Herausforderungen für Verbände
Bischof Oster: „Wo sind die Jugendlichen?“

Bischof Oster predigt bei einem Gottesdienst der diözesanen Gisela-Mädchenschulen in Passau | Foto: Pressestelle Bistum Passau
  • Bischof Oster predigt bei einem Gottesdienst der diözesanen Gisela-Mädchenschulen in Passau
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Der Passauer Bischof Stefan Oster ist in der deutschen
Bischofskonferenz eine der konservativeren Stimmen. Zugleich gehört er zu den jüngeren Bischöfen mit engem Kontakt zur Jugend. Im Gespräch mit „Kirche bunt“ erzählt Bischof Oster über seine Berufung, seine Erfahrungen in der Jugendarbeit und wie aus seiner Sicht eine echte Reform der Kirche gelingen kann.

Sie sind Mitglied des Ordens der Salesianer Don Boscos, ein Orden, der die Arbeit mit jungen Menschen in seiner DNA trägt. Was bewog Sie damals, diesen Orden für Ihren geistlichen Weg zu wählen?

Bischof Oster: Ich war immer schon gerne mit Kindern und Jugendlichen beieinander – und in mir ist früh die Überzeugung gewachsen, dass es ein wichtiger Dienst ist, jungen Menschen zu helfen, gut ins Leben hineinzuwachsen. Als ich dann im Glauben neu verankert war, habe ich die menschliche Person vor allem von Christus her neu verstanden und wollte von da an mithelfen „bei der Menschwerdung des Menschen“.

Sie feiern dieses Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum als Bischof von Passau und waren 49 Jahre alt, als Sie zum Bischof geweiht wurden, das ist vergleichsweise jung. Würden Sie aus Ihrer heutigen Sicht sagen, dass Ihr junges Alter ein Vorteil für Ihre Arbeit als Bischof war und ist?

Bischof Oster: Beides: Ich war jung – und habe wohl für viele Menschen „frisch“ gewirkt und „anders“ als das, was man bei einem Bischof gewohnt war. Andererseits: Ich hatte keine Ahnung darüber, was den Dienst des Bischofs wirklich ausmacht, was er bedeutet. Ich war ja kein Mann des Ordinariats, ich war auch nicht Pfarrer. Ich war und bin Salesianer Don Boscos. Daher war ich überaus dankbar für einige sehr loyale Menschen, die mir geholfen haben, ins Amt zu finden.

In der deutschen Bischofskonferenz sind Sie stellvertretender Vorsitzender der Jugendkommission. Welche Entwicklungen sind in Deutschland in der Jugendpastoral erkennbar?

Bischof Oster: Die Jugendpastoral ist bei uns vielfältig aufgestellt. Wir haben im Rahmen der Bischofskonferenz Leitlinien entwickelt, in denen diese Bandbreite abgebildet wird – in denen zugleich zum Ausdruck kommt, dass es in aller Vielfalt dennoch überall gilt, Menschen in die Freundschaft mit Jesus einzuladen. Dabei ist unsere deutsche Landschaft zahlenmäßig deutlich dominiert von verbandlicher Jugendarbeit. Wir haben große Verbände, wie die Landjugend, die Pfadfinder, die Kolpingjugend und andere mehr, die alle im Dachverband des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) zusammengefasst sind. Darüber hinaus gibt es eine auch zahlenmäßig sehr starke Ministrantenarbeit. Beides ist in anderen Ländern weniger stark. In anderen Ländern sehe ich andere Initiativen, auch solche, die stärker als bei uns den Aspekt der neuen Evangelisierung betonen. Was ich bei uns auch spannend finde: In den letzten Jahren wachsen Initiativen, in denen ausdrücklich die geistliche Dimension neu betont wird, Anbetung, Worship, Glaubensvertiefung; Jüngerschaft. Das ist für die Verbände herausfordernd, die stärker in der sozialen und politischen Aktivität wirken und vor allem auch in der Demokratiebildung wertvoll sind. Und umgekehrt: Die stärker geistlich orientierten Gemeinschaften brauchen auch die Herausforderung gerade durch soziale Initiativen. Freilich: Die insgesamt rückläufigen Zahlen von Jugendlichen machen auch ein generelles Problem deutlich, das fast alle Pfarreien bei uns haben, wenn sie fragen: Wo sind eigentlich die Jugendlichen?

Haben Sie auch einen europaweiten oder internationalen Vergleich – was ist jungen Katholikinnen und Katholiken in anderen Ländern wichtig?

Bischof Oster: Ich komme zum Beispiel auf den Weltjugendtag und sehe, dass bei vielen anderen Nationen solche Themen, die für viele unserer Jugendlichen sehr im Vordergrund sind, weniger relevant sind. Die Genderfragen, die Frage nach dem ökologischen Engagement, die Teilhabe von Frauen am kirchlichen Weiheamt. Das beschäftigt doch viele bei uns, während es – wenigstens bei einer Veranstaltung wie dem Weltjugendtag – bei anderen stärker um die geistliche Dimension geht, also um die Sakramente, die Lehre der Kirche und anderes mehr. In den USA habe ich einige Initiativen kennengelernt, die offensichtlich sehr fruchtbar sind wie FOCUS oder NET Ministries. Sie haben stark den Impuls der Neuevangelisierung aufgenommen. Das erlebe ich bei uns als schwierig: die Gesamtgemengelage der kirchlichen Situation führt eher dazu, dass solche Initiativen auch innerkirchlich sehr kritisch gesehen werden.

Wie gelingt es Ihnen, den Kontakt zur Jugend aufrechtzuerhalten?

Bischof Oster: Ich habe neun von meinen zehn Jahren als Bischof vierzehntägig Gebetsabende mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen veranstaltet. Dabei ist viel gewachsen. Heute treffe ich immer noch gerne und relativ häufig Jugendliche, vor allem bei Firmungen, bei Visitationen, bei den Treffen mit den Jugendverbänden etc. Außerdem bin ich in Social Media aktiv – und bekomme dort auch Kontakt und Rückmeldungen von den Jugendlichen. Zudem: Ich wohne in einer Wohngemeinschaft. Die Mitbewohner sind zwar keine Jugendlichen mehr aber als junge Erwachsene alle deutlich jünger als ich.

Nicht selten gehen Sie zu Stellungnahmen aus dem Synodalen Ausschuss in Opposition. Die synodale Bewegung in Deutschland möchte die Kirche attraktiver machen, verjüngen. Denken Sie, das gelingt den Ausschüssen auf diese Weise?

Bischof Oster: Nein, ich verstehe zwar, dass und warum Menschen diese Richtung wollen. Aber ich halte sie nicht für fruchtbar. Am Ende wird keiner deshalb näher zu Christus finden, weil wir kirchenpolitische Forderungen einer modernen Gesellschaft erfüllen, die aus meiner Sicht letztlich sogar in den Kern des Glaubens und unseres sakramentalen Verständnisses von Kirche zielen und diesen verändern würden, vor allem in den Fragen, zu was und für wen der Mensch eigentlich da ist. Ich bin überzeugt, dass sich die Kirche in der ganzen Geschichte immer zuerst geistlich erneuert hat, von innen nach außen sozusagen. Durch die Rückkehr ins Zentrum des Evangeliums und die Rückkehr zu Christus als dem, der real gegenwärtig ist und zuerst unsere Herzen verändern will, ehe es dann zweitens auch mal an Strukturen geht. Wenn diese „Umkehr“ nicht stattfindet, laufen aus meiner Sicht Reformforderungen oder Reforminitiativen ins Leere.

Was zieht Ihrer persönlichen Erfahrung nach junge Menschen zu Gott und seiner Kirche?

Bischof Oster: Wenn Sie Menschen erleben, die aus innerer Tiefe und Klarheit, aus innerer Wahrhaftigkeit so leben, dass sie zugleich eine größere Freude und größere Freiheit ausstrahlen. Wenn sie Menschen erleben, die in der Lage sind, absichtslos zu lieben. –Wenn sie Menschen begegnen, die wirklich bereit sind, sich mit ihnen einzulassen auf eine Weggemeinschaft des Glaubens. Wenn sie zugleich kirchliche Orte und Initiativen finden, in denen sie selbst Protagonisten ihres gläubigen Leben sein können – die nicht paternalistisch betreut, sondern freundschaftlich begleitet werden.

Interview: Matthias Wunder

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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