Schreiben von Bischof Alois Schwarz
Ermutigung zur Teilhabe zum synodalen Prozess
Zum Beginn der zweiten diözesanen Phase des von Papst Franziskus initiierten Synodalen Prozesses wendet sich Diözesanbischof Alois Schwarz mit einem Wort der Ermutigung an alle Katholikinnen und Katholiken in der Diözese St. Pölten. In dieser Phase geht es um jene gelebte Teilhabe, zu der Taufe und Firmung befähigen und die ein wesentliches Element kirchlicher Gemeinschaft ist.
Liebe Schwestern! Liebe Brüder!
Mit dem Fest der Taufe des Herrn beginnt nach der weihnachtlichen Zeit wieder der Alltag, die sogenannte Zeit im Jahreskreis. Damit ist ein weiterer Beginn verbunden: Nach der ersten Phase des diözesanen Synodalen Prozesses, die sich dem Thema „Gemeinschaft“ gewidmet hat, beginnt nun die zweite Phase, die sich dem Thema der „Teilhabe“ zuwendet.
Genauso wie die Menschwerdung Gottes und seine Geburt im Stall von Betlehem Voraussetzung für das öffentliche Wirken Jesu sind, so bildet die Phase der „Gemeinschaft“ die Grundlage für die Phase der „Teilhabe“ und jene beiden die Voraussetzung für die dritte Phase der „Sendung“. Gerade die Teilhabe zeigt die Bedeutung des Einzelnen für die christliche Gemeinschaft auf, zu der jeder Christ und jede Christin durch die Taufe gehört. Die tiefgreifende Auseinandersetzung mit diesem Thema soll uns helfen, „die Gaben, die wir vom Heiligen Geist empfangen haben, einzusetzen, um einander zu dienen“ (Vademecum 1.4).
Der Begriff der „Teilhabe“ ist die Brücke zwischen jenen der „Gemeinschaft“ und der „Sendung“: Ohne Teilhabe fehlt etwas Wesentliches. Gemeinschaft ohne echte Teilhabe des einzelnen Christen bzw. der einzelnen Christin ist eine müde Gemeinschaft, in der sich einige wenige abmühen, die anderen sich aber entweder ganz zurückziehen oder nur konsumieren. Sendung ohne echte Teilhabe des einzelnen Christen bzw. der einzelnen Christin führt zum Delegieren des Auftrags Jesu, das Evangelium zu verkünden, an einige wenige: an den Priester, an die Hauptamtlichen, an die Pfarrgemeinderäte. Umgekehrt bedarf die Teilhabe der Verortung in der Gemeinschaft und der Ausrichtung auf eine konkrete Sendung, sonst drohen Einzelgängertum und Selbstbeschäftigung mit internen Machtfragen. Wir sehen: Die von Papst Franziskus bezeichneten „Dimensionen“ der Gemeinschaft, der Teilhabe und der Sendung stehen miteinander in Beziehung. Jede von ihnen trägt zur Bereicherung und Perspektive der anderen bei.
An etwas teilhaben zu können setzt das Empfinden von Zugehörigkeit voraus. Wenn Sie an Ihre Pfarrgemeinde denken, dann möchte ich Sie einladen, jenen Menschen intensiv und respektvoll zuzuhören, die Ihnen in der Pfarre bzw. im Pfarrverband (noch) unbekannt sind. Lassen Sie sich ein auf Gespräche mit Menschen, die – soferne sie überhaupt in die Kirche kommen – am Rande der Gemeinschaft stehen. Es geht dabei um ein Zuhören und nicht um ein Bewerten oder Beurteilen.
Teilhabe wäre falsch verstanden, wenn diese wiederum nur von jenen Menschen praktiziert wird, die ohnehin integriert, akzeptiert und innerhalb der Pfarre bzw. des Pfarrverbandes das Sagen haben.
Teilhabe, wie der Papst es meint, bedeutet über den eigenen pfarrlichen Bereich hinaus zrxu jenen Menschen zu gehen, die der Kirche aus den unterschiedlichsten Gründen den Rücken zugekehrt haben. Die Zugehörigkeit zu einer pfarrlichen Gruppierung, die zweifelsohne sehr wertvoll ist, kann aber gleichzeitig auch verhindern, dass neue Menschen hinzukommen können. Hier braucht es viel Zeit und viele Gespräche, um wahrzunehmen, wer interessiert sein könnte mitzumachen und um die Menschen anzuhören und ihre Sorgen, ihre Wut, ihre Ängste und Nöte miteinander zu teilen.
Es braucht aber auch Konzepte, wie diese Menschen wieder ins Boot geholt werden können. Vielleicht ist dazu das eine oder andere Versöhnungsgespräch erforderlich. Vielleicht sind aber einfach allgemeine Informationen und Abläufe innerhalb der Pfarre zu klären.
Möglicherweise helfen dabei Fragen wie: Was kann ich für Sie tun? Womit könnte die Pfarre Sie unterstützen? Was müsste geschehen, dass Sie sich von der Kirche / von unserer Pfarre so sehr angesprochen fühlen, dass Sie regelmäßig zum Gottesdienst kommen würden? Was ist der Grund / was sind die Gründe, warum Sie der Pfarre ferne bleiben?
Der Papst möchte alle einbeziehen, die dem Volk Gottes angehören. Ihnen soll Gehör geschenkt werden. Ihre Stimme ist in diesem Prozess ganz besonders wichtig. Genau jenen Menschen, die in und mit der Kirche schlechte Erfahrungen gesammelt haben, soll zugehört werden. Sie sollten angehört werden, denn sie haben etwas zu sagen, das man sonst vermutlich nie mehr hören wird. Es geht darum, die lauten Stimmen im Vordergrund zurückzunehmen und die verstummten Stimmen zu reaktivieren. Mit den lauten Stimmen meine ich besonders jene, die ihren Platz in den Pfarren bereits gefunden haben und sich mit Ämtern und Aufgaben bereits gut positioniert haben. Die Kirche ist kein Verein, der nur von Funktionären lebt. Die Kirche ist mehr als das Verteilen von ein paar wenigen Aufgaben. Die Kirche lebt davon, dass alle, die zu ihr gehören wollen, teilhaben können.
„In einer synodalen Kirche ist die ganze Gemeinschaft in der freien und reichen Verschiedenheit ihrer Mitglieder zusammengerufen, um zu beten, zu hören, zu analysieren, miteinander zu sprechen, zu unterscheiden und sich zu beraten, um die pastoralen Entscheidungen zu treffen, die Gottes Willen am besten entsprechen (ICT, Syn., 67-68). Es bedarf ernsthafter Kraftanstrengungen, um jene einzubeziehen, die ausgegrenzt sind oder sich ausgeschlossen fühlen“, so steht es im Vademecum (1.4) zum synodalen Prozess.
Niemand darf ausgegrenzt werden. Wenn dies dennoch geschehen ist, dann gilt es diesen Menschen nachzugehen, sie wieder herein zu holen und ihnen einen guten Platz einzuräumen. Dazu braucht es Ideen und liebevolle Kreativität, damit es gelingen kann, die entfernten, verletzten oder verlassenen Menschen innerhalb der Pfarre teilhaben zu lassen.
Ich lade Sie ein, liebe Schwestern und Brüder, gemeinsam zu überlegen, wo in Ihrer Pfarre, wo in der Diözese Menschen leben, die der Kirche den Rücken zugekehrt haben und/oder die ungerecht behandelt wurden. Überlegen Sie, wie wir sie wieder in die Teilhabe führen können.
Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes macht bewusst, dass Gott den ersten Schritt der Teilhabe geht: Gottes Sohn nimmt die menschliche Natur an, wird Mensch, wird einer von uns, hat Teil an unserem Leben – damit wir Teil haben an seinem göttlichen Leben.
Dies wird in der Taufe Jesu deutlich, wenn der Vater zum Sohn sagt: „Du bist mein geliebter Sohn.“ Auch bei unserer Taufe, durch die wir Teil der Gemeinschaft Gottes werden, spricht Gott uns zu: „Du bist mein geliebter Sohn!“ – „Du bist meine geliebte Tochter!“ Mit der Taufe beginnt unsere Teilhabe an der Gemeinschaft der Kirche und an der Sendung der Kirche.
Ich lade Sie, liebe Schwestern und Brüder, ein, konkret nachzudenken:
• Wie kann ich als Christ bzw. als Christin teilhaben an der Gemeinschaft der Kirche?
• Wie kann ich als Christ bzw. als Christin teilhaben an der Sendung der Kirche?
• Welche Gaben, Charismen, Talente bringe ich ein?
In der Zeit zwischen dem Fest der Taufe des Herrn und der Osternacht wird es in unserer Diözese vielfältige Möglichkeiten geben, teilzuhaben am Synodalen Prozess: die Pfarrgemeinderatswahl, die Vorbereitung der Tauferneuerung in der Osternacht, die präsynodalen Versammlungen in den Dekanaten, verschiedene Gesprächsformate mit anschließendem Fragebogen, Videoimpulse… Informationen und laufende Erweiterungen finden Sie auf der infoplattform www.aufsendung.at.
Papst Franziskus ist es ein zentrales Anliegen, gerade in einer Zeit der Polarisierungen und Spaltungen ein neues, dynamisches Miteinander zu starten, das die Kirche in Bewegung bringt, ihre Sendung wahrzunehmen: das Evangelium zu verkünden!
Ich freue mich über Rückmeldungen aus Ihrer Pfarre, aus Ihrer Gemeinschaft, aus Ihrer Gruppe.
Ihr
Bischof Alois Schwarz
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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