Lourdes. Diese christlichen Denkmäler würden den Glauben der Menschen ausdrücken und seien Zeugen des Glaubens. Es ist Neuhold ein Anliegen, dass diese weiterhin gewahrt und gepflegt werden.
Niederösterreich weist laut Diakon Neuhold einen außerordentlichen Reichtum an Kleindenkmälern auf. Unzählige Bildstöcke, Wegkreuze, kleine Kapellen und Skulpturen säumen unsere Straßen und Feldwege. Ihre Aufstellung spiegle die Geschichte unseres Landes und der jeweiligen Region wider: „Sie haben ihre Wurzeln im Glauben und in den Schicksalen der Bevölkerung. So geben sie Zeugnis vom religiösen und kulturellen Leben der Vorfahren unseres Landes.“
Ältester erhaltener Bildstock in Litschau aus 1347
Die Anzahl der Kleindenkmäler in Niederösterreich wird auf 45.000 geschätzt, davon sind zwei Drittel religiöse Motive, 10.000 sind denkmalgeschützt. Besonders oft sind Darstellungen der Maria Immaculata und Jesus Chris-tus geschaffen worden. Aber auch Darstellungen des „Brückenheiligen“ Nepomuk oder des heiligen Donatus, der als Schutzpatron gegen Blitz und Ungewitter von den Bauern sehr verehrt wird, sind oft zu finden. Viele religiöse Kleindenkmäler wurden „Zur Ehre Gottes“, „Zur Ehre der Heiligen Dreifaltigkeit“ oder „Zur Ehre der Muttergottes“ errichtet.
In der Bevölkerung ist laut Neuhold in den letzten Jahren das Interesse an den Kleindenkmälern sehr gestiegen. Zahlreiche Sanierungen alter Bildstöcke werden vielfach unter fachkundiger Anleitung durchgeführt. Die Beweggründe der seinerzeitigen Errichtung dieser „Marterl“ werden seit einigen Jahren erforscht und dokumentiert. Eine Reihe von Gemeinden gibt dazu Marterlführer heraus und mancherorts wurden auch Bildstockwanderwege mit kurzen Beschreibungen der einzelnen Kleindenkmäler eingerichtet. In vielen Pfarren werden gerne Kapellenwanderungen angeboten.
Die ersten urkundlich erwähnten Bildstöcke wurden als so genannte „Totenleuchten“ bereits im 12. Jahrhundert in Frankreich erwähnt. Wie der Name schon sagt, hatten sie ihre Funktion im Toten- und Bestattungskult. Im späten 13. Jahrhundert kamen solche „Totenleuchten“ erstmals nach Österreich. Frühere und zum Teil noch erhaltene Bezeichnungen wie Lichtpfeiler, Lichtstock, Lichtsäule, Friedhofsleuchten und Armenseeleleuchten bringen diese damalige Funktion des „Seelenlichtes“ sehr gut zum Ausdruck. Der älteste in Niederösterreich noch erhaltene Typus dieser ersten Bildstöcke ist das „Pestkreuz in Reitzenschlag“ bei Litschau, das auch als „Steinsäule am Arnberg“ bezeichnet wird. Dieser Bildstock weist eine Datierung von 1347 auf.
www.marterl.at
Vom Fachbereich Klein- und Flurdenkmäler des Museumsmanagements NÖ wurden für die Erfassung der Klein- und Flurdenkmäler standardisierte Vorlagen ausgearbeitet, mit deren Hilfe die einzelnen Objekte strukturiert beschrieben und zudem in die Kleindenkmaldatenbank www.marterl.at eingegeben werden können.
Viele Pfarren und Einzelpersonen haben sich daran schon beteiligt. Mit der Website soll es gelingen alle Kleindenkmäler in Niederösterreich zu erheben, sie im Detail zu beschreiben und mit Bildern, Filmmaterial und Audiotexten im Internet zu präsentieren und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Diese Plattform steht allen in leicht verständlicher Bedienung zur Verfügung. Dazu gibt es eine Smart-Phone-App. Ist das Kleindenkmal bereits erfasst, erfährt der Handybesitzer alles bereits Eingetragene zu dem entdeckten Kleindenkmal.
„Kirche bunt“ wird ab dieser Ausgabe Kapellen und andere christliche Denkmäler auf Seite 5 vorstellen und lädt dazu ein, historische, interessante, bewegende Darstellungen vorzustellen.
Details zu den Denkmälern
Die Bezeichnungen für die Klein- und Flurdenkmäler sind vielfältig. Namensgeber für Kleindenkmäler sind die Stifter, das Unfallopfer, die Grundeigentümer oder die betreuende Familie; weiters ergeben sich Namen nach der Funktion (z. B. Pestkreuz), nach der Örtlichkeit, nach dem Beruf des Stifters (z. B. Müllnerkreuz), nach historischen oder lokalen Ereignissen (Schwedenkreuz, Türkenkreuz …) oder von der bildlichen Darstellung her (Mariensäule …). Die religiösen Kleindenkmäler sind hierzulande generell zutiefst vom katholischen Glauben, oft aus der Zeit der Gegenreformation, geprägt.
Kapellen (Kleinkapellen): Darunter sind alle Feld-, Flur-, Haus- und Hofkapellen zu verstehen, die betreten werden können und in denen eine Andacht gehalten werden kann. Sie haben meist einen gemauerten Altartisch, einen Betschemel oder kleines Gestühl, manchmal auch Fenster, Weihwasserbecken und eine Glocke.
Kapellenbildstock: Die Öffnung kann von einer Person betreten werden. Statuen, Kerzen und Blumen können auf einem Absatz aufgestellt werden.
Breitpfeiler: Diese gemauerten Bildstöcke sind nicht zum Betreten durch Personen gedacht. Die Breitpfeiler entwickelten sich historisch gesehen aus den Bildstöcken. Die Pfeiler der Bildstöcke wurden „breit“ ausgeführt und bekamen eine Öffnung.
Totenleuchten: Freistehende Pfeiler oder Säulen mit mehrseitig geöffneter Laterne, die innerhalb von Kirchfriedhöfen stehen. Sie stehen in funktionaler Beziehung zu den nahe gelegenen Beinhäusern (Karner).
Lichtstock: Säulen und Pfeiler mit einem tabernakelartigen Aufsatz, in die ein „Licht“ gestellt wird. Lichtstöcke markierten oftmals den außerhalb des Ortsbereiches gelegenen Pestfriedhof.
Bildstock: Säulen (runder Schaft) und Pfeiler (eckiger Schaft) mit einem (nahezu) geschlossenen tabernakelartigen Aufsatz, der (innen und) an den Außenseiten Bilddarstellungen, Flachreliefs oder Kleinplastiken aufweist.
Weg- oder Feldkreuze sind einfach gehalten aus Holz oder Gusseisen. Sie haben im Kreuzungspunkt der Balken meist eine Christusdarstellung, aber auch Bilder können angebracht sein. Eine Variante sind Darstellungen von Unglücksfällen, die als „Marterl“ bezeichnet werden.
Grotten sind christliche Andachtsstätten, die entweder natürlich vorhanden waren oder die künstlich hergestellt sind. Besonders nach den Marienerscheinungen in Lourdes 1858 wurden zahlreiche Lourdesgrotten errichtet.
Glockentürme: In vielen Orten finden sich noch Glockentürme. Sie sind freistehend und aus Holz, Eisen oder gemauert ausgeführt. Die Glocken werden manchmal in der Früh, zu Mittag oder abends geläutet.
Hochsäulen: Diese sind oft mehrere Meter hohe Steinsäulen, vielfach mit Verzierung und mit Darstellungen der Dreifaltigkeit oder der Gottesmutter Maria.
Autor:Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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